Bauvorhaben Lebenshilfe entschleunigt: Stadtrat beschließt Regelverfahren

Von Claus Jotzo

Die Verantwortlichen bei Stadt und Lebenshilfe hatten sich das so schön ausgedacht: Präsentation der Siegerentwürfe in den Tagen „zwischen den Jahren“, wenn die Menschen – auch die Betroffenen in der Nachbarschaft – mit ganz anderen Sachen beschäftigt sind. Beratung im Planungsausschuss am 13.1.2025, wenn die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen noch in Weihnachts- oder Winterurlaubserinnerungen schwelgen. Und die endgültige planungsrechtliche Verabschiedung des Neubauvorhabens am 30.1.2025 im Stadtrat. Natürlich im „beschleunigten Verfahren“. Also ohne vorgeschriebene Umweltprüfungen. Und ohne gesetzlich geregelte vorzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit.

Mehrere Dutzend Einwohner*Innen verfolgten gestern im Stadtratssitzungssaal die Beratung zum Bauprojekt der Lebenshilfe.

Ein Hintergrund dafür: es ist erst wenige Jahre her, da erlebte die Lebenshilfe im Agnesienberg schon mit einem anderen von ihr geplanten Bauvorhaben Schiffbruch. Bereits 2013 wurde versucht, den aktuell in der öffentlichen Diskussion stehenden Bebauungsplan zu ändern, um den Neubau einer Kita zu ermöglichen. Wie die Stadtpressestelle auf Anfrage erfreulich schnell recherchiert und mitgeteilt hat, erfolgte damals der Aufstellungsbeschluss am 23.5.2013. Im Regelverfahren. Der Offenlagebeschluss stand am 25.9.2014 im Stadtrat auf der Tagesordnung, wurde dann aber von der Tagesordnung genommen.

Nach längerer Diskussion präsentierte die Verwaltung einen neuen Beschlussvorschlag.

Am 18.2.2016 wurde einem Beschlussvorschlag zur Fortführung des Verfahrens im Ausschusses für Stadtplanung, Bauwesen, Umwelt und Verkehr (PLUV) nicht zugestimmt. Und die Kita an anderer Stelle gebaut. Nicht erklärt wurde von der Stadtverwaltung, wieso diese Sachverhalte trotz seit dieser Zeit erfolgter erheblicher personeller Veränderungen im Rat der Stadt bis heute in den Beschlussvorlagen nicht vermerkt sind. Und auch an die damals von den Gegnern einer zusätzlichen Bebauung außerhalb und innerhalb der städtischen Gremien angeführten und vertretene Argumente nicht erinnert und eingegangen wird. Auch in der Sitzung des Stadtrates am gestrigen Montagabend (10.2.2025) nicht.

Fast alle Stadtratsmitglieder stimmten am Ende der Einleitung des Bebauungsplanänderungsverfahrens zu. Anders als Karl-Heinz Delaveaux (FWG) der aufgrund neu bekanntgewordener Fakten – erfolglos – eine erneute Beratung im Planungsausschuss (PLUV) der Stadt beantragte.

Immerhin wurde durch die massiven Proteste aus dem Kreis der Anwohner*Innen und Einwohner*Innen der historischen Neustadt bachabwärts erreicht, dass der nach wie vor von vielen im Stadtrat befürwortete Weg über ein „beschleunigtes Verfahren“ nicht gegangen, sondern ein Regelverfahren durchgeführt wird. Die Stadtverwaltung hatte den entsprechenden Antrag der Fraktion Faire Liste aufgegriffen, der von Kay Maleton fachlich kompetent begründet wurde. Auch aufgrund der mehrfach verwaltungsseits gegebenen Zusage, die Hochwasserproblematik werde gutachterlich untersucht, stimmten bei der Schlussabstimmung fast alle Ratsmitglieder der Einleitung des Bebauungsplan-Änderungsverfahren zu.

Anders als Karl-Heinz Delaveaux (FWG). Das erfahrene Ratsmitglied machte geltend, dass vor und in der gestrigen Sitzung so viele neue Sachverhalte und Informationen gegeben wurden, dass eine erneute Vorberatung im Planungsausschuss sinnvoll sei. Seinem entsprechenden Antrag stimmte allerdings kein einziges anderes Ratsmitglied zu. Zuvor hatte Carsten Schittko vom Stadtbauamt erläutert, dass mit dem Wechsel vom „beschleunigten“ zum Regelverfahren ein Zeitverlust von etwa sechs bis neun Monaten verbunden sei. Laut Schittko begründet sich dieser auch darin, dass nun zunächst eine Änderung des Flächennutzungsplanes bewirkt werden müsse.

Und erst dann die Änderung des Bebauungsplanes „Zwischen Ellerbach und Agnesienberg, An der Schleifmühle“ (Nr. 13/6)“ angegangen werden könne. Die Stadt sagte in der Stadtratssitzung zu, dass sich in dem nun gewählten Verfahrensweg nicht nur die Träger öffentlicher Belange, sondern alle Einwohner*Innen mit ihren Bedenken und Anregungen einbringen können. Diese werden sich schwerpunktmäßig mit der Hochwasserproblematik beschäftigen. Die wird von einer wachsenden Zahl von Unterliegern des Bauvorhabens als gewichtig eingeschätzt. Denn die historische Neustadt schrammte schon mehrfach nur um wenige Hochwasser-Zentimeter an einer Überschwemmung vorbei (weitere Beiträge folgen).