Da fehlt doch was …

Beobachtet und kommentiert von Claus Jotzo

An den Anblick werden sich die Menschen (leider) schnell gewöhnen: der Löwensteg ist nicht mehr. Weil mit der Ochsenbrücke aktuell eine mehr oder weniger gute Ausweichroute zur Verfügung steht, wird die Bedeutung des Wegfalles der direkten Verbindung von der mittleren zur oberen Mannheimer Strasse noch nicht so deutlich. Aber wenn die Ochsenbrücke saniert wird (oder aus Verkehrssicherungsgründen – wie schon der Löwensteg – gesperrt werden muss) und Fussgänger*Innen, Radfahrer*Innen und Rollifahrer*Innen über den Bahnhof oder die Rheingrafenstrasse ausweichen müssen, um die Bahnlinie zu queren, wird das Gejammer groß sein.

Schuld daran haben allerdings fast alle – ausser dem Tiefbauamt der Stadt. Dessen Leiter Philipp Geib hat fünf Jahre lang sehr deutlich auf den zu erwartenden Abgang des Bauwerkes hingewiesen. Und die Alternativen immer wieder aufgezeigt. Trotzdem haben sich weder die träge-bequemen Einwohner*Innen noch die von ihnen (nicht) gewählten und auch nicht die heute als Protestler auftretenden Kommunalpolitiker*Innen gekümmert. Die Lösung war ganz einfach: ein 1 zu 1 – Nachbau des alten Löwenstegs. Kosten etwa 250.000 Euro. Das war den einen zu teuer (deren Hände allerdings ruck-zuck hoch oben waren, als es darum ging, für 2 (in Worten: zwei) halbe Tage Strassenfastnacht brutto 110.000 Euro auszugeben). Und den anderen nicht barrierefrei genug.

Dieses Nähe Löwensteg kurz vor seinem Abriss angebrachte Protest-Plakat ist eine Frechheit. Warum war es zwischen 2018 und 2024 nicht im Stadtrat zu sehen? Der Angriff auf die Stadtverwaltung ist zudem schlicht unberechtigt. Denn das Tiefbauamt hat – in diesem Punkt in vorbildlicher Transparenz – alle Fakten mehrfach öffentlich benannt. Die Plakatschmierer haben sich allerdings nicht darum gekümmert. Danach dann anonym als kommunalpolitische Heckenschützen tätig zu werden, disqualifiziert die Verfasser*Innen.

Wer jetzt mit dem Schlagwort „Bahn-Elektrifizierung“ schlaubergern möchte, zeigt damit nur seine Unkenntnis in der Sache. Denn die Bahn AG hätte dem 1 zu 1 – Ersatz gar nicht widersprechen dürfen, wenn sich die Stadt im Gegenzug verpflichtet hätte, den neuen Löwensteg unverzüglich wieder zu entfernen, sobald (in fünf, in zehn oder in 20 Jahren) für E-Züge auf der Nahestrecke mehr Höhe benötigt würde. Für die Netto-Kosten von sechs Strassenfastnachtstagen (drei Jahre) hätte also für die mindestens 1.000 Nutzer*Innen am Tag viele Jahre eine Behelfslösung zur Verfügung gestanden. 5, 10 oder 20 Jahre lang. Vor allem auch in der absehbar notwendigen Ochsenbrücke-Bauphase.

Selbst bei nur fünf Jahren Nutzungszeit ergäbe sich folgende Rechnung: 1,8 Millionen Nutzungen in Relation zu nicht einmal 120.000 Strassenfastnachtsgästen. Wie konnte es trotzdem zum ersatzlosen Wegfall des Löwensteges kommen? Ein Teil der Erklärung ist: die legitimen Interessen der Strassenfastnachtsfreunde sind TOP-organisiert. Und werden vom Verein Kreiznacher Narrefahrt und den örtlichen Fastnachtkorporationen vorzüglich vertreten. Wie effektiv clevere Lobbyarbeit ist, haben kürzlich erst DEHOGA und IHK bewiesen. In dem sie innerhalb von drei Wochen die Einführung der Bettensteuer verhindert und statt dessen eine 2,7-Millionen-Euro Erhöhung der Parkgebühren veranlasst haben.

Während die betroffene Bevölkerung noch immer nicht kapiert hat, dass sie genau das bekommt, was sie selbst an Engagement leistet. Ohne Engagement (also der Standartfall in Bad Kreuznach) eben nichts. Zwar wird immer davon geplappert, dass Demokratie vom Mitmachen der Einwohner*Innen lebt. Aber die bleiben lieber träge-faul auf dem Sofa sitzen, als sich für ihre Interessen einzusetzen. Selbst bei der Kommunalwahl. Zuletzt zwei Mal in Folge (2019 und 2024) Wahlbeteiligungen unter 50%! Und dann erwarten diese Leute, dass sich jemand für ihre Interessen einsetzt, wenn sei selbst nullkommanichts beitragen? Das sind Wahnvorstellungen, wie sie in der Rheinhessen-Fachklinik farbiger nicht diagnostiziert werden.

Die jetzt schmerzlich ohne Löwensteg dastehen, müssen sich fragen lassen, warum nie, nicht ein einziges Mal zwischen 2018 und 2024 auch nur eine einzige Person eine Einwohnerfragestunde im Stadtrat dazu nutzte, Stadtverwaltung und Stadtratsmitglieder nachhaltig in Sachen Löwensteg zur Rede zu stellen. Im Nachhinein zu meckern und zu klagen ist so peinlich. Und zeigt: diese Bevölkerung will es gar nicht anders. Nachher zu jammern ist ihr lieber, als rechtzeitig aktiv zu werden. Die Folge dieses Desinteresses am Gemeinwesen zeigt sich bei vielen Themen und überall im Stadtgebiet. Insofern ist der Löwensteg – jetzt wo er weg ist – ein unsichtbares Mahnmal für das, was fehlt in dieser Stadt.