Stadtrat: OB Letz verstößt erneut krass gegen die Geschäftsordnung

Von Claus Jotzo

Neben inhaltlichen Defiziten sind es vor allem verfahrensrechtliche Fehlleistungen, die eine effektivere Stadtratsarbeit verhindern. Ein besonders nachhaltiges Lehrstück wurde in der Sitzung des Gremiums am vorgestrigen Donnerstag (30.1.2025) unter der Regie von Emanuel Letz (FDP) aufgeführt. Der erste Fehler wurde von ihm bereits bei der Erstellung der Tagesordnung gemacht. § 71 („Jugendhilfeausschuss“) des VIIIten Sozialgesetzbuches räumt allein dem JHA ein ausdrückliches Antragsrecht für den Stadtrat ein. Tagesordnungspunkt acht der Stadtratssitzung bezeichnete die zusätzlich geforderten 15,35 Stellen allerdings als „Stellenanmeldungen Jugendamt 2025“.

In der dazu vorgelegten Beschlussvorlage wird der Bezeichnungsfehler zusätzlich auch noch mit der Unterschrift einer dazu nicht befugten Person fortgesetzt. Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses ist das grüne Stadtratsmitglied Juliane Rohrbacher-Staaden. Nicht der Oberbürgermeister. Trotzdem hat Emanuel Letz unterschrieben – nicht die Vorsitzende. Ein krasser Formfehler. Auf die es bei der Stadtverwaltung Bad Kreuznach offensichtlich nur dann anzukommen scheint, wenn Bürger*Innen Fehler machen. Schon eine korrekte Antragstellung ist also gar nicht erfolgt. Was nicht der ehrenamtlich tätigen, sehr engagierten Vorsitzenden Juliane Rohrbacher-Staaden anzulasten ist.

Für die Einhaltung dieser Regeln ist der sitzungsleitende OB zuständig. Und die von den Einwohner*Innen bezahlten bei der Stadtverwaltung tätigen Jurist*Innen. Eine davon war in der Stadtratssitzung persönlich anwesend: Stadtrechtsdirektorin Marion Kruger. Natürlich könnte in solchen Fällen auch die Geschäftsleitung der Stadtverwaltung, Nathalie Herberger, hilfreich eingreifen. Immerhin ist diese eine der bestbezahltesten Personen bei der Stadt und bekam den Spitzenposten aufgrund ihrer durch Masterabschlüsse („moderne Verwaltungsführung“) nachgewiesen Qualifikation. Auch Nathalie Herberger war anwesend. Beide Mitarbeiterinnen verhinderten aber auch die weiteren Verfahrensfehler nicht.

Diese hat OB Letz bei der Abstimmung über den Tagesordnungspunkt „Stellenanmeldungen Jugendamt 2025“ verwirklicht. Obwohl das Ratsmitglied Birgit Ensminger-Busse (CDU) einen Kompromissvorschlag vorgestellt und einen entsprechenden Antrag formuliert hat, wurde dieser entgegen der gesetzlichen Vorschrift nicht als Änderungsantrag behandelt. Emanuel Letz ließ – trotz Widerspruch aus dem Stadtrat – zunächst über den unveränderten Antrag des JHA abstimmen. Die abenteuerliche, rechts- und sachwidrige Begründung des OB: „der ist weitergehender“. Damit hat der OB einmal mehr seine Unkenntnis verfahrensrechtlicher Vorschriften für Gremiensitzungen offengelegt.

Denn die Frage, welcher Antrag weitergehend ist, spielt allein dann eine Rolle, wