Beobachtet und kommentiert von Claus Jotzo
In der Sitzung des Finanzausschusses am 7.4.2025 hatte Stadtratsmitglied Kay Maleton (Faire Liste) vom Oberbürgermeister angesichts der Haushaltskrise Führung verlangt. Bereits drei Tage später, in der Stadtratssondersitzung am Donnerstag vergangener Woche, bot sich Emanuel Letz die Gelegenheit diese Forderung seines Bosenheimer Ortsteilnachbarn einzulösen. Denn da stand als einziges Thema die Bad Kreuznacher Bäderlandschaft auf der Tagesordnung. Die wird seit Jahrzehnten hoch subventioniert. Akut werden rund 3 Millionen Euro benötigt. Geld das die Stadt nicht hat. Und die Banken den städtischen Gesellschaften nicht geben wollen.

Also genau die Lage, in der die von Kay Maleton eingeforderte Führung notwendig ist. Passiert ist … nichts. Statt Führung gabs Geplapper. Für sachkompetente und / oder betroffene Zuhörer*Innen eine über vierstündige Qual. Mit einer rund einstündigen Erholungspause, in der sich der Stadtrat eine nichtöffentlichen Sitzungsteil gönnte. Und einem Höhepunkt in Form von peinlicher Selbstbeweihräucherung gleich anschließend. Gastredner Thomas Meyer von der GMF Gesellschaft für Entwicklung und Management von Freizeitsystemen mbH & Co. KG (kurz: GMF) kam in seiner Darstellung bezüglich Bäderhaus und crucenia thermen zu dem Ergebnis:
Die örtlichen Verantwortlichen haben viel richtig und wenig falsch gemacht. Dieses nicht nur für Aussenstehende angesichts der Millionenverluste überraschende Fazit begründete Meyer u.a. mit der Feststellung, dass kommunale Bäder immer defizitär seien. Was Meyer nicht erläuterte: wieso seine GMF zahlreiche Bäder und Thermen betreibt, die schwarze Zahlen schreiben. Ebenfalls nicht erklärt: was die konkreten Ursachen dafür sind, dass kommunale Betriebe betriebswirtschaftlich floppen. Die GMF-Steilvorlage wurde gleich von mehreren Stadtratsmitgliedern als Lob für ihre Arbeit interpretiert.
Die Diskussion plätscherte dann zwischen Eigenlob und Fragen zur eierlegenden Wollmilchsau unstrukturiert vor sich hin. Wie schon Meyers Vortrag sachkundig nur unterbrochen von Gerhard Merkelbach (Faire Liste), der seine Erfahrungen als privater Saunabetreiber einbrachte. Wovon sich die Mehrheit seiner Ratskolleg*Innen im Verlauf der Sitzung immer genervter zeigte. Die ansonsten gute Stimmung der Merkelbach-Kritiker*Innen wurde zusätzlich gefördert durch die Wiederholung der Behauptungen einer im Rahmen der Erhebung des Tourismusbeitrages erhobenen Wertschöpfungsstudie. Deren Darstellung habe ich persönlich zwar bereits vor sechs Jahren im Rahmen des ersten Normenkontrollantrages vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz (OVG) zerlegt.

Aber schon damals hat sich die große Mehrheit der Stadtratsmitglieder weniger für Fakten, sondern mehr für das interessiert, was ihnen in den persönlich-politischen Kram passt. Jedenfalls wurde in der Stadtratssitzung munter weiter fabuliert, wie wenig Verantwortung für die roten Zahlen vor Ort zu suchen ist. Und wie böse all jene sind, die der Stadt das Geld vorenthalten, das man gern weiter in Bäderhaus und crucenia therme versenken würde. Bis dann endlich, da lief die Sitzung schon etwa drei Stunden, Christoph Nath zu Wort kam. Das erste vom Stadtwerke-Geschäftsführer gezeigte Schaubild (oben) bezog sich auf den Zeitplan für Rettungsmaßnahmen für die Bäderlandschaft.

In den darin dargestellten Daten konnte ich nichts Neues entdecken. Bereits im Herbst letzten Jahres hatte Christoph Nath diese Zeitschiene vorgestellt und begründet. Zunächst nichtöffentlich in den Aufsichtsräten der städtischen Gesellschaften. Dann in einem Pressegespräch, in dem Nath und sein Team im Beistand von Bürgermeister Thomas Blechschmidt Rede und Antwort standen. Und schließlich Anfang diesen Jahres auch in den städtischen Gremien in öffentlicher Sitzung. Wem die in Europa seit vielen hundert Jahren verwendeten indisch-arabischen Ziffern und die deutsche Schriftsprache hinreichend bekannt sind (etwa um öffentliche Ämter auszuüben zu dürfen) musste wissen:

