Die Letz-Wahl ist eine klare Absage an die bisherige Kommunalpolitik

Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

Ja, die Liberalen dürfen jetzt erst mal jubeln. Denn trotz nur 7% bei der Kommunalwahl vor 3 Jahren war es ihre selbstbewußte Entscheidung, einen eigenen OB-Kandidaten aufzustellen. Die im Mai 2019 mit teils deutlich mehr Stimmen bedachten Grünen und auch die AfD haben das nicht geschafft. Aber. Auch wenn ich ungern Wasser in den (guten) Lorenz-Wein kippe: die 62% Letz-Stimmen sind keine FDP-Stimmen. Es sind zum allergrößten Teil Protest-Stimmen. Abgegeben von Menschen, die der Filz, das Geschiebe hinter den Kulissen und vor allem das unfassbar niedrige inhaltliche Niveau der Bad Kreuznacher Kommunalpolitik im wahrsten Sinne des Wortes ankotzt. Mit dem vollkommen neuen Gesicht Emanuel Letz verbinden sich große Hoffnungen.

Auf tiefgreifende Veränderungen. Auf eine deutliche Qualitätssteigerung der örtlichen Politik und Verwaltungsleistung. 45 Millionen Euro Personalkosten werden Jahr für Jahr rausgehauen. Dafür bekommen die Menschen beispielsweise Desinformation auf der Stadtseite, Terminvergaben nach dem Gusto der Mitarbeitenden (und nicht der Zahlenden) und immer mehr Bürokratie, statt Hilfe. All das abgenickt und durchgewunken mit großen überparteilichen Mehrheiten in den städtischen Gremien. Dort sitzen schon lange nur noch einige wenige, die tatsächlich ans Gemeinwohl denken. Die Mehrzahl bildet sich das nur ein. Weil deren individuelle Vorstellungskraft nur bis zum eigenen Bauchnabel reicht. Alle im Stadtrat und den die Fraktionen dort tragenden Parteien sollten sich klar machen:

Wenn jetzt auf dieses OB-Wahlergebnis kein radikaler Wandel folgt, sondern wenn unausgesprochen weitgehend so weitergemacht wird, wie bisher, dann kommt die tatsächlich harte Wende bei der Kommunalwahl 2024. Denn auch bei der OB-Stichwahl hat sich wieder nur rund ein Drittel der Wahlberechtigten beteiligt. Trotz Wechselstimmung und Sonnenschein am Wahltag haben sich erneut rund zwei Drittel (das ist die qualifizierte Mehrheit, mit der sogar das Grundgesetz geändert werden könnte) nicht für die Wahl interessiert. Wer diesen schlafenden Riesen zu wecken im Stande ist und ihn 2024 an die Wahlurnen bringt, wird die tiefgreifenste Veränderung in der Stadtgeschichte seit dem II. Weltkrieg bewirken.

Was nicht erforderlich ist, wenn Emanuel Letz im Amt macht, was er im Wahlkampf versprochen hat. Am Scheideweg steht auch die noch immer zahlenmäßig größte Stadtratsfraktion. Die CDU. Sie muss jetzt entscheiden, ob weiterhin weitgehend die privaten und beruflichen Interessen ihrer Mitglieder entscheidungsrelevant sind. Oder ob Inhalte wieder zu Leitlinien werden. Wer Argumente hat, braucht sich nicht in Videokonferenzen zu verstecken. Wer den Warn- und Weckruf der beiden Letz-Ergebnisse im ersten und zweiten Wahlgang nicht verstanden hat und sein Verhalten nicht einmal jetzt ändert, wird der Verantwortung eines Ratsmandates nicht gerecht.