Kreis: “Fleeschworscht-Dunnerschdach” in Alleinverantwortung der Stadt

In den ersten Jahren war er tatsächlich ein Insidertipp. Und fast ausschließlich von Bad Kreuznacher*Innen besucht: der “Fleeschworscht-Dunnerschdach”. Initiatoren waren Ursula und Rolf Lichtenberg. Ihr Gedanke im Jahr 1981: “Die Kreuznacher brauchen am Jahrmarkt einen gemütlichen Ort.” Hier sollte man bei einem guten Glas Wein und etwas Leckerem aus der bodenständigen Heimatküche verweilen können. Und das auch schon am Abend vor der Eröffnung am Freitag. Im Laufe der Jahre schlossen sich immer mehr Anbieter der Lichtenberg-Idee an. Und irgendann erlaubte die Stadt den Gastronomiebetrieben auf dem Jahrmarkt ebenfalls offiziell donnerstags zu öffnen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde aus dem “gemütlichen Ort” der sechste Jahrmarktstag. Jahrelang ging das gut. Bis es anderenorts zu Anschlägen und Gefährdungslagen kam. Und damit Sicherheitskonzepte obligatorisch wurden. In 2019 sah das so aus, dass am “Fleeschworscht-Dunnerschdach” eine fünfstellige Zahl von Besucher*Innen feierten. Ohne Zugangs- und Handtaschenkontrollen. Mit wenig Sicherheitspersonal auf dem Platz. Und am Tag danach teils die selben Menschen, ebenfalls in fünfstelliger Zahl, zur Pfingstwiese kamen, Kontrollen stattfanden und ein erheblicher Sicherheitsaufwand betrieben wurde. Der Widerspruch war und ist augenfällig.

Und drängt mehrere Fragen auf: wer ist verantwortlich, wenn am Donnerstagabend etwas passiert? Ist die Stadt in einem solchen Fall versichert, wo sie doch selbst sagt, der Donnerstag sei kein Jahrmarktstag. Aber eigens am “Fleeschworscht-Dunnerschdach” um 18 Uhr zur Naheweinprobe auf das Kipp-Riesenrad einlädt… Die entsprechende Anfrage der Redaktion dieser Seite vom 5. Juli 2022 wurde von der Stadtverwaltung bisher nicht beantwortet. Weil in diesem Jahr erstmals auch der Kreis mit im Verantwortungskarussell sitzt, haben wir auch dort nachgefragt. Und sehr interessante Informationen erhalten. Zunächst einmal stellt der Kreis klar, dass er lediglich eingebunden ist.

Das “ist nicht mit einer Genehmigung der Veranstaltung gleichzusetzen, diese wird nicht durch die Kreisverwaltung ausgesprochen sondern liegt im eigenen Ermessen der Stadt”, formuliert Kreispressesprecher Benjamin Hilger. Und dann folgt in der Presseerklärung des Kreises eine bisher in den städtischen Gremien noch nie vorgestellte Definition. Die der “Großveranstaltung”. Als solche habe die Stadt Bad Kreuznach als Veranstalter des Jahrmarktes diesen für den Zeitraum von Freitag bis Dienstag angemeldet, so Hilger. Der Kreispressesprecher erklärt dann weiter: “unter einer Großveranstaltung sind Veranstaltungen zu verstehen, die von mindestens 15.000 Personen gleichzeitig bzw. mindestens 30.000 Personen innerhalb eines Tages besucht werden.

Für den Jahrmarkt trifft dies nach Einschätzung der Stadt Bad Kreuznach für die beantragten Veranstaltungstage zu”. Demzufolge war die Kreisordnungsbehörde “für die Großveranstaltungstage Freitag bis Dienstag schon im Vorfeld der angemeldeten Veranstaltung in den Bereichen der Gefahrenabwehr und der Gefahrenvorsorge einzubinden” – ohne selbst zu genehmigen. Die Kreisordnungsbehörde stelle jedoch eine sogenannte ordnungsbehördliche Anordnung aus, führt Benjamin Hilger weiter aus. In dieser werden unter anderem Sicherheitsmaßnahmen – wie zum Beispiel der Einsatz von Sicherheitsdiensten, Sanitätsdiensten oder der Feuerwehr – als Auflage festgeschrieben.

Dann kommt der Kreispressesprecher zum eigentlichen Thema: “für Veranstaltungen, die wegen eines geringeren Besucheraufkommens nicht als Großveranstaltung zählen – wie es bei dem besagten Donnerstag mit weniger als 15.000 parallel das Festgelände besuchenden Personen zu erwarten ist – liegt die Verantwortung allein bei der Stadtverwaltung und ihrer Ordnungsbehörde”. Mit dieser klaren Ansage liegt der “Schwarze Peter”, wie mit dem “Fleeschworscht-Dunnerschdach” ordnungsrechtlich umzugehen ist, allein bei der Stadt. Solange es keinen Schadenfall gibt. Denn der würde Fachjuristen auf den Plan rufen. Wie dies aktuell an der Ahr der Fall ist. Die würden sicherlich hinterfragen, wie fünf von sechs Veranstaltungstagen eine Großveranstaltung darstellen können.

Und der erste nicht. Auch hinsichtlich der Schätzung der Besucherzahl dürften dann Fragen aufkommen. Das 2018 und 2019 von der Redaktion dieser Seite gefertigte Bildmaterial legt den Schluß nahe, dass sich im Zeitraum zwischen 23 Uhr und 1 Uhr am jeweiligen “Fleeschworscht-Dunnerschdach” mindestens 15.000 Gäste zeitgleich auf der Pfingstwiese aufhielten. Damit wäre die Bedingung für eine Großveranstaltung erfüllt. Wer wie der Autor dieses Berichtes am 24. Juli 2010 in Duisburg auf dem Weg zum Loveparade-Festgelände war, weiß wie weit weg in den Stunden vor dem Unglück die Gedanken hunderttausender Menschen von schlimmen Ereignissen waren. Hinterher waren auch dort alle schlauer. Vielleicht ist das in Bad Kreuznach vorher möglich.

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05.07.22 – “Aufgespiesst: der Jahrmarkt 2022 ist jetzt ganz offiziell sechstägig“
01.07.22 – “SPD-Angriff auf den Jahrmarktsausschuss abgewehrt”
25.05.22 – “40jähriger auf Kirmes erschossen: Auswirkungen für den Jahrmarkt? (II)“
23.05.22 – “40jähriger auf Kirmes erschossen: Auswirkungen für den Jahrmarkt?“
16.08.19 – “Bombenstimmung schon am Donnerstag auf dem Jahrmarkt“
16.08.18 – “Glosse: Über 10.000 Gäste + keine Kontrolle = friedlich”