Von Claus Jotzo
Nur um das gleich klarzustellen: wenn sich Mainz 05 in dieser Saison nicht für den Europapokal qualifiziert, ist das aus unserer Sicht keine Enttäuschung. Noch vor einem Jahr hat der FSV gegen den Abstieg gespielt. Die von Bo Henriksen bewirkte spielerische und tabellarische Aufwärtsentwicklung ist ein fantastischer Erfolg. Ob Spiele auf europäischer Ebene dafür überhaupt eine Belohnung wären, wird von einigen Fans zurecht bezweifelt. Die die neue Saison gern unbelastet von internationalen Aufgaben und Mehrfachbelastungen angehen würden.

Denn schon zu oft sind Bundesligateams in Europa angetreten. Und dann im Abstiegskampf oder gar in der zweiten Liga gelandet. Ein weiteres Jahr oben in der Tabelle mitspielen hätte zudem in der komplizierten Finanz-Arithmetik der Bundesliga-Finanzierung über die DFL den Vorteil, dass sich die Mainzer perspektivisch für ein auch mal schlechteres Jahr in der Zukunft einnahmeseitig absichern würden. Zudem eine noch bessere Zuschauerquote bei den Heimspielen in der MEWA-Arena wünschenswert wäre. Nicht nur aus Sicht des Vereins-Kassierers.
Ein Ziel, das ohne Europaspielangebote und bei möglichst vielen Liga-Heimsiegen zu erreichen ist. Soweit zur Perspektive. Jetzt zur Realität. Da hat Bo Henriksen in der Pressekonferenz am Mittwoch in seiner fröhlich-saloppen Art en passant eine Aussage getroffen, die uns bei der Wiedergabe in den Medien hat hellwach werden lassen. Er habe, so der Trainer, vorgestern „das beste Training des ganzen Jahres“ erlebt. Erinnern wir uns an den Saisonstart 2023/24. Damals war Bo Svensson Cheftrainer. Der hatte als Spieler dutzende Sommertrainingslager absolviert. Und stellte auf der Basis dieser Erfahrung im August 2023 vollmundig fest:
Die Mannschaft habe das von ihm persönlich beste je erlebte Trainingslager geboten. Wenige Tage später verlor dieses Team 4:1 bei Union Berlin. Vier Monate darauf trat Svensson zurück. Mainz stand in der Tabelle ähnlich schlecht da, wie beim Abstieg in der Saison 2006/07. Was bei vernunftbegabten Fans die Frage aufwirft: „hat man bei Mainz 05 aus der Fehlinterpretation der Trainingseindrücke nichts gelernt?“ Selbst wenn dem so wäre. Gedanken machen muss man sich um den FSV nicht. Denn da ist ja immer noch Christian Heidel. Der gibt und lässt Bo Henriksen den Freiraum auch für Fehleinschätzungen.
Weil er weiß: wenn die 05er am Samstag in München – unerwartet doch – punkten, motiviert das Team und Fans. Und wenns wieder eine Abreibung gibt, wird der Sportvorstand eine weitere Wiederholung zumindest dieses Fehlers (den der Fehlbewertung von Trainingseindrücken) für die nächste Zeit verhindern. Was in der neuen Saison den ein oder anderen Punkt mehr bedeuten kann. Um ein weiteres Jahr Bundesliga in der übernächsten Saison zu sichern. Und das ist letztendlich noch für lange Zeit das einzig relevante Ziel, das der FSV Mainz 05 haben sollte. Ganz egal, von was ein Teil der Fans träumt.