Bernd Burghardt’s Gedanken zur Haushaltskonsolidierung

Gastbeitrag von
Bernd Burghardt

„Nach meiner bescheidenen, aber absolut festen Überzeugung müsste schon seit Jahrzehnten eine vierdimensionale Bilanz aufgezogen werden:

1. Die rechtliche Bilanz: Zu welchen Ausgaben ist die Stadt und in welcher Höhe und ggf noch über welchen Zeitraum verpflichtet (Gesetzesvorgaben, vertragliche Verpflichtungen)?

2. Die finanzwirtschaftliche Bilanz: Welche Einnahmen sind sicher zu kalkulieren? Welche Ausgaben (Eigenanteil von (geförderten) Investitionen UND langfristige Folgekosten (Zinsen, Unterhaltung, Reparatur etc. etc.) können aus den Einnahmen bezahlt werden? Können wir Kredite bedienen, wenn die Zinsen steigen? usw. usw.

3. Die politische Bilanz: Welche Leistungen möchte die Stadt zur Erhaltung / Verbesserung der Lebensqualität dringend sicherstellen, selbst wenn sie in der Rubrik „freiwillige Leistungen“ einzuordnen sind? Wie sieht konkret das langfristige politische Ranking dieser Leistungsbereiche aus (Was ist politisch wichtiger als anderes und was muss /kann ggf. entfallen?)

4. Die Konzernbilanz: Welche betriebswirtschaftlichen, steuerlichen oder politischen Vorteile sind überhaupt noch mit der Konzernstruktur verbunden? Sind die Finanzströme für politische Entscheidungsträger transparent genug? usw. usw.

Wenn diese Fragen umfassend und mit fachlicher Substanz beantwortet werden würden, dann wäre Schluss mit dem unendlichen politischen Herumgeeiere:

Beispiel Jugendamt: Dann wäre glasklar, wie die Rechtslage zum Jugendamt und zu machbaren Alternativen der Trägerschaft wäre und könnte nicht weiter mit unterschiedlichen Interpretationen als Feigenblatt benutzt werden. Es wäre ebenso unmissverständlich klar, welche finanziellen Auswirkungen (u.a. Ausgabeneinsparung durch Abgabe der Trägerschaft vs. Ausgabensteigerung durch erhöhte Kreisumlage) sich ergeben würden. Und wenn für den Fall der saldierten Kosteneinsparung dennoch die Trägerschaft bei der Stadt als wichtig angesehen und daher politisch Mehrheiten finden würde, würde das festgelegte Ranking aufzeigen, was an anderer Stelle dann konkret nicht mehr finanziell zu leisten wäre.

Beispiel Bosenheimer Bad: Gleiche Gedanken würden beim Bosenheimer Bad anzustellen sein und mit einem finalen Beschluss endlich aus der unendlichen Diskussion entlassen werden können. Gilt der Eingemeindungsvertrag auf Dauer oder nicht? Welchen Rang nimmt das Ziel ein, für die Kinder aus der Umgebung ein weiteres Bad vorzuhalten? Welche Ausgaben sind mit dem Betrieb langfristig verbunden? usw. usw.

Weitere Beispiele: Mit dieser Vorgehensweise wäre zudem das finanzielle Desaster bei Fahrradparkhaus, Casinogebäude, Bäderhaus usw. usw. vermeidbar gewesen.

Das ist nur eine knappe Auswahl bestimmter Entscheidungsfelder! Sie zeigt aber auf, dass es eigentlich nicht so schwer ist, für Klarheiten durch Fakten zu sorgen. Man muss es nur wollen und nchhaltig angehen. Freilich gehört der Mut dazu, politisch unbequeme Wahheiten vertreten zu müssen – selbst wenn gerade mal wieder irgendeine Wahl ihren Schatten wirft.

Wir haben uns zwar an regelmäßige Berichterstattungen (vor Ort, landesweit, bundesweit) zu unfassbaren Kostensteigerungen gewöhnt, letztlich ist das jedoch eine Frechheit, wie Verwaltungen und Volksverteter mit fremden Geld umgehen, indem sie geschickt gewollte Maßnahmen mit übersichtlichen Kostenkalkulationen anschieben und darauf spekulieren, dass spätere und insbesondere vorhersehbare Defizite mit Nachfinanzierungen durchgewunken werden. Das könnte kein Unternehmen und kein privater Haushalt so treiben, da dafür dann einfach kein Geld mehr verfügbar wäre. Mehr als 15% Kostensteigerung wegen „Unvorhergesehenem“ sind dort nicht drin.

Beim Bosenheimer Bäcker führte der Unterzeichner vor einiger Zeit (und vor Corona) einmal dieses kurze Gespräch: „Und – was macht ihr denn in den Sommerferien? Wo geht es hin?“ — „Ach – wir bleiben in diesem Jahr zu Hause. Denn wir wollen uns den Garten schön machen!“ Das war doch eine sehr bodenständige und ehrliche Antwort. Jede Familie hat begrenzte Arbeitskapazität, Urlaubszeit und Finanzmittel. Und wenn dann die Verschönerung des Gartens wichtig wird, dann fällt der Flug nach Mallorca eben aus. Und nur so kann es auch bei der Stadt laufen – insbesondere bei langfristiger Betrachtungsweise.

Dieser Beitrag stammt IM WORTLAUT vom 26.4.2022, ist also fast auf den Tag genau dreieinhalb Jahre alt. Bernd Burghardt war damals Ippesheimer Ortsvorsteher. Es sagt über die mittlerweile über drei Jahre andauernde Amtszeit von Oberbürgermeister Emanuel Letz alles aus, dass der viele Wochen vor seiner Amtseinführung verfasste Text ohne jeden Abstrich die aktuelle Lage immer noch zutreffend beschreibt