Bosenheimer Bad: Stadtrat steuert auf die nächste juristische Katastrophe zu

Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

Zwei Mal, 2018 und 2021, habe ich vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) gegen den von der Stadt beschlossenen Tourismusbeitrag argumentiert. Beide Male hat das OVG die entsprechenden Satzungen für rechtswidrig erklärt. Weil der Stadtrat stur und beratungsresistent am Beitrag für 2017 festhält, kommt es schon bald zum dritten und letzten Showdown in Koblenz. Ich bin also in meinem ganzen Leben zwei Mal vor einem OVG aufgetreten. Und beide Entscheidung fielen so wie von mir vertreten aus. Sie können jetzt sagen: der Claus ist ein Glücksritter. Oder Sie können sagen, dass ich von den dort angesprochenen Fragen etwas verstehe.

So oder so dürfen Sie sich – wenn Sie ein Freund des Bosenheimer Famlienbades sind – über folgende Feststellung von mir freuen: nicht in diesem Stadtrat, aber vor Gericht hat dieses Bad beste Überlebenschancen. Denn ich stehe voll dahinter. Und das bedeutet: entweder mein Glücksschwein oder mein Verstand – was Ihnen lieber ist – sorgt für den Erfolg. Seit der Sitzung des Finanzausschusses am Mittwoch vergangener Woche habe ich ein paar Kommentare gewälzt. Und was dort steht, macht mehr als Hoffnung. Zunächst einmal wegen dem unmißverständlichen Wortlaut des Eingemeindungsvertrages vom 4.6.1969.

Demnach hat die Stadt Bad Kreuznach das Bad zu erhalten. Werner Lorenz hat dazu in der Sitzung konkret bei Begoña Hermann, der Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion nachgefragt. Deren Antwort, es gebe keine Ewigkeitsklauseln, hat der Bosenheimer Winzer schlagfertig und vollinhaltlich zutreffend widersprochen. Natürlich gibt es Ewigkeitsklauseln. Wie bei Grundstückskaufverträgen. Und für Eingemeindungsverträge gilt nichts anders. Das hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in seiner diesbezüglichen Denkschrift unmissverständlich festgehalten. Die Fachjuristen stellen klar:

“Die in Eingemeindungsverträgen getroffenen Zusagen dürften rechtsverbindlichen Charakter besitzen”. Zu prüfen seien natürlich immer die Umstände des Einzelfalles. Und diese sprechen ausschließlich für die Bosenheimer Sicht der Dinge. Das betrifft zunächst einmal die Herkunft des Grundstückes, auf dem das Bad errichtet wurde. Dabei handelt es sich nämlich um das “Sonderregime des Flurbereinigungsverfahrens aus den Jahren 1936 bis 1939”. Wer daran jetzt leichtfertig Hand an legt, öffnet die Büchse der Pandora. Keiner, nicht ein einziges Mitglied im Stadtrat ist in der Lage, die sich daraus ergebenden Konsequenzen auch nur abzuschätzen.

Denn keiner der 44 kennt sich in dieser Materie aus. Bereits 2019 hatte ich daher gewarnt: “insbesondere mit dem Flurbereinigungsverfahren wird ein Rechtsgebiet angesprochen, dass bei Insidern in der Verwaltung alle Warnlampen anspringen lassen müßte. Denn die Aufarbeitung eines mehr als achzig Jahre zurückliegenden Verfahrens dürfte den Betroffenen und ihren Nachfahren schon hinsichtlich der Aktenlage leichter fallen, als der Stadtverwaltung”. Aber auch die rechtskräftigen Urteile in ganz konkreten Fällen, u.a. der OVGs Münster und Bautzen und des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim, die ich nachstehend zitiere, stützen allein die Ewigkeitswirkung des Vertrages.

Selbst auf die gerichtlich ausgeurteilten Gegenargumente kann sich die Stadt nicht stützen. Diese Urteile schätzen vertragliche Verpflichtungen, mit denen Leistungen ohne die Möglichkeit einer Berücksichtigung der jeweils aktuellen finanziellen Situation einer Kommune zugesagt werden, als “nichtig” ein, wenn nicht “Befristung” oder “Wirtschaftlichkeitsvorbehalt” vertraglich berücksichtigt wurden. Denn eine solche Vereinbarung, so die Gerichte, “schränke die Entscheidungsfreiheit der zukünftigen Gemeindeorgane unzulässig ein”. Und verstoße “gegen den Grundsatz der kommunalen Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit”, wie er auch in der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung und Gemeindehaushaltsverordnung definiert ist.