Spätestens am 27.5.2025 muss im Stadtrat die Entscheidung fallen, ob -und wenn ja wie – die Kommunalpolitik das Bäderhaus und die crucenia thermen rettet. Denn, das hatte Christoph Nath mehrfach bis dicht an die Schmerzgrenze öffentlicher Darstellung betriebsinterner Vorgänge heran dargelegt, Anfang Juni müssen dem Wirtschaftsprüfer der städtischen BAD und BGK GmbH belastbare Angaben vorliegen, damit dieser in der Lage ist, ein positives Testat auszustellen. Trotzdem also die Schlussfrist seit vielen Monaten klar benannt und bekannt ist, wurde im Stadtrat am 12.4.2025 so getan, als sei ja noch genug Zeit, um auf Wunder zu warten – und Entscheidungen weiter verschieben zu können.
Wie weit weg die Mehrheit der Kommunalpolitiker*Innen von der Lebensrealität sich bewegt, wurde in den letzten 50 Minuten der Stadtratssitzung deutlich. Denn nach rund dreistündiger Sitzungsdauer wurde da endlich über das Wesentliche gesprochen. Nachdem Christoph Nath zunächst den Zeitplan und dann seinen Vorschlag zur Rettung der Bäder vorgestellt hatte (tourismusbeitrag-so-nicht.de berichtete dies bereits am 11.4.2025 unter der Überschrift „Parkgebühren in Bad Kreuznach sollen um 1,5 Millionen Euro steigen“), erläuterte Kämmerer und Bürgermeister Thomas Blechschmidt in aller Ruhe die bisherigen, von ihm bereits mehrfach vorgetragenen Terminplanungen der Stadt.
Eingeleitet mit dem rhetorischen Wachmacher „ganz kurz, dass wir mal in die reale Welt zurückkommen“. Blechschmidt zählte die anstehenden Termine auf. Mit der entscheidenden Beschlussfassung in der Stadtratssitzung am 26. Juni 2025. Also einen Monat nach Ablauf der von Christoph Nath seit Monaten benannten Frist. Blechschmidt wies auch auf die sich anschließende, rund zweimonatige Genehmigungsphase durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) hin: „ich hätte erst Ende August ein Ergebnis.“ Darauf erfolgte ein erster höflicher Widerspruch von Christoph Nath. Den Thomas Blechschmidt mit dem Hinweis beantwortete:
„Das war grad in chinesisch, übersetzen Sie das doch bitte mal ins Deutsche, das es alle verstehen. Dann können wir mehr damit anfangen“. Sichtlich genervt führte Christoph Nath dann deutlich aus: „das Ende war schon am Anfang des Jahres alles bekannt. Wenn bis zum 26. Mai keine verbindlichen Beschlüsse vorliegen, dann wird die Gesellschaft einen Plan vorlegen müssen, der eine Abwicklung und Schließung Bäderhaus, crucenia thermen und Gesundheitszentrum vorsieht. Das muss die Gesellschaft machen. Wenn der Zeitplan so kommt, wie von Herrn Blechschmidt beschrieben, als Möglichkeitsraum plus oder minus erst im August, das ist einfach zu spät.“
Nicht etwa eines der Stadtratsmitglieder sprach diesen krassen Widerspruch an. Sondern Blechschmidt selbst, dessen Mahnungen und Hinweise in Sachen Stadthaushalt zu seiner persönlichen Enttäuschung seit langer Zeit ungehört von der Stadtratsmehrheit – auch seinen CDU-Parteifreunden – verhallen, stellte die entscheidende Frage an Nath. Und zwar zu einem Zeitpunkt, als der OB die Sitzung bereits schließen wollte. „Bevor wir jetzt alle losstürmen: reicht das aus, was ich skizziert habe? Ja oder nein?“ Die Antwort von Christoph Nath war unmissverständlich: „nur ein Grundsatzbeschluss: nein. Ich brauche Verbindlichkeit“.
Auf Nachfrage wiederholte Nath die zu Ende Mai gesetzte Frist. Bis dahin muss nicht nur ein Stadtratsbeschluss vorliegen. Sondern auch die Zustimmung der ADD – zumindest – avisiert sein. Nath erinnerte in diesem Zusammenhang an den Stadtratsbeschluss vom Dezember 2022 zur Einlage von 3,4 Millionen Euro in die städtische BGK GmbH, der von der ADD später nicht genehmigt wurde. Dieses Risiko müsse ausgeschlossen sein. Wie wenig diese von Christoph Nath seit Monaten gebetsmühlenartig wiederholten Fristen und Abläufe im Stadtrat verstanden wurden, machte die sich anschließende Frage von Dr. Helmut Martin MdL (CDU) deutlich: „Sie machen da Ende Mai Ihren Beschluss. Aber das heißt ja nicht, dass am 2. Juni alles gekündigt wird. Und selbst wenn: Sie haben ja Kündigungsfristen“.
Dr. Martin fuhr fort: „natürlich müssen Sie Ihren Plan vorlegen. Aber den können Sie doch danach wieder korrigieren“, wenn klar ist, dass die Stadt die mindestens benötigten 2,5 Millionen jährlich zur Verfügung stellt. Nath atmete tief durch. Und stellte dann fest: „schwierige Antwort jetzt“. Und erklärte dann: „wenn ich von Sanierung und Umstrukturierung spreche, heißt dass: an dem Tag, an dem das beschlossen ist, fängt die Maschinerie an, um die Kosten so gering wie möglich zu halten“. Mit Beschluss würden auch alle anderen Themen umgesetzt. Aus der Therme werde das Wasser rausgelassen „an dem Tag“. „Dann ist die Therme auch nicht mehr zu gebrauchen nach kurzer Zeit“.
Wir werden die Maschinen nicht am Leben halten, nur um dann in einem halben Jahr noch mal zu überlegen. Ich brauche einen Beschluss, wo ich dann mit den Banken sprechen kann: das ist die Finanzierung“. Das Risiko einer erneuten Zustimmungsverweigerung durch die ADD müsse vorher durch Gespräche mit der Behörde ausgeschlossen werden. Christoph Nath erklärte seine Bereitschaft die notwendigen Termine in Trier jederzeit wahrzunehmen. Im Ratsrund wurde es nach diesen klaren Worten still. Mit den Worten „ich glaub das ist angekommen“, beendete OB Letz unmittelbar anschließend um 21:50 Uhr die Sitzung (weitere Beiträge folgen).