Geheimsitzung: Kompostwerk darf 22.000 statt 10.000 Tonnen “Jahresdurchsatz” machen

Seit rund 35 Jahren wird mitten in der Naheaue, östlich des Bad Kreuznacher Abwasserwerkes, aus Biomüll Kompost erzeugt. Mittlerweile ist das Produkt zertifiziert. Für die private Nutzung “zu energiereich”. Aber in der Landwirtschaft und im Weinbau gefragt. Die aktuelle Entwicklung der Düngemittelpreise hat die Nachfrage nach dem Kompost explodieren lassen. Und die Perspektive der Müllentsorgungskosten läßt das Kompostieren im Sinne der Gebührenzahler*Innen immer wirtschaftlicher, weil kostengünstiger erscheinen. Der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Kreises hat daher bei der Stadt mit Schreiben vom 30.8.2022 eine Ausweitung des “Jahresdurchsatzes” von bisher rund 10.000 auf künftig 22.000 Tonnen beantragt.

In diesem Gebäude sind Siebe und vor allem die große Rottetrommel untergebracht.

Die Stadt ist in diese Erweiterung involviert, weil ihr das Grundstück gehört, auf dem das Kompostwerk errichtet ist. Die Nutzung ist dem Kreis per Erbpachtvertrag erlaubt. Wegen dem erhöhten “Jahresdurchsatz” und den damit verbundenen Baumaßnahmen muß die Stadt der veränderten Nutzung zustimmen. In seinem Antrag spricht der AWB von “jahrelanger positiver Erfahrung in allen Bereichen” und einem “marktunabhängigen Ensorgungsweg für den kreiseigenen Biomüll”. Baulich und technisch passiert mit der Erweiterung folgendes: die bisher 36 Intensivrottecontainer werden um 44 weitere ergänzt und die Lagerfläche muss mindestens verdoppelt werden.

Weitere bauliche Veränderungen sind nicht erforderlich, da die vorhandene Anlage ursprünglich für 35.000 Jahrestonnen ausgelegt war. Zusätzlicher Lkw-Verkehr wird laut AWB nicht anfallen, da schon bisher der gesamte Biomüll des Kreises dort angeliefert wird. Aktuell werden 10.000 Tonnen jährlich zur andersweitigen Entsorgung weitertransportiert. Der Grundstücksausschuß hat dem Antrag des AWB in seiner Sitzung am 20.9.2022 einstimmig zugestimmt. Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung. “Rechtswidrig”, wie ein von der Redaktion dieser Seite dazu befragter Fachanwalt für Verwaltungsrecht feststellt. Denn keines der vorgenannten Details unterliegt in irgend einer Weise der Geheimhaltung.

Und “schutzwürdige Belange Dritter” sind nicht in einem einzigen Punkt berührt. Trotzdem hat es die Stadtverwaltung – ebenfalls rechtswidrig – unterlassen, das Beratungsergebnis und die vorstehend dargestellten Daten von sich aus zu veröffentlichen. Erst die Recherchen der Redaktion dieser Seite machten die vorstehende Veröffentlichung möglich. Dem AWB hat die Stadtverwaltung damit einen Bärendienst erwiesen. Denn das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) hat schon vor Jahren in einem vielbeachteten Grundsatzurteil festgestellt, dass ein Rechtsfehler in einer Ausschußsitzung den gesamten Beratungsweg kontaminiert.

Wenn die Schlaubergerinnen im städtischen Rechtsamt nicht also doch noch wach werden und beim Stadtvorstand die Wiederholung der Beratung dieser Sache in öffentlicher Sitzung des Grundstücksausschusses durchsetzen, ist die Genehmigung schon aus formalen Gründen angreifbar. Für jeden einzelnen der zigtausend Abfallgebührenschuldener*Innen im Kreisgebiet. Die Fortsetzung der Fehlerkette ist übrigens bereits amtlich angekündigt. Denn der Punkt steht nächste Woche schon wieder auf einer Tagesordung. Der des Stadtrates. Wieder in nichtöffentlicher Sitzung.

Die Einwohner*Innen lernen aus diesem Sachverhalt noch etwas ganz anders. Wenn die Stadtverwaltung will, können selbst millionenschwere und bedeutende Projekte in wenigen Tagen durch die Mühlen der Bürokratie duchgewunken werden. Der Antrag vom 30.8.2022 ging der zuständigen Abteilung der Stadtverwaltung am 1.9.2022 zu. Dort wurde er mit dem handschriftlichen Vermerk “Eilt nächste Grundstücksausschusssitzung” versehen.

Und kam daher schon 19 Tage später zu Beratung und Beschlußfassung. Anfragen von Stadtratsmitgliedern und auch Presseanfragen werden über Monate nicht beantwortet. Bürgeranliegen werden hinten angestellt. Aber wenn eine Krähe – äh – ein Bürokrat dem anderen helfen kann, geht alles ganz schnell. Konkret benötigt die Stadtverwaltung aktuell für die Ausstellung eines Personalpapieres oder einer Urkunde für Einwohner*Innen länger, als für die Genehmigung der zusätzlichen Entsorgung von 12.000 Tonnen Abfall jährlich …