Diese Bewertung trifft Bosenheim gleich aus mehreren Gründen nicht. Zum einen, weil schon bei Vertragsschluß Bäder Zuschussbetriebe waren. Meint: der Stadt mußte klar gewesen sein, auf was sie sich da einläßt. Wobei der Zuschussbetrag des Bosenheimer Bades – sei es umgerechnet auf die Wasserfläche oder auf die Besucherzahlen – noch nie auch nur annähernd so hoch war, wie der des Bäderhauses. Zum anderen ist das, was Bosenheim mit der Eingemeindung einbrachte, damals wie heute ungleich werthaltiger für die Stadt, als alles, was die Stadt Bosenheim zurückgegeben hat zusammen. Auch auf “veränderte Verhältnisse” kann sich die Stadt nicht berufen.

Die Kernstädter konnten in den sechziger Jahren nicht mit Geld umgehen (waren also schon damals verschuldet). Und sie können es auch heute noch nicht. Die Eingemeindung mit dem bankrotten Bad Münster am Stein / Ebernburg hat daran nichts geändert. Vor Gericht müßte die Stadt beweisen, unverschuldet Opfer “wesentlicher Veränderung der Verhältnisse” worden zu sein. Wenn ich das schreibe, muss ich lachen. Auch nach dem Genuss von zwei Flaschen gutem Bosenheimer Wein könnte ich aus den letzten vierzig Jahren ohne eine Sekunde Redepause locker Verschwendungsprojekte aus dem Stadthaushalt in einer Gesamtgrößenordnung von deutlich über 100 Millionen Euro vortragen.

Nur mal so zur Erinnerung: mitten in das Naheflussbett (Kaiser-Wilhelm-Strasse) hat die Stadt ihre damalige Tochter Rheuma-Heibad AG einen Klinikneubau ohne Hochwasserschutzwanne bauen lassen. In einer Stadt, in der das Extremhochwasser 1725 Tote und zerstörte Häuser wie im Krieg bewirkte. So schlau sind die im Stadtrat. Aber das ist ja so gesehen gut für Bosenheim und die Menschen in den östlichen Stadtteilen. Also dieses Niveau. Zurück zu den “wesentlichen Veränderungen der Verhältnisse”. Die gibt es – im negativen Sinne also zu Lasten der Stadt – schlicht nicht. Zudem müßte sich diese Veränderung “als für die belastete Vertragspartei unzumutbar darstellen.

Unzumutbar ist das Festhalten an der Vereinbarung dann, wenn das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung so stark gestört ist, dass das gewöhnliche Vertragsrisiko weit überschritten ist und die betroffene Partei ihre Interessen nicht mehr „annähernd als gewahrt“ ansehen kann”. Davon kann ja schon deshalb keine Rede sein, weil es Bürger*Innen der Stadt Bad Kreuznach sind, die das Bosenheimer Bad besuchen möchten. Und weil die selbe Stadt, die jetzt auf Pleite macht, Tag für Tag jeden einzelnen Besuch in der Saunalandschaft “Bäderhaus” mit mehr als 15 Euro subventioniert.

Allein dieser Betrag entspricht, umgerechnet auf die rund 10.000 Eintritte in Bosenheim dem angeblichen Zuschussbetrag von 150.000. Wobei. Die Zahl stimmt ja auch nicht. Denn das fünfstellige Eintrittsentgelt ist davon nicht abgezogen. Um es schon jetzt klar zu sagen: auch eine millionenteure Sanierung oder ein Neubau müßten von der Stadt gezahlt werden. Also, Ortsbeirat: wenn ihr euch am Mittwoch um 19:30 Uhr trefft, laßt euch von den Städtern nicht ins Boxhorn jagen. Wenn die Stadt keine uneingeschränkte, dauerhaft angelegte Öffnungs- und Erhaltgarantie für das Bad abgibt, dann klagt. Die sind es gewöhnt zu verlieren. Das ist für die schon lange nichts mehr Schlimmes.