“Die Verwaltung soll doch für uns da sein, nicht nur wir für die!”

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Claus Jotzo

Das ärgert auch Leser*Innen, die zugeben, noch nie bei einer Stadtratssitzung zugegen gewesen zu sein: heute beginnt der öffentliche Teil eine halbe Stunde später, also erst um 18 Uhr, weil vorher eine nichtöffentliche Sitzung stattfindet. Dieser Umstand wird im Kontakt mit der Redaktion dieser Seite gleich von mehreren Einwohner*innen als Zurücksetzung empfunden. “Mit uns kann man es ja machen”, ist einer der Kommentare. Und: “die Verwaltung soll doch für uns da sein, nicht nur wir für die!” Trotz Anfrage hat die Stadtverwaltung eine offizielle Erklärung nicht abgegeben. Die Hoffnung ist groß, dass der neue Oberbürgermeister Emanuel Letz nicht gleich die erste von ihm geleitete Stadtratssitzung mit einem Makel versieht.

In dem er, der keinerlei relevante Sitzungserfahrung kommunaler Gremien hat, statt einfach zuzugeben, dass er sich diesbezüglich schlecht beraten ließ, an langen Haaren argumentative Untiefen heranzieht. Etwa die, der neue Stadtrechtsdirektor stelle sich vor. Dem wäre nämlich entgegenzuhalten, dass der ja ein ganz besonderer Diener der Einwohnerschaft sein soll. Und sich schon daher eine Vorzugsbehandlung verbietet. Die anderen nichtöffentlichen Tagesordnungspunkte können noch viel weniger als Begründung herhalten. Zumal Emanuel Letz seine achtjährige Amtszeit ganz am Anfang mit einer Begünstigung für die davon Betroffenen belasten würde. Jede(r) andere Betroffene, der künftig bis zum Ende der öffentlichen Sitzung warten muss, darf sich in die zweite oder dritte Reihe versetzt sehen.

Erstaunlich ist: nicht ein einziges Ratsmitglied hat gegen die Reihenfolge “nichtöffentlich vor öffentlich” protestiert. Auch das wird ein Punkt sein, an den die Einwohner*Innen vor der Kommunalwahl 2024 in geeigneter Weise zu erinnern sind. Wenn Amtsinhaber dann wieder von “Bürgerfreundlichkeit” schwafeln, die die fünf Jahre zuvor nur auf einer einzigen Seite standen: auf ihrer eigenen. Für Stadtratsmitglieder, in denen sich noch ein Rest von Widerstandsgeist gegen Verwaltungsbürokratie befindet, weisen wir gern auf die Geschäftsordnung hin. Diese ist im Wortlaut unter “Politik” auf der Stadtseite veröffentlicht. Dort ist unter § 26 (“Niederschrift”), Absatz 3 bestimmt:

“Jedes Ratsmitglied kann verlangen, dass seine/ihre abweichende Meinung oder der Inhalt seiner/ihrer persönlichen Erklärung zu einem Beschluss in der Niederschrift vermerkt wird, sofern die abweichende Meinung oder die persönliche Erklärung vor der Beschlussfassung geäußert wurde”. Man muss also erst mal eine eigene Meinung haben. Und dann auch noch den Mumm haben, diese auszudrücken. Aber dann kann man deren wortgenaue Protokollierung verlangen (eine schriftliche Vorbereitung ist laut rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichtes Neustadt zulässig). Und damit später einen Leistungs-Nachweis erbingen. Das gilt vor allem für nichtöffentliche Sitzungen, da da ja unabhängige Beobachter*Innen nicht zugelassen sind.