Herbert Emrich’s Frontalangriff auf die Stadt: 20 Jahre Untätigkeit

Heute Nachmittag sitzen der Bosenheimer Ortsvorsteher Dr. Volker Hertel, die Schwimmbad-Fördervereinsvorsitzende Johanna Lorenz und der Geschäftsführer der städtischen Bad GmbH, Klaus-Dieter Dreesbach zusammen. Thema: wo sind die 100.000 Euro geblieben, die der Stadtrat für den Betrieb des Bosenheimer Bades in 2022 bereitgestellt hat? Schon diese Fragestellung allein ist komplex genug. Denn in der Folge wird es Untersuchungen geben, wieso der Löwenanteil von 1.500 Euro oder mehr Kosten pro Öffnungstag gar nicht in Bosenheim, sondern in der Konzernzentrale in der Kilianstrasse anfällt.

Auch die Mitglieder des Bad-Aufsichtsrates, die offenbar ohne jede kritische Nachfrage einfach alles durchwinken, was Ihnen vorgelegt wird, dürfen sich auf Kontrollmaßnahmen durch den an dieser Frage interessierten Teil der Einwohnerschaft freuen. Von ganz anderer Seite wurde der Druck auf das heutige Gespräch schon gestern dramatisch erhöht. Rechtsanwalt Herbert Emrich legte Bürgermeister Thomas Blechschmidt sein Bestellungsschreiben als Interessensvertreter des Bosenheimer Ortsbeirates vor. Da Blechschmidt derzeit im Urlaub weilt, erlaubte sich Emrich in seinem Schreiben “mit der Tür ins Haus zu fallen”: den abwesenden Blechschmidt konnte er so ja nicht verletzten.

Ohne Vorrede macht der Rechtsanwalt dem Bürgermeister den Vorwurf, in der von ihm geleiteten Stadtratssitzng am 19. Mai 2022 einen rechtswidrigen Stadtratsbeschluss zugelassen und diesen auch im Nachhinein nicht, wie vom Gesetz verlangt, gemäß § 42 Gemeindeordnung (GemO) auszusetzen. Und als ob dieser – sachlich berechtigte – Vorwurf nicht schon schlimm genug wäre, setzt Emrich mit seiner Insiderkenntnis noch einen drauf. Da der erfahrene Fachanwalt für Verwaltungsrecht den Bosenheimer Ortsbeirat schon vor über 20 Jahren in der selben Sache vertrat, liegen ihm die Stellungnahmen der Stadt von damals schriftlich vor.

Und aus diesen zitiert Emrich genüsslich. Denn die noch einige Wochen im Amt befindliche Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann hatte schon 2002 erkannt, was Herbert Emrich am 1. Juni diesen Jahres dem Ortsbeirat erläuterte: die Stadt darf nicht nach ihrem Gusto isoliert einen Punkt aus dem Eingemeindungsvertrag greifen. Sondern muss den gesamten Vertrag kündigen und neu verhandeln (diese Seite berichtete ausführlich). Wie Emrich in seinem aktuellen Schreiben aufdeckt, hatte Häußermann damals sogar bereits “einen Fragenkatalog erarbeitet, der das Anpassungsverfahren nach § 60 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) einleiten sollte”.

Diese zutreffende Erkenntnis der Stadtrechtsdirektorin habe die Stadtverwaltung “negiert, obwohl das Rechtsamt richtigerweise … vorgehen wollte”. Emrich stellt fest: “es ist diesbezüglich bis heute nichts geschehen”. Und zieht daraus unter Berücksichtigung des Schliessungsbeschlusses vom 19. Mai 2022 die Konsequenz: “am Montag den 8.8.2022 werde ich dann, wenn mein heutiges Schreiben keine oder keine genügende Resonanz in der Verwaltung findet, erneut Klage beim Verwaltungsgericht Koblenz einreichen”. Für weitere Vertuschungs- und / oder Verzögerungsaktionen der Stadt bleibt übrigens keine Zeit.

Denn wenn die Stadt nicht von sich aus den Beschluß vom 19. Mai 2022 aussetzt, muss die gegen dessen Rechtskraft gerichtet Klage längstens drei Monate danach, also bis zum 18.8.2022, dem Verwaltungsgericht vorliegen. Jetzt ist Oberbürgermeister Emanuel Letz gefordert. Ihm obliegt die Prüfung der Sach- und Rechtslage. Und er kann Kraft seines Amtes die von Emrich geforderte Aussetzung des erkennbar rechtswidrigen Stadtratsbeschlusses gemäß § 42 GemO vornehmen. Damit wäre auch die 100.000 Euro – Einschränkung sofort vom Tisch. Und die Stadt hätte sicherzustellen, dass der Betrieb des Bades zu den bei der Eingemeindung herrschenden Bedingungen (täglich und von morgens früh bis abends) wie jede andere Pflichtaufgabe der Stadt auch durchgeführt wird.

§ 60 “Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen” des Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG):

(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.

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02.06.22 – “Stadtratsbeschluß zur Schließung des Bosenheimer Bades ist rechtswidrig”