Nach dem ersten Bekanntwerden der Pläne für den Bau von mehreren Hotel-Türmen im jetzigen Burggarten der Kauzenburg wurden diese in weiten Teilen der Bevölkerung als verspäteter Aprilscherz wahrgenommen. Spätestens am gestrigen Dienstagabend (7.10.2025) wurde im Ausschuss für Stadtplanung, Bauwesen, Umwelt und Verkehr (PLUV) klar: es handelt sich um ein sehr konkretes Projekt. Das von einigen Fraktionen (SPD, AfD, FDP) aktiv unterstützt wird. Björn Wilde (SPD), Tobias Schulz (AfD), Rolf Schneider (FDP) und andere sprachen sich teils euphorisch für den Bau der markanten Hotel-Türme aus. Für eine neue „Landmarke“, sogar das Wort „Wahrzeichen“ wurde verwendet.

Und die Investoren für ihre gute Absicht über den grünen Klee gelobt. In der über einstündigen Aussprache meldeten sich nur wenige Kritiker*Innen zu Wort. Hermann Holste und Steffi Otto für die Grünen, Jürgen Locher (Linke) und Kay Maleton (Faire Liste) sprachen sich gegen die Bebauung aus. Manfred Rapp (CDU) warf immerhin eine Reihe von Fragen auf (Bericht dazu folgt). Dann kam es zur Abstimmung. Die fiel für das Projekt aus. Was einen der Vorhabenträger, das Stadtratsmitglied Werner Lorenz (FDP), der wegen Befangenheit korrekt im Zuhörerbereich Platz genommen hatte, sichtlich freute. Allerdings nur wenige Sekunden lang.
Denn dann warf ein Ausschussmitglied die Frage auf, warum Carsten Lorenz (Faire Liste), der Neffe von Werner Lorenz, an der Beschlussfassung (zustimmend) teilgenommen hatte. Den wenigen Rechtskundigen im Gremium war sofort klar: hier wurde ein krasser Verstoss gegen § 22 der Gemeindeordnung verwirklicht. Denn als naher Verwandter von Werner Lorenz hätte er sich an Beratung und Beschlussfassung nicht beteiligen dürfen. Das Gesetz geht sogar noch weiter: „liegt ein Ausschließungsgrund nach Absatz 1 vor oder sprechen Tatsachen dafür, dass ein solcher Grund vorliegen könnte, so hat dies der Bürger oder der Einwohner dem Bürgermeister vor der Beratung und Entscheidung mitzuteilen.“
Das bestimmt Absatz 5 der Befangenheitsvorschrift. Wieso Carsten Lorenz Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) auf seine enge Verwandtschaft von sich aus nicht aufmerksam machte, erklärte er seinen Ausschusskollegen nicht. OB Letz versuchte zunächst den Rechtsbruch zu verharmlosen: „Carsten Lorenz hat sich nicht in die Debatte eingemischt,“ erklärte der Oberbürgermeister. Eine Aussage, die im krassen Gegensatz zum Gesetz und der seit Jahrzehnten verbindlichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland Pfalz (OVG) steht. Denn bei Befangenheit führt eben nicht nur zum Ausschluss von der Abstimmung und der Teilnahme an der Beratung.
Erforderlich ist auch, dass sich die Betroffenen aus dem Sitzungsbereich der Abstimmungsberechtigten räumlich entfernen und sich in den Publikumsbereich setzen. Daher gabs zu dieser Bemerkung Widerspruch aus dem Ausschuss. Und der OB wurde durch Verwaltungsmitarbeiter auf die Rechtslage hingewiesen, um dann zutreffend festzustellen: „es ist jetzt wirklich ärgerlich. Wir können heute keinen Beschluss fassen“. Als Erklärung dafür, warum er als Bosenheimer die familiären Beziehung seiner Ortsteilnachbarn Carsten und Werner Lorenz nicht aus eigenem Wissen kannte, erklärte Emanuel Letz so: „Man kann nicht immer alles auf dem Schirm haben“.
Daraufhin unterbrach der Oberbürgermeister die Sitzung, „damit wir das sauber hinbekommen“. Carsten Lorenz blieb in dieser Zeit seelenruhig auf seinem Platz sitzen, bis nach einer etwa 15minütigen Beratungs- und Diskussionspause die Sitzung fortgesetzt wurde. Der OB erklärte dazu einleitend, dass nunmehr „zwei Möglichkeiten“ bestünden: „entweder wir vertagen das Ganze auf die November-PLUV-Sitzung oder behandeln diesen Tagesordnungspunkt in der nächsten Stadtratssitzung“. Auch diese Behauptung des OB wurde mit Widerspruch aus dem Ausschuss beantwortet. Denn der Rechtsverstoß hat gemäß der OVG-Rechtsprechung den bisherigen Beratungsweg „kontaminiert“.

Eine Folgeberatung im Stadtrat hätte daran nichts geändert. Das sah der OB erfreulich schnell ein. Und zog den Vorschlag zur Beratung in der nächsten Stadtratssitzung wieder zurück. Letz ließ dann darüber über die erneute Beratung in der Novembersitzung des Planungsausschusses abstimmen („da gibt es dann aber keine große Diskussion“). Zu diesem Zeitpunkt saß Carsten Lorenz immer noch an seinem Platz. Und wurde daher vom OB aufgefordert: „Herr Lorenz, wir stimmen noch mal ab. Aber jetzt bitte nach hinten“. Mit einer Enthaltung wurde das Thema dann zur erneuten Aussprache und Beschlussfassung in den nächsten PLUV verschoben (weitere Berichte folgen).

