Bosenheimer Maihexen rufen den Zauberlehrling zur Hilfe

Hoffentlich nimmt das ein gutes Ende. Seit 56 Jahren steht das Bosenheimer Bad auf der städtischen Schließungsliste. Seit dem Juni 2023 ist es geschlossen. Drei Gerichtsprozesse sind in den letzten 25 Jahren ergebnislos durchgeführt worden. Der vierte ist bereits in Vorbereitung. Aber bis die Freunde des Bosenheimer Bades juristische Hilfe erhalten werden, können noch Jahre vergehen. Daher haben sich die örtlichen Maihexen der Sache angenommen. Die in der Vergangenheit bereits durch eine Vielzahl konstruktiv-unbürokratischer Lösungen positiv aufgefallen sind.

Erinnern wir uns nur an die für die Autofahrer*Innen hilfreichen Haltelinien im Kreuzungsbereich von Elfelder, Hackenheimer und Parkstrasse. Oder die Über-Nacht-Einrichtung eines Zebrastreifens in der Rheinhessenstrasse. In diesem Jahr versuchen es die Maihexen mit grosser Literatur. Und rufen Goethe’s Zauberlehrling herbei. Sie zitieren dessen Formel aus der gleichnamigen Ballade „dass zum Zwecke Wasser fließe“. Ein sehr verständliches Anliegen, nicht nur angesichts von 28 Grad im Bosenheimer Schatten am Maifeiertag. Aber möglicherweise nicht ganz ungefährlich.

Wenn man sich in Erinnerung ruft, was ein anderer grosser deutscher Meister der Reimkunst, Wilhelm Busch, in Verse dichtete: „Aber wehe, wehe, wehe – wenn ich auf das Ende sehe!“ Also nicht auf das Ende des Bades. Sondern auf das des Zauberlehrling-Einsatzes. Dem gelang zwar die Instrumentalisierung eines Besens zum Wasserschöpfer. Aber nicht, diesen wieder zu stoppen. Was eine Flut zu Folge hatte. Die wäre in Bosenheim folgenschwer. Da fast alle Häuser im Dorf unterhalb des Bades stehen. Auf jeden Fall ist den Bosenheimer Maihexen wieder einmal ein Hingucker gelungen.

Der Zauberlehrling – eine Ballade von Johann Wolfgang von Goethe (1797 veröffentlicht):   

Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.

Seine Wort‘ und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch.


Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.


Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
Bist schon lange Knecht gewesen:
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf,
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!


Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.


Seht, er läuft zum Ufer nieder,
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!

Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! —
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.

Nein, nicht länger
Kann ichs lassen;
Will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!

O, du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!

Willsts am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten.

Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!

Wehe! wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Naß und nässer.
Wirds im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! —
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
Werd ich nun nicht los.

„In die Ecke,
Besen! Besen!
Seids gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
Erst hervor, der alte Meister.“