Jugendhilfeausschuss korrigiert Fehler im Bundesgesetz

Immer öfter wird von den Betroffenen kritisiert, dass vom Deutsche Bundestag beschlossene Gesetze teils erschreckende Lücken und Defizite haben. Eine davon wurde im Jugendhilfeausschuss der Stadt per Beschluss vorgestern korrigiert. Kommt ein leibliches Kind auf die Welt, haben dessen Eltern Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngesetz. Eltern, die ein neugeborenes Kind oder ein Kleinkind in ihren Haushalt in Vollzeitpflege aufnehmen, erhalten diese Unterstützung des Staates nicht. Diese erkennbare Ungerechtigkeit benachteiligt ausgerechnet jene Eltern, die sich einer besonderen Herausforderung stellen.

Das Stadtjugendamt hat das erkannt. Und einen Lösungsvorschlag ausgearbeitet. Dieser wurde am Mittwoch dieser Woche beraten und in Form eines Antrages für die nächste Stadtratssitzung verabschiedet: „der Jugendhilfeausschuss beantragt beim Stadtrat, elterngeldähnliche Zusatzleistungen für Pflegefamilien zu gewähren“. Beschlossen wurde eine Zahlung in Höhe von 1.000 Euro monatlich für die elterngeldübliche Dauer. In der Diskussion im Ausschuss wurden dazu eine Vielzahl an Informationen gegeben, über die wir in kommenden Berichten informieren.

Die Beschlussbegründung im Wortlaut:

„Der Gesetzgeber sieht im Rahmen der Kinder –und Jugendhilfe vor, unterschiedliche Formen der (Fremd)Unterbringung für Kinder und Jugendliche vorzuhalten. Dies soll unter Berücksichtigung der altersspezifischen Bedarfe erfolgen. Die Unterbringung in einer (Pflege)Familie soll insbesondere jüngeren Kindern eine zeitlich befristet oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Das Jugendamt hat geeignete Angebote der Familienpflege vorzuhalten (siehe auch § 33 SGB VIII). In den letzten Jahren ist jedoch ein kontinuierlicher Rückgang der Interessenten, trotz intensiver Werbung, zu verzeichnen.

Dies hat mit den veränderten familiärer Strukturen zu tun. Heutzutage sind in der Regel beide Bewerber berufstätig und hätten bei Reduzierung der Arbeitszeit erhebliche finanzielle Einbußen. Derzeit stehen dem Amt für Kinder und Jugend 6 Bereitschaftspflegefamilien und 0 Dauerpflegefamilien zur Verfügung. Häufig werden Kleinkinder direkt nach der Geburt oder im 1. Lebensjahr bereits in Obhut genommen. Sie haben zumeist schon in der Schwangerschaft Vernachlässigung und Gewalt erlebt, häufig auch gepaart mit Mangel und Drogenkonsum der Eltern.

Diese Kinder benötigen ein tragfähiges und stabiles Beziehungsangebot um den emotionalen, pädagogischen und psychischen Bedarfen eines Säuglings und Kleinkindes gerecht zu werden. Wir wissen, dass Kinder in den ersten Lebensjahren liebevolle Zuwendung durch ihre Bezugspersonen brauchen, um sichere Bindungen aufzubauen und sich gut zu entwickeln. Eine sichere Bindung eines Menschen ist relevant für seine gesamte weitere gesunde Entwicklung. Das bedeutet, dass Kinder in den ersten neun Lebensmonaten Bindungen gegenüber Personen, die sich dauerhaft um sie kümmern, aufbauen.

Auch wenn es zu mehreren Personen Bindungsbeziehungen entwickelt, sind diese hierarchisch geordnet. Dies erfordert von der hauptbetreuenden Pflegeperson, die im ersten Lebensjahr des in Pflege genommenen Säuglings nicht berufstätig sein soll, nicht nur Kraft, sondern auch eine quasi ständige zeitliche Verfügbarkeit/Präsenz. Der Gesetzgeber hat aktuell die Anspruchsberechtigung von Pflegeeltern im Elternrecht grundsätzlich ausgeschlossen. Pflegeeltern können zwar Elternzeit nach dem Bundeselterngesetz in Anspruch nehmen, erhalten jedoch kein Elterngeld nach dem Bundeselterngesetz, wenn sie ein neugeborenes Kind/Kleinkind in ihren Haushalt in Vollzeitpflege gemäß §33 SGB VIII aufnehmen und ggf. in der Folge ihre Berufstätigkeit zeitweise ganz oder teilweise aufgeben.

Stattdessen wird auf Seite 10 der Broschüre „Elterngeld und Elternzeit“ des BEEG/BMFSFJ vom April 2022 empfohlen, dass spezielle andere Leistungen vom Jugendamt zu erhalten seien. Das führt dazu, dass potentiell fachlich geeignete Personen ihre Bewerbung zurückziehen. Ein Gehalt reicht Paaren häufig nicht aus, um ihren bisherigen Lebensunterhalt ausreichend sicherstellen zu können. Bei alleinstehenden Personen ist die finanzielle Problematik in der Regel noch größer, da hier kein zweites arbeitendes Elternteil zur Verfügung steht. Es bliebe zur Unterbringung der Kleinkinder bei fehlenden Ressourcen zur Unterbringung in Pflegefamilien lediglich die Unterbringung in Erziehungsstellen/Heimeinrichtungen.

Aus entwicklungspädagogischer Sicht wäre dies fatal für das Aufwachsen dieser Kleinkinder und hätte auch einschneidende monetäre Auswirkungen. (Ein Platz in einer Pflegefamilie kostet für Kinder von 0 – 6 Jahren ca. 1.400 – 2.500 Euro; ein Platz in einer Erziehungsstelle/Heimeinrichtung verursacht Kosten von ca. 5.000 Euro/monatlich plus Bekleidungsgeld, Taschengeld und zumeist noch individuelle Zusatzleistungen, sodass wir auf einen Gesamtbetrag von ca. 6.000 Euro kommen.) Deshalb haben sich bereits verschiedene Jugendämter dazu entschlossen, elterngeldähnliche Zusatzleistungen zum Pflegegeld zu finanzieren. Zukünftige Verfahrensweise:

Das Pflegekinderteam möchte zukünftig eine verlässliche Anzahl potentieller Pflegepersonen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten für die Vermittlung von Säuglingen und Kleinkindern vorhalten. Daher ist es zwingend erforderlich, die finanzielle Grundsicherung der Pflegeperson in den ersten Lebensmonaten des Säuglings sicherzustellen. Aus fachlicher Sicht stellt die Unterbringung eines Säuglings in einer Pflegefamilie eine für seine Entwicklung deutlich adäquatere Form dar. Trotz der Auszahlung einer elterngeldähnlichen Leistung liegen die Aufwendungen im Einzelfall deutlich unter den Aufwendungen für eine Heimunterbringung / Erziehungsstellenunterbringung nach § 34 SGB VIII.

Die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens basiert im Wesentlichen auf einem Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vom 2.9.2016 (JAmt 2016,545). Gemäß § 39 Abs.1 SGB VIII ist bei einer Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie auch der notwendige Unterhalt des Kindes außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Der Unterhalt umfasst die Kosten für den Sachaufwand als auch die Pflege und Erziehung des Kindes. Beides zusammen wird als Pflegegeld bezeichnet. Der Rahmen für die Höhe des Pflegegeldes ist gesetzlich im §39 Abs.4-6 SGB VIII geregelt.

In dem Fall, indem eine Pflegeperson zugunsten der Erziehung und Betreuung eines Kindes auf einen Teil der Erwerbsfähigkeit verzichtet und dadurch Einkommenseinbußen hat, kommt eine abweichende Leistung rechtfertigender Einzelfall in Betracht. Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers, dass Pflegeeltern für die Pflege und Erziehung nicht eigene Finanzmittel einsetzen müssen. (BVerwG26.3 1999-5B 129.98/ Jans u.a./Degener SGB VIII §39 Rn47) Die Leistungen nach §§ 33 SGB VIII kann im Sinne einer Leistung zum notwendigen Unterhalt des Kindes im Sinne des § 39 Abs.1 S.1 SGB VIII gelten. Leistungsberechtigt:

Hauptbetreuende Vollzeitpflegeperson, die tatsächlich/nachweislich ihre Erwerbstätigkeit in den ersten (3 Lebensjahren des Pflegekindes) für einen Zeitraum bis zu 12 Monaten ruhen lässt. Leistungshöhe: ab Aufnahme eines Säuglings bis zum 18. Lebensmonat für 12 Monate, ab Aufnahme eines Kleinkindes ab dem 18. – 36. Lebensmonat für 6 Monate. 1.000 Euro ab Kalendermonat der Aufnahme. Die Leistung kann auch auf (24 Monate bzw. 12 Monate) Jahre mit je 500 Euro ausgezahlt werden. Wir gehen hierbei von einer Fallzahl von 2 bis 4 Familien jährlich im Stadtgebiet Bad Kreuznach aus, da unsere Vorgaben lediglich für Pflegefamilien im Stadtgebiet gelten.

Monatliche Pauschalbeträge für die Vollzeitpflege in Rheinland-Pfalz ab 1.10.2024 für Kinder bis zu Jahren beträgt: Sachaufwand 731: Euro + Kosten für Pflege und Erziehung: 420 Euro = 1.151 Euro monatlich, plus 191,07 Euro für eine Unfallversicherung für alle im Haushalt lebenden Pflegepersonen, plus 48,36 Euro monatlicher Pauschalbetrag für die Alterssicherung pro Pflegekind = 1.390,43 Euro. Geht man von 2 Säuglingen jährlich aus, wären das 24.000 Euro zusätzlich jährlich.

Aus fachinhaltlicher Sicht ist die elterngeldähnliche Sonderleistung vor allem vor dem Hintergrund der fehlenden gesetzlichen Anpassung zu sehen. Die Sonderleistung nach § 39 SGB VIII würde bei einer entsprechenden Gesetzesänderung entsprechend entfallen. Der Bundesrat hat im Oktober 2024 die Bundesregierung dazu aufgefordert, für Pflegeeltern einen Anspruch auf auf Elterngeld gesetzlich zu verankern. Wenn hier der Beschluss gefasst wird, werden wir unserer Rahmenkonzeption dementsprechend ergänzen“.