Deutlich weniger Teilnehmer*Innen bei der Demo gegen rechts

Kommentiert von Claus Jotzo

„Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft“ demonstrierten am späten gestrigen Dienstagnachmittag (18.2.2025) auf dem Kornmarkt viel weniger Menschen, als noch am 30.1.2024 an gleicher Stelle „für Vielfalt und gegen Rechtsradikalismus“. Die von Migranten verübten Mordtaten der letzten Monate haben offenbar auch in und um Bad Kreuznach gesellschaftliche Spuren hinterlassen. Am Wetter kann es nicht gelegen haben (gestern ein strahlend blauer Himmel, am 30.1.2024 war es dunkel und feucht-kalt). Die deutlich geringere Teilnehmerzahl hat andere Ursachen.

Bilder: privat

Etwa die Tatsache, dass die Initiatoren in ihrem Aufruf zwar einerseits „rassistische, antisemitische und queerfeindliche Angriffe“ zu recht beklagen, aber Kriminalität durch Menschen, die angeblich oder tatsächlich nach Bad Kreuznach kamen, um Schutz zu finden und mit Wohnung und allem fürs Leben Notwendige gegenleistungslos versorgt werden, verschwiegen haben. Solche krassen, wahrheitswidrigen Ausblendungen der Lebenswirklichkeit werden von einer wachsenden Zahl von Einwohner*Innen nicht mehr akzeptiert.

Die Einäugigkeit und Voreingenommenheit eines Teils der Initiatoren beschädigt leider deren inhaltlich wertvollen Anliegen. Denn natürlich sind jene rückständig und öffentlich zu kritisieren, die Homosexualität noch immer als Krankheitsbild sehen, die sexuelle Orientierung an primären Geschlechtsorganen festmachen, die Menschen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung diskriminieren usw. Aber wer die Realität leugnet, etwa das weitgehende Scheitern der bisherigen Integrationsarbeit, verhält sich ähnlich gesellschaftsschädlich, wie jene, die er-sie-es kritisiert.

Wieso hat keiner der Redner*Innen am gestrigen Dienstag erklärt, warum fast alle nach dem II. Weltkrieg nach Bad Kreuznach geflüchteten Menschen sich beim Wiederaufbau der Stadt aktiv eingebracht haben. Und es heute – bezogen auf die letzten Jahre – leider nur ein sehr kleiner Teil der Geflüchteten ist? Warum wird nicht daran erinnert, dass im westlichen Teil Nachkriegsdeutschlands auch deutsche Flüchtlinge diskriminiert und ausgegrenzt wurden (weil dies eben bedauerlicherweise eine sehr menschlich-egoistische Reaktion auf eine tatsächliche oder scheinbare Gefährdung des eigenen Besitzstandes ist)?

Und darauf hingewiesen, dass die damaligen Diskriminierungsopfer eben nicht mit Messerattacken oder Drogenhandel reagierten, sondern mit noch mehr Leistung für die Gemeinschaft. Auch die Last, die durch die nicht bewältigte Integration und das vielfältige Fehlverhalten von Geflüchteten hunderttausenden, Tag für Tag hart arbeitenden und diese Gesellschaft mit tragenden türkischstämmigen Mitbürger*Innen aufgebürdet wird, die von ihren Mitdeutschen Landsleuten – weil als „Fremde“ äußerlich erkennbar – nach jeder Gewalttat schief angeschaut werden, wurden einmal mehr nicht thematisiert.

Leider blieben all diese – und viele weitere wichtige – Aspekte und Fragen gestern wieder einmal ohne jede Antwort. Dieses Unterschlagen und Weglassen wesentlicher Aspekte macht das Engagement der Demo-Initiatoren in den Augen der allermeisten Zeitgenossen unglaubwürdig. Mit ihrer einseitigen Fixierung auf ein Teil des Problems machen sich diese Menschen – entgegen ihrer Erklärungen – zum Teil dieses Problems, statt zu Lösungen beizutragen. Wo sind die Großveranstaltungen und Aktionen zum Kauf fair gehandelter Produkte, um die Ausbeutung anderer Länder und damit eine der Fluchtursachen zu verhindern?

Wo sind die ganzjährigen Boykottaufrufe auch gegen andere Staaten, als die USA, die – etwa wie Russland – Angriffskriege durchführen oder wie Ruanda Terror gegen die Zivilbevölkerung unterstützen? Wo sind die Demonstranten vom gestrigen Dienstagabend, wenn Geflüchtete in der Bad Kreuznacher Innenstadt, wie von mir am 7. Oktober 2023 in der Römerstrasse persönlich erlebt, Mordtaten an Juden feiern? Von Antisemitismus auf von der Polizei geschützten Demos zu plappern und Antisemiten auf der Strasse Auge in Auge persönlich entgegenzutreten, sind halt sehr unterschiedliche Dinge.