In jeder deutschen Stadt ist das ein Thema: illegale Grafittis auf öffentlichen Gebäuden und privaten Hauswänden. In Tübingen hat der dortige Oberbürgermeister Boris Palmer am vergangenen Wochenende bekanntgegeben, die erste Belohnung in Höhe von 5.000 Euro für einen rechtskräftig verurteilten Sprayer ausgezahlt zu haben. Die Stadt Bad Kreuznach geht einen anderen weg. Nicht nur weil in der Stadtkasse kein Geld für Belohnungen vorhanden ist. Sondern auch auf der Basis der Erkenntnis, dass die jahrzehntelange Strafverfolgung das Problem nicht verkleinert hat. Und – mindestens ein Teil der Sprayer – Künstler im besten Sinn des Wortes sind.

Der Bad Kreuznacher Herrenausstatter Mike Mattern lobt ausdrücklich, dass die Stadtverwaltung im vergangenen Jahr die ersten Legal Walls auf der Pfingstwiese eingerichtet hat. Mattern räumt ein, dass er selbst zunächst Vorbehalte hatte. Bis er mit den Sprayern ins persönliche Gespräch kam. „Sehr sympathische Leute, die in der Kunst aus Farbdosen ihre persönliche Ausdrucksform gefunden haben“, hat er dabei festgestellt. Und erfahren, dass zumindest ein großer Teil der Tagger von illegaler Kunst auf Hauswänden zu „Legal Walls“ wechseln würde. Wenn es genügend davon gäbe. An Orten, wo die gesprayten Kunstwerke auch gesellschaftlich wahrgenommen werden.
Für Mattern ist daher klar: wir müssen schnell viel mehr Legal Walls anbieten, damit diese Kunstform dort Platz hat, wo sie Freude bereitet, statt Frust zu schaffen. „Legal Walls sind eine gute Sache für alle“, ist das Fazit von Mike Mattern, der sich nicht nur bei der Stadt, sondern auch bei Besitzern geeigneter Grundstücke dafür einsetzen wird, dass diese Wandflächen zur Verfügung stellen. Und auch auf seine Einzelhändlerkollegen im Stadtgebiet wird Mike Mattern zukommen. Mit einer Projektidee, die überregional Aufmerksamkeit erregen wird: Einzelhändler unterstützen Sprayer, wenn diese Legal Walls. Und auf Innenstadt-Schmierereien verzichten.
Was sind Legal Walls?
Legal Walls sind Flächen, die für das Besprühen amtlich oder zivilrechtlich freigegeben sind. Die Stadtverwaltung beschreibt das wie folgt: „Sie bieten die Möglichkeit, Graffitikunst ohne Straftatbestand und ohne vorherige Anmeldung legal auszuüben. Dennoch gilt es für die Nutzung ein paar Regeln zu beachten. Dabei müssen die sprühenden Personen auf die klar gekennzeichneten Flächen achten, die auf Infotafeln vor Ort ausgewiesen sind. Zusätzlich sind auf den Infotafeln weitere Regeln zum Sprühen vermerkt, die es einzuhalten gilt.

Über einen QR-Code auf den Tafeln können Künstlerinnen und Künstler außerdem alle wichtigen Informationen zu den Freiflächen und den entsprechenden Regeln digital abrufen. So wird sichergestellt, dass die Graffiti-Kunst im Rahmen der Regeln bleibt und weiterhin als positiver Beitrag zur Stadtgestaltung wahrgenommen wird. Darstellungen mit fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen, homophoben sowie pornografischen Inhalten werden nicht toleriert. Vor und bei Veranstaltungen ist das Sprühen untersagt.

Die Wände sind nicht als Werbeflächen für kommerzielle Auftraggeber oder politische Parteien zu sehen. Wir bitten mitgebrachte Dosen und Müll zu entsorgen. Wir bitten um Respekt vor den Kunstwerken anderer Nutzer*innen. Dennoch kann die Dauer, bis ein Werk wieder übersprüht wird, nicht festgelegt werden. Die Nutzung erfolgt auf eigene Gefahr. Die Stadt Bad Kreuznach über nimmt keine Haftung für eventuell entstandene Schäden“.