„Du warst mal die Perle an der Nahe“

Ein Musikvideo, bei dem Bad Kreuznach im Mittelpunkt steht, sorgt seit Tagen für Gesprächsstoff. In Bild und Text werden darin Missstände angesprochen. „Hier, wo die Nahe fließt, wo einst die Welt zu Gast war, Kreuznach, Du warst mal schön, jetzt noch Schatten,“ lautet die Einleitung. Der Umstand, dass die Filmaufnahmen aus unterschiedlichen Jahreszeiten zusammengeschnitten sind, um die angesprochenen Themen ins Bild zu setzen, spricht dafür, dass der oder die – bislang unbekannten – Verantwortlichen die vom Bundeskanzler initiierte „Stadtbild“-Diskussion nutzen wollten, um eine möglichst breite Öffentlichkeit für das Anliegen zu finden.

Mit der Feststellung, „du warst mal die Perle an der Nahe“, wird suggeriert, dass die an vielen Stellen – vor allem der Innenstadt – festzustellende Vermüllung samt Verfall in Verbindung mit baulichen Defiziten sich wie ein roter Faden durch das ganze Stadtgebiet zieht. Die tatsächlichen Defizite der Stadtpolitik und der Stadtpolitiker*Innen werden, weil nicht optisch augenfällig darzustellen, in dem Video nicht angesprochen. Die Reaktionen in den Sozialen Medien sind höchst unterschiedlich. Zeigen aber eines: real existierende Probleme wie das asoziale und ordnungswidrige Fehlverhalten eines Teils der Bevölkerung werden in der Wahrnehmung vieler Einwohner*Innen nicht zielführend geahndet.

Die Unfähigkeit der Stadtverwaltung und der sie tragenden Stadtratsfraktionen, ihre Entscheidungen und Vorgehensweisen verständlich zu kommunizieren und die Verweigerung einer umfassenden Transparenz, erleichtert den Videomachern (wie auch anderen Kritiker*Innen) das Spiel mit Vorurteilen und der Unwissenheit der Menschen. Einen positiven Fakt hat das Video bereits bewirkt. Die Leute reden miteinander. Selten haben ein paar Minuten bebilderter Singsang auf lokaler Ebene solche Diskussionen ausgelöst. Dabei gehen die in den Sozialen Medien veröffentlichten Meinungen weit auseinander. Meine Stadt-Geschäftsführer Andreas Schnorrenberger hat sich so positioniert:

„Zu dem „Video“, das gerade viral geht: ja, das Video ist technisch gut gemacht, und auch der Song mit seinem Text und Beat bleibt hängen. Der Finger wird gezielt in die Wunde gelegt – soweit, so gut. Aber ganz ehrlich: Statt unsere Stadt öffentlich in den Dreck zu ziehen, wäre es sinnvoller, selbst etwas anzupacken. Wer meint, in Bad Kreuznach sei alles so schlimm, kann sich ja engagieren – im Ehrenamt, in Vereinen oder einfach durch eigenes Handeln. Natürlich läuft hier nicht alles rund, das weiß jeder. Aber dieses „Video“ sorgt vor allem dafür, dass noch mehr Menschen unsere Stadt meiden. Das ist schlicht verantwortungslos.

P.S.: Echte Courage hätte es übrigens gezeigt, im Abspann zu nennen, wer hinter dem Video steht – aber dafür scheint der Mut dann doch nicht gereicht zu haben“. Oliver W. stimmt dem zu: „bravo! Ich schließe mich Deinen Worten vollumfänglich an. In Bad Kreuznach liegt vieles im Argen, viele Fehlentscheidungen tragen dazu bei. Aber das ewige Rumgejammer und Geschimpfe fördert den Prozess. Anpacken wäre der richtige Weg. Vielleicht denkt ja der ein oder andere über deine Worte nach. Im Engagement liegt der große Vorteil der Dörfer, da identifiziert man sich mit seinem Dorf und seinen Mitmenschen, folglich packt jeder irgendwo mit an.

Erster erforderlicher Schritt in Bad Kreuznach: erkennt dass es eure Stadt ist. Bad Kreuznach ist auch nicht viel mehr als ein großes Dorf mit viel Infrastruktur. Macht was draus!“ Willi B. meint: „ich denke, das Video sollte den Finger in die Wunde legen und zum Nachdenken anregen – das ist schonmal gelungen“. Bernadette H. ist begeistert: „die Wahrheit wollen viele nicht sehen oder aussprechen. Endlich macht es mal jemand. Denn immer nur weg schauen macht es nicht besser. Ich finde es gut. Denn da muss was gemacht werden. Und wenn die Stadt anders kein Gehör hat, dann ist es halt nur so zu erreichen ( vielleicht).

Wo ein Teil des Zorns in der Bevölkerung herkommt, machen diese Beiträge deutlich. Gundula W. führt an: „habe heute 4,10 Euro auf dem Jahnhallenparkplatz bezahlt, macht es nicht besser“. Dagmar S.: „gestern 1 Stunde beim Zahnarzt: 3,50 € Parkgebühr. Heute etwas über 1 Stunde beim HNO-Arzt: 3,50 Euro Parkgebühr! (1x Parkhaus Badeallee, 1 x Wassersümpfchen). Wundert sich da jemand über Leerstände? Nicht jeder kauft stundenlang ein und dann so hohe Gebühren bei immer weniger Parkplätzen“. Widerspruch dazu kommt von Hakan S.: „ich glaube nicht, dass die Leerstände durch die Parkgebühren verursacht wurden. Sie könnten es fördern, dass weitere Geschäfte Kundschaft verlieren.

Ist ja heutzutage bequemer Online zu bestellen. Höherer Gebühren für Besuche in Praxen kann ich nachvollziehen, das Geld sitzt eben nicht mehr so locker wie vor 20 Jahren.“ Dagmar S. hält dagegen: „ich habe schon vor Jahren vor der Reduzierung von Parkplätzen und hohen Parkgebühren gewarnt. Da ist man aber derjenige der schwarz sieht und doof ist. Es war aber absehbar. Nun wird es auf das Internet geschoben. Dass das nicht stimmt sieht man im Gewerbegebiet, wo man kostenlos parken kann und Parkplätze findet.“ Friedel H.A. K. stimmt dem zu: „Dagmar S. hat aber recht, da gibt es einen kausalen Zusammenhang, das lässt sich nicht leugnen und es wird noch schlimmer kommen.

Als gebürtiges Gässje, das seit Jahren im Umland lebt, verfolge ich diese Diskussionen nicht erst seit gestern. Bad Kreuznach wird sich noch wundern, wo das Ganze hinführt. Ich lass mich mal überraschen!“ Stefanie Maleen F. nimmt kein Blatt vor den Mund: „ich fand das Lied gut. Es zeigt für mich wie schön unsere Stadt eigentlich ist und kommt für mich wie ein Hilferuf rüber. Finde ich gut. Nicht jeder hat Möglichkeiten. Der Interpret hat diesen Weg gewählt. Finde ich klasse und das er nicht erkannt werden will verstehe ich auch. Heute wird ja von klein bis ganz groß jeder „niedergeknüppelt“ der einfach seine Gedanken / Meinungen äußert.

Und an so einem Video liegt es garantiert nicht, dass man nicht in die Stadt kommen will“. Auch Claudia W-S. findet das Video gut: „das sind Tatsachen und hat mit schlecht machen nix zu tun. Ob KI oder Band völlig egal. Bee Kee geht den Keller runter. Das hat natürlich mit der Politik zu tun. Aber auch mit der Migration läuft alles falsch.“ Marko S.: „die Wahrheit muss man halt auch mal aushalten. Und eins muss ich mal sagen, würden die Medien (Zeitung etc) das Video jetzt nicht so hoch pushen, hätten es die Hälfte der Leute gar nicht mitbekommen“. Andreas B. wird deutlich: „ich finde Kreuznach nur noch Sch…. Nix Schönes und sauberes. War früher zu meiner Zeit besser. Wie alles andere.

Schaut einfach nur nach Bingen oder Bad Münster am Stein. Auch Annette Bauer sieht das Video von der optimistischen Seite: „ich verstehe die Aufregung nicht. Tolles Video, Fotos sind echte Aufnahmen und zeigen Schwachstellen. Toller Sound, tolle Stimmen. Künstlerische Freiheit. Ich habe gestern auch nur den Kopf schütteln können, wie Bürger Meinungsfreiheit beschränken wollen“. Hans Peter I.: „Ich finde das Video hat sein Ziel erreicht. Einmal zeigt es wie atemberaubend schön unsere Stadt ist. Als Einwohner sieht man das oft nicht. Des Weiteren regt es viele Menschen an, sich Gedanken zu machen, wie man mit Eigeninitiative unserer schönen Stadt helfen kann. Ziel erreicht“.

Marlene D. vertritt einen sachlichen Ansatz: „nun, ich weiß ja nicht wo das Video überall platziert wird. Auf der Tourismus-Seite der Stadt wäre es sicher nicht passend. Aber – ich finde nicht, dass es die Stadt „in den Dreck zieht“. Es beschreibt die Stadt gut. Ja, die Stadt hat viele Seiten und viele sehr schöne und viele nicht so schöne Stellen. Wir schimpfen hier alle in den KH-FB-Gruppen ständig und viel über Kreuznach, über den Müll, über die Parkgebühren, über die Leerstände, über den Verkehr, über die Radwege, über die Baustellen, usw usw. Und dann kommt ein gut gemachtes Video mit eher traurigem, als bösem Text, der genau das darstellt und es wird (von manchen) abgestraft.

Genau für das, was in den Gruppen oft geschrieben steht… Und, ich habe mir mal den Video-Kanal angeschaut. Da gibt es auch „schöne“ Videos von Kreuznach, in denen Bad Kreuznachs Schönheit dargestellt wird“. Jean Pierre R.: „ich sag’s mal so: wenn wir anstatt meckern und kritisieren mal das Heft selbst in Hand nehmen. Ich höre immer „Mein Bad Kreuznach“, „Mein Bad Kreuznach“. Aber dann gegen alles zu schießen, was versucht wird. Dann versteh ich die Menschen nicht. Ich lebe seit meiner Geburt an und in KH und ja es hat sich auch einiges verändert. Aber dann die Stadt so negativ hinzustellen, kommt für mich nie in Frage, weil ich diese Stadt liebe mit schönen und nicht schönen Ecken.

In diesem Sinne Hey Kreiznach du Stadt an der Noh hosch mich als Gässje großgezoh“. Tobias Heil sieht es so: „das Video ist eine Beleidigung für alle, die sich aktiv in der Stadt einbringen und eine Bestätigung für die Fraktion der Meckerer, die im Prinzip nichts machen, außer meckern und überhaupt kein Gefühl haben, für realistische Ansprüche“.
Martin B. ist ganz anderer Meinung: „sehr guter Text. Sie haben nicht Unrecht, an vielen Ecken ist es schlimm. Bankrotte Baustellen, keine Brücke für Rollstuhlfahrer, Fußgänger und überall Löcher. Eine Insel ohne Rosen. Aber jede Menge Döner Läden. Bin kein Ausländer Feind, so sind wenigstens die Geschäfte nicht leer.

Und alte verschwinden für immer“. Bernadette H.: „ich bin in KH geboren. Das ist korrekt. Alles ist nur noch kaputt. Es fehlt wirklich der Glanz. Das Lied ist auf den Punkt gebracht“. H.F. We: „Drecksloch“. Dominik Zechmeister: „sehr gut gemacht!“ Eines ist – bisher – klar zu erkennen: auf das Video reagieren wesentlich mehr Menschen positiv, als negativ. Allein diese Tatsache müsste den Stadtratsparteien sehr zu denken geben. In Verbindung mit der Tatsache, dass die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen über 20% niedriger liegt, als bei Land- und Bundestagswahlen, zeigt dies ein mobilisierbares Potential, das bisher offenbar nur noch nicht „richtig“ aktiviert wurde.