Geheimniskrämerei um ÖPNV-Finanzierung

Bewertung von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die Zahl der Passagiere im städtischen Busverkehr ist stark rückläufig. Das hat mehrere Gründe. So ist die früher hochgelobte Zuverlässigkeit schon lange nicht mehr gegeben. Selbst die Bahn AG macht es besser. Eine Reihe von Busfahrten fällt zum Ärger der Einwohner*Innen aus. Oft ohne vorherige Absage. Zudem hat die Bereitschaft, den Bus als Verkehrsmittel zu nutzen, die schon vor Corona nicht sehr ausgeprägt war, mit der Seuche dramatisch Schaden genommen. Auch wenn es in der öffentlichen Wahrnehmung weggedrückt wird: Corona ist da. Trotz 18monatiger Impfkampagne so vital wie nie zuvor: wurden im Kreis Bad Kreuznach am 23. Mai 2021 nur 258 Fälle amtlich gezählt, waren es am selben Tag diesen Jahres 2.200.

Im Sommer. Die pessimistischen Erwartungen der Fachleute für den kommenden Herbst und Winter werden in einer Form gesamtgesellschaftlicher Wahrnehmungsstörung unterdrückt. Auch bei der Neugestaltung des Busverkehrs in Bad Kreuznach. Da wird so getan, als gäbe es durch die Luft übertragbare Virusinfektionen mit dramatischen Auswirkungen auf den ÖPNV nicht. Die neue Busgesellschaft und ihre drei kommunalen Gesellschafter tuen weiter so, als würde der Busverkehr der Vor-Corona-Jahre wieder möglich werden. Ein Millionendefizit ist amtlich geplant. Verhindert Corona weiterhin Umsätze, wird dieses Minus explodieren. In dieses Umfeld hinein werden zusätzliche Ausgaben (“Citybuslinie”) geplant, von denen einige wenige Fahrgäste profitieren.

Und die von der Steuerzahler*Innengemeinschaft finanziert werden müssen. Dabei hatte das Busgesellschaftsprojekt für die Einwohner*Innen der Stadt Bad Kreuznach von Anfang an einen riesigen Makel: die Doppelfinanzierung durch die Stadt. Denn diese ist einerseits Mitgesellschafterin der Busgesellschaft (KRN). Und muss als solche Millionen aufbringen bzw dafür gerade stehen. Und andererseits trägt die Stadt als große kreisangehörige Kommune über die Kreisumlage wesentlich die Finanzierung des Kreishaushaltes. Jetzt, nachdem laut Stadtverwaltung ein Ausstieg aus der Busgesellschaft ohne Schadensersatzkosten in siebenstelliger Größenordnung jährlich nicht mehr möglich ist, jetzt erst werden juristische Konstruktionen gesucht, diese Doppelbelastung der Stadt zu verhindern.

Leider hat sich der neue Kämmerer Thomas Blechschmidt dafür entschieden, dafür den Irrweg durch die Hinterzimmer der Bad Kreuznacher Kommunalpolitik zu wählen. Statt zu einer Sitzung des Finanzausschusses lud Blechschmidt gestern für den 1. Juni 2022 zu einer Sitzung der Fraktionsvorsitzenden ein. Thema des als “Informationsveranstaltung” bezeichneten Geheim-Treffens: “Öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Stadt Bad Kreuznach bei der Finanzierung des ÖPNV sowie „Öffentlicher Dienstleistungsauftrag (öDA) zur Betrauung der KRN“. Per Gesetz muss alles “öffentlich-rechtliche” öffentlich beraten werden. Denn nicht Thomas Blechschmidt oder die Fraktionsvorsitzenden zahlen die Zeche.

Sondern die Einwohner*Innen. Solche rechtlich-moralischen Feinheiten stören bei der Stadtverwaltung schon seit Jahrzehnten keine(n) mehr. Und den Fraktionsvorsitzenden ist diese Praxis recht. Wertet es doch in deren subjektiver Wahrnehmung ihre Bedeutung auf. Willkommen in der kommunalen Welt kleinkartierter Eitelkeiten. Die Herren-Runde übersieht dabei in selbstgefälliger Selbstüberschätzung, dass es sie in dieser Form gar nicht gibt. Also formal betrachtet. Die Gemeindeordnung kennt nur dort oder in der Hauptsatzung von Städten und Gemeinden definierte Gremien. Die dann allerdings auch den den gesetzlichen Auflagen von Öffentlichkeit und Transparenz unterliegen. Davon ist allerdings nur vor Wahlen die Rede, um das Stimmvieh zu beruhigen.

So haben CDU, SPD, FDP und FWG noch vor wenigen Wochen im OB-Wahlkampf lauthals “Einbeziehung der Einwohner*Innen” und “Transparenz” gefordert. Und strafen ihre eigene Propaganda schon jetzt Lügen. In dem sie gern mitmauscheln. Dabei hat Lothar Bastian (Grüne) erst am Montag vor einer Woche die entsprechende Praxis beim Thema “Freibad Bosenheim” zutreffend kritisiert. Und damit erreicht, dass Beratung und Entscheidung eben nicht in der Runde der Fraktionsvorsitzenden, sondern im Stadtrat erfolgte. Da ging es um 100.000 bis 150.000 Euro im Jahr. Beim ÖPNV sind es Millionen. Bei solchen Größenordnungen informiert die Bad Kreuznacher Kommunalpolitik ungern die Öffentlichkeit.

Denn es könnte ja sein, dass diese irgendwann versteht, wie ihr und das Geld der nachfolgenden Generationen verheizt wird. Und sich diesen Wahnsinn nicht länger gefallen läßt. An dem Tag würden die 44 Stadtschauspieler*Innen im Rat arbeitslos. Um diese persönliche Katastrophe zu verhindern, gibts relevante Informationen eben nur in Geheimsitzungen. Für handverlesenes Publikum, das dafür ausdrücklich nicht rechtlich legitimiert ist. Ich habe der Oberbürgermeisterin natürlich als Bürger und Redakteur mitgeteilt, mit diesen Machenschaften nicht einverstanden zu sein. Und um Auskunft gebeten, auf welcher Rechtsgrundlage die Fraktionsvorsitzendenrunde tagt.

Und wieso die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs aus von der Stadtgemeinschaft aufgebrachten Mitteln nichtöffentlich behandelt wird. Wenn es eine Antwort gibt, werde ich diese gern weitergeben. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat das Recht, Antworten auf solche Fragen zu verlangen. Von der Stadtverwaltung. Und von den Stadtratsmitgliedern. Schon im 18. Jahrhundert hat der französische Philosoph Joseph de Maistre erkannt: “Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient”. Mein Gott, was für ein bequemes und faules Pack muss in Bad Kreuznach leben, wenn das so zutrifft.