SPD-Angriff auf den Jahrmarktsausschuss abgewehrt

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Es ist das älteste, noch heute existierende kommunale Gremium der Stadt Bad Kreuznach: nicht ganz so alt wie der Jahrmarkt selbst, der auf über 200 Jahre kommt. Der erste fand im Jahr 1810 statt. Aber immerhin seit 141 Jahren gibt es den Jahrmarktsausschuss. Es war der Fraktionsgeschäftsführer der CDU-Stadtratsfraktion, Helmut Kreis, der diese Information aus den Geschichtsbüchern beisteuerte. Gestern Abend unternahm die SPD-Stadtratsfraktion den Versuch, das Gremium abzuschaffen. Der Antrag für die Stadtratssitzung war zwar schon vor einigen Tagen veröffentlicht worden. Und lag fristgemäß vor.

Aber abweichend von der üblichen Vorgehensweise bestand die SPD-Fraktion auf einer sofortigen Abstimmung und lehnte die Verweisung und Beratung in einen Fachausschuss ab. Als solcher wäre nicht nur, wie die SPD-Co-Fraktionsvorsitzende Dr. Claudia Eider behauptete, der Jahrmarktsausschuss selbst in Frage gekommen. Sondern auch der Hauptausschuss. Diese sachgerechte Alternative “übersah” die SPD-Fraktion und bestand auf einer Entscheidung. Sogar per namentlicher Abstimmung. Noch Stunden später bei der “Nachbesprechung” in kleinerer Runde konnten sich die Mitglieder mehrerer anderer Stadtratsfraktionen auf diese Vorgehensweise keinen Reim machen.

Ziel des SPD-Antrages war, das Aufgabengebiet “Jahrmarkt” der Stadtverwaltung in alleiniger Zuständigkeit zu übertragen und ausnahmslos alle Entscheidungen dort treffen zu lassen. Als Argument dafür führte Dr. Eider an, dass die Mehrheit anderer Städte mit Großveranstaltungen diese längst in die Hände der bewährten Verwaltung gelegt habe. “Und, das ist uns auch allen klar, weil wir kennen alle diesen Ausschuss und das ist uns auch ein Anliegen, das kann man nicht verheimlichen, dass wir das Eigenleben dieses Ausschusses auflösen möchten,” formulierte die SPD-Stadträtin.

Dieser von Dr. Eider nicht näher ausgeführten Andeutung unerfreulicher Verhaltensweisen und Vorgänge widersprach Karl-Heinz Delaveaux, der einst von Peter Anheuser zum Aufräumen in den Jahrmarktsausschuss entsandt worden war, mit deutlichen Worten. Sichtlich bewegt konfrontierte der Fraktionsvorsitzende von FWG / BüFEP die SPD-Co-Fraktionsvorsitzende. Diese gehöre dem Stadtrat erst seit dem Juni 2019 an und könne daher, weil ja 2020 und 2021 gar kein Jahrmarkt stattfand, nicht “unterstellen, dass Dinge im Ausschuss passieren”. Delaveaux fuhr fort:

“Das muss sich hier niemand von Ihnen, Frau Dr. Eider, bieten lassen. Oder Sie legen Beweise vor. Aber so, so fangen Sie nicht an. Wenn Sie so anfangen, sind Sie hier eigentlich falsch. Wir wollen anständig miteinander umgehen. Aber wenn ich jemand schon als heimtückisch, hinterlistig, korrupt etc, was Sie alles in Ihrem Wort, nur vornehmer, was Sie ja gern tun, untergebracht haben. Das müssen wir uns nicht bieten lassen!” Zuvor hatte Heike Fessner für Bündnis 90 / DIE GRÜNEN deren Ablehnung des SPD-Antrages begründet. Der Ausschuss sei von Bedeutung, weil dort etwa Fragen zur Auswahl der Beschicker geklärt werden könnten.

“Wenn dies allein von der Verwaltung entschieden wird, geht die Transparenz verloren”. Auch die Haushaltszuständigkeit des Ausschusses sei relevant. “Das ist doch unser Fest, das schönste Fest im ganzen Jahr. Hier sollte man das politische Mitspracherecht bei der Gestaltung nicht aufgeben”, appellierte Fessner an die Ratskolleg*Innen. Und wurde mehrheitlich erhört. Jürgen Eitel, der Fraktionsvorsitzende von “Liberale Wähler / Freie Wähler” lehnte den SPD-Vorstoss rundheraus ab: “Der Antrag der SPD kommt zur Unzeit. Jetzt haben wir zwei Jahre keinen Jahrmarkt gehabt.

Und alle erwarten jetzt, dass er wieder stattfindet. Da soll man die Finger von Veränderungen lassen. Wenn man Veränderungen will, dann nach der nächsten Kommunalwahl 2024″. Und forderte die Sozialdemokraten auf: “Nehmen sie den Antrag zurück”. Jörg Fechner stimmte in diesem Punkt Jürgen Eitel ausdrücklich zu. Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende riet der SPD zur Rücknahme des Antrages und fragte Dr. Eider: “wie kann ein Ausschuss ein Eigenleben entwickeln?” Der SPD-Antrag habe ein “Geschmäckle”. Fechner vermutete eine “Retourkutsche für Bouffleur”.

Der auf der SPD-Liste gewählte Stadtratsälteste Wolfgang Bouffleur war 2020 zunächst aus der SPD-Stadtratsfraktion und später dann auch aus der Partei ausgetreten, weil die Genossen ihn nicht erneut in den Jahrmarktsausschuss entsenden wollten. Zum Schluß gabs von Fechner (AfD) Lob für Fessner (Grüne): diese habe die wichtigsten Punkte gegen den SPD-Antrag “hervorragend zusammengefaßt”. Helmut Kreis (CDU) zeigte sich in seinem Wortbeitrag verwundert über die Antragsteller. Gerade die Jahrmarktsausschussmitglieder der SPD hätten jahrzehntelang den Bad Kreuznacher Jahrmarkt entscheidend geprägt und gestaltet.

“Warum ausgerechnet die Nachfolger von Hannelore Pfeifer, Günter Hilsbos, Werner Stern, Reinhold Kaufmann, Jürgen Fink und Wolfgang Bouffleur den Jahrmarktsausschuss auflösen wollen, kann ich nicht nachvollziehen”, brachte Kreis sein Unverständnis zum Ausdruck. Wilhelm Zimmerlin (FWG / BüFEP) wollte von Jahrmarktsdezernent Markus Schlosser wissen, ob es tatsächlich – wie von der SPD behauptet – an einem Vergabekonzept für das Volksfest mangele. Die Frage blieb unbeantwortet. Zimmerlin forderte Dr. Eider auf, konkret darzulegen, was die Behauptung “Eigenleben des Ausschusses” bedeuten solle: “da müßten Sie schon Butter bei den Fisch geben”.

Wilhelm Zimmerlin erinnerte an seine Initiative den Ausschuss von 7 auf 12 Mitglieder zu erweitern, “gegen heftigsten Widerstand”. Seine Absicht sei damals gewesen, “Transparenz herzustellen”. Dies sei gelungen. Diese wolle er nicht herschenken, “in dem man den Ausschuss abschafft”. Zumal es schon merkwürdig sei, nur über die Abschaffung eines einzigen Ausschusses zu sprechen. FDP-Fraktionsvorsitzender Werner Lorenz belebte dann die durch die Redebeiträge von Kreis und Zimmerlin versachlichte Diskussion. “Es finden Kämpfe statt, um in diesen Ausschuss zu kommen.

Mit Zähnen und Klauen wird das verteidigt”. Und dann erzählte Lorenz eine Anekdote von einer Jahrmarktseröffnung “vor drei oder vier Jahren. Da sass eine Frau neben mir, die macht die Tasche auf. Die Tasche war randvoll mit Fahrchips. Naiv wie ich bin dachte ich erst, die Frau habe die Chips gekauft. Die werden verteilt. Deshalb wird der Ausschuss so verteidigt”. Werner Lorenz und Mariana Ruhl stimmen später für den SPD-Antrag.

Nach der Sitzung fragten sich mehrere Stadtratsmitglieder, wieso Lorenz eine Geschichte aus der jungen Vergangenheit berichtete, obwohl er doch bereits vor 25 Jahren dem Stadtrat angehörte. Und entsprechende Beobachtungen als aufmerksames Ratsmitglied doch sicher gemacht hätte. Bei der Abstimmung erhielt der SPD-Antrag 14 Stimmen, darunter die der scheidenden Oberbürgermeisterin und der Linken. Dagegen stimmten 25 Ratsmitglieder (CDU, Grüne, AfD, Liberale Wähler / Freie Wähler, FWG / BüFEP und Gerhard Merkelbach).