Stadt plant sehenden Auges eine Katastrophe

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Claus Jotzo

12. Mai 1725. Nicht ein einziger Quadratmillimeter im Naheland ist alphaltiert oder in anderer Weise für Autoverkehr (den es ja gar mangels Autos nicht gab) versiegelt. Die Siedlungsdichte der Region liegt bei unter 30 Prozent der heutigen Einwohnerzahl. Grund dafür sind u.a. die Spätfolgen der Pestwellen und des 30jährigen Krieges. Aufgrund eines Starkregenereignisses, wie es rund 300 Jahre später die Ahr traf, wälzt sich eine Hochwasserwelle des Gräfen- und des Ellerbaches (nicht der Nahe!) durch das heutige Stadtgebiet. Häuser werden weggeschwemmt, Vieh und Menschen ertrinken.

An guten Tagen führt der Ellerbach an der Lohrer Mühle kaum 30 Zentimeter Wasser. Aber er kann auch meterhoch anschwellen.

Wie dramatisch die Lage damals war, macht noch heute die in der Nikolauskirche am Eiermarkt angebrachte historische Hochwassermarke deutlich. Im Innenraum ist diese im Kirchenschiff dokumentiert. Und in der damals üblichen lateinischen Schrift erklärt. Nach Karl Geib lautet die Übersetzung: „Bis hierhin stieg das Wasser, das vom Himmel infolge eines Wolkenbruchs herabfloss, am Tage der Heiligen Pankratius und Nereus (12. Mai) 1725.“ Die Hochwasserlinie befindet sich in etwa 1,60 Meter Höhe über dem Steinboden des Gotteshauses.

Um zu verstehen, wie gewaltig das ist, muss man sich nur die Bilder der Hochwässer vom Dezember 1993 und Januar 1995 ansehen. Da stand das Hochwasser VOR der Kirche auf deren Stufen. Rund 1,7 Meter tiefer. Ein Hydrologe hat anhand des Geländeprofils den damaligen Wasserstand bis zur westlichen Stadtgrenze mit Rüdesheim nivelliert. In Höhe des heutigen Baubestandes der Lebenshilfe muss das Wasser demnach damals mindestens rund drei (!) Meter hoch gestanden haben. Mitten in diese Fläche hinein, noch näher an das Gewässer heran, als schon die bisherige Bebauung, will die Lebenshilfe weitere Häuser errichten.

Trotzdem die – in vorbildlicher Weise – Ende 2023 veröffentlichten Starkregen- und Hochwasserkarten des Landes die Gefahr nördlich des Agnesienberges anschaulich machen und obwohl die Folgen des Klimawandels in Form stärkerer und häufigerer Niederschläge überall zu sehen sind, wird vom Bad Kreuznacher Stadtbauamt der Neubau mitten in das ursprünglich Bett des Ellerbaches befürwortet. Und beispielsweise die SPD Fraktion unterstützt das Bauvorhaben. Auch weil die Lebenshilfe in der Region traditionell zum Betritt der Sozialdemokraten gehört.

So war die frühere SPD-Bürgermeisterin, das heutige SPD-Stadtratsmitglied Martina Hassel, viele Jahre lang Geschäftsführerin der örtlichen Lebenshilfe. Weil die Sozialdemokraten Klientelpolitik betreiben, unterstützen sie eine absehbare Katastrophe. Beim Ahrhochwasser starben zwölf Bewohner einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung. Die SPD-geführte Landesregierung versprach, dass sich das nicht wiederholen wird und Konsequenzen gezogen werden. Warum werden die örtlichen Sozialdemokraten trotzdem nicht von ihren Mainzer Genoss*Innen gestoppt?