Beobachtet und kommentiert
von Claus Jotzo
Den ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen gelingt es immer wieder, in ihren Augen unerfreuliche Sachverhalte zu verdrängen. Bei den Einwohner*Innen kommt das gar nicht gut an. Wie beim Fall der Sanierung des Casinogebäudes. Das stadtbildprägende Haus mit der Adresse Brückes 1 wurde in den Jahren 1834 bis 1875 von der Casinogesellschaft in Etappen errichtet. Und kam im 20. Jahrhundert in den Besitz der Stadt. 2014 stand nach jahrzehntelanger Vernachlässigung eine Sanierung an. Die wurde 2015 auf den Weg gebracht. Und erlitt einen klassischen Fehlstart. Das für die Arbeiten am Dach und der Fassade benötigte Baugerüst wurde nicht fachgerecht aufgestellt.

Ein monatelanger Stillstand im Jahr 2016 war die Folge. Erst im März 2017 begannen dann die Bauarbeiten an dem denkmalgeschützten Verwaltungsgebäude. Und mit diesen die Kostenexplosionen (der weitere Leidensweg des Hauses ist in der heutigen Ausgabe im gesonderten Beitrag „So machten Stadtverwaltung + Stadtrat aus dem Casinogebäude ein Millionengrab“ skizziert). Der Rohbau-Innenzustand ist so gefährlich, dass mir von der Stadtverwaltung eine Besichtigung „aus Sicherheitsgründen“ verweigert wurde. Stadtratsmitglieder, die sich das Elend anschauen durften, zeigten sich schockiert. Innenaufnahmen der Bauruine werden von der Stadt als Geheimsache behandelt.
Wer ergründen möchte, warum öffentliche Verwaltung und Politik einen so großen Vertrauensverlust erlitten haben – und weiter erleiden – muss nur lesen, was die Stadtverwaltung beim Beginn der Sanierungsarbeiten des Casinogebäudes öffentlich erklärte: „die Stadtverwaltung Bad Kreuznach will das Casinogebäude im Brückes 1 außen wie innen komplett sanieren, damit das denkmalgeschützte, klassizistische Gebäude aus dem 19. Jahrhundert auf den sicherheitstechnisch und energetisch modernsten Stand gebracht wird“. Das war 2017. Acht Jahre und verbaute 4,5 Steuergeld-Millionen später sind Dach und Fassade des Hauses tatsächlich im Topzustand.
Aber eine praktische Nutzung durch die Einwohner*Innen, die das alles bezahlen, ist selbst in Jahren nicht abzusehen. Die Berichterstattung von tourismusbeitrag-so-nicht.de hat in unserem Emailpostfach und den Sozialen Medien eine breite Resonanz gefunden. In dutzenden von Kommentaren wird die Meinung der Bad Kreuznacher*Innen deutlich. To F.: stellt mit einem Augenzwinkern fest: „Hauptsache schön. Geld spielt doch keine Rolle, wenn man keins hat“. Eher sachlich nähert sich Michael Z. dem finanziellen Gesichtspunkt: „die Stadt hat kein Geld für weiter zu bauen – schlechte Planung“. Ines H. ist von der schlichten finanziellen Größenordnung beeindruckt:
„Wenn ich bedenke, was für nen Palast man sich für das Geld kaufen kann …“. Ela R. merkt an: „kein Wunder, dass Bad Kreuznach pleite ist“. Peter K. hätte beim Casinogebäude weiter gebaut – und an anderer Stelle gespart: „Hauptsache es war Geld für Radwege da … Die Stadt hat zig Millionen Schulden“. Thomas D. wird deutlich: „dümmer geht eben immer. Planlosigkeit wird hier ja groß geschrieben“. Auch Gundis A. erkennt ein Muster: „typisch für Bad Kreuznach“. Wie auch Ute B.: „so ist halt unsere Stadtpolitik“. Tanja B. vermisst Informationen der Stadt zu den Hintergründen der Baukosten: „was hat da soviel zu renovieren gekostet?
Da baut man ja zig Villen komplett neu, für soviel Geld. Und was soll da noch soviel kosten? Also da stimmt was hinten und vorne nicht!“ Carl M. stellt dazu fest: „Deine Frage ist berechtigt – für das Geld hätte man neu bauen können – mit goldenen Wasserhähnen“. Peter T. liefert eine Antwort, die bisher in den Gremien der Stadt noch nie gegeben wurde: „in der alten Bausubstanz waren krebserregende Stoffe verbaut. Musste weggemacht werden“. Rebecca M. bezweifelt, dass das eine seriöse Begründung für die enormen Baukostensteigerungen ist: „und das soll 4,5 Millionen gekostet haben, um es zu beseitigen? Im Leben nicht.
Im Bericht steht ja, dass innen noch komplett Rohbau ist“. Scholly L. hofft: „vielleicht ist noch ein Spender da, wo es saniert für die Stadt. Die haben aber auch nur noch Schrott. Siehe Eiermarkt, Poststrasse und jetzt auch noch die Puricelli-Kapelle. Oh Man(n) da kannste nur noch singen „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt“. Und ergänzt: „ich liebe Kreuznach, aber nicht unsere Bevollmächtigten, die hierfür verantwortlich sind“. Zusammengefasst: nach wie vor fehlen den Menschen Informationen. Eine direkte Folge dieser Intransparenz ist: das Verständnis für Entscheidungen nimmt immer mehr ab. Das Protestpotential wächst.
Wenn diese Menschen dann erfahren, dass der Staat zwar für den öffentlichen Dienst perfekte Schutzgesetze macht, die Steuerzahler*Innen der Inkompetenz des von ihnen bezahlten Personals aber hilflos ausgeliefert sind, schlägt dieses Protestpotential in Emotionen um. Ich wurde mehrfach gefragt: warum veröffentlicht die Stadt Blumen-Bilder über Dienstjubiläen, statt Informationen zur Steuergeldverwendung? Auch die Tatsache, dass der Stadtrat auf Vorschlag von Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) die Stelle einer Frauenbeauftragten beschlossen hat, die einzig und allein für die Beschäftigten der Stadt zuständig ist – und nicht etwa für die Bevölkerung – entzürnt viele Einwohner*Innen.