Jürgen Eitel: “persönliche Diffamierungen sind unangebracht”

Es ist ein bei den Stadtratsmitgliedern beliebter Tagesordnungspunkt in der letzten Sitzung des Jahres. Die Rede des Ratsältesten. In Jahren, Monaten und Tagen gerechnet ist das Wolfgang Bouffleur. Der Winzenheimer verzichtete zugunsten des zweitältesten, seinem Fraktionskollegen Jürgen Eitel. Das erfahrene Stadtratsmitglied nahm die ehrenvolle Aufgabe gern an. Und formulierte einen Text, der neben Lob auch Mahnungen und ernste Hinweis beinhaltet. Nach fast vier Stunden Sitzungszeit, am Ende des öffentlichen Teils, kam Eitel zu Wort. Dies ist die schriftliche Textfassung seiner Rede:

“Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Emanuel Letz, sehr geehrter Bürgermeister Thomas Blechschmidt, sehr geehrter Beigeordneter Markus Schlosser, verehrte Stadträtinnen und Stadträte, verehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, meine Damen und Herren. Als 2. Ältester des Rates hat mich der OB gebeten mich mit einigen Worten vor Jahresende an sie zu wenden. Das ablaufende Jahr war weniger durch Corona geprägt, als durch den mehr als brutalen Krieg in der Ukraine. Darunter werden wir noch lange zu leiden haben. Wir merken es auch bei den Haushalts–Beratungen oder bei anderen Entscheidungen: nichts ist mehr kalkulierbar.

Morgen kann alles anders sein. Am Anfang meines Lebens war das auch so. Ich erinnere mich noch gut an den schweren Luftangriff auf die Stadt Heilbronn, den wir nur durch einen großen Zufall überlebt haben. Wir hatten anschließend nur noch die Kleider am Leib. Alles war verloren. Ich hätte nie geglaubt, dass mich nochmals ein Krieg einholen wird. Ich glaube vielen von Ihnen geht es auch so. Das Jahr 2022 war geprägt von einer bedeutenden Veränderung des Stadtvorstandes. Im Januar kam Bürgermeister Blechschmidt neu dazu und im Juli der neue OB Emanuel Letz. Wir alle spüren es, dass der gesamte Stadtvorstand wieder vertrauensvoll im Sinne aller Bürger zusammenarbeitet.

Die altbekannten Grabenkämpfe sind Gott sei Dank beendet. Ich hoffe sehr, dass sich das im Laufe der Zeit auch auf die gesamte Verwaltung und den Stadtrat positiv auswirkt. In schweren Zeiten müssen wir zusammen halten. Wir haben vor kurzem die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass unsere Stadtverwaltung im Laufe des kommenden Jahres in das Sparkassengebäude am Kornmarkt einzieht. Mehr als 2 Jahrzehnte haben wir Räte an diesem Thema gearbeitet. Das war ein Meilenstein. Wir haben in diesem Jahr im Rat den ÖPNV neu gestaltet. Er liegt noch in den Geburtswehen. Wie wir die dadurch auf uns zukommende Kostenlawine bewältigen wollen, steht noch in den Sternen.

Von vielen Seiten wird immer wieder kritisiert, dass der Rat der Stadt Bad Kreuznach zu viel diskutiere und dass darum alles so lange dauere. Ich kann mich noch daran erinnern, dass der Stadtrat in den 60er und 70er Jahren aus 3 und später mit Ankunft der Grünen aus 4 Parteien bestand. Es gab lange Zeit eine große Koalition. Da wurde nicht so viel diskutiert wie heute. Es herrschte Koalitionszwang. Abweichler waren nicht gut angesehen. Heute dagegen haben wir im Rat eine große Vielfalt an politischen Richtungen. Auch in den großen Parteien im Rat merkt man, dass einige sich nicht an die internen Absprachen halten, wenn sie anderer Meinung sind.

Es wird nachgehakt und es wird kaum noch was unter den Teppich gekehrt. Es wird um Mehrheiten gekämpft. Das finde ich persönlich gut, das ist für mich echte Demokratie und das verdient Respekt. Was ich mir für 2023 wünsche ist, dass wir trotz dieser vielen Gruppierungen und Meinungen, respektvoll miteinander umgehen. Immer wieder vorkommende persönliche Diffamierungen sind unangebracht und stören das Miteinander. Am Jahresende will ich mich auch im Namen des gesamten Rates bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung und beim Stadtvorstand für die im Jahre 2022 geleistete Arbeit bedanken.

Nur noch wenige Tage bis zum Weihnachtsfest. Für mich ist Weihnachten ein Fest in der Familie, eine Zeit der Erinnerung und des Nachdenkens. Mit einem Dank an Sie alle will ich schließen. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein friedliches und besinnliches Weihnachtsfest 2022 und einen guten Start ins Jahr 2023. Vielen Dank.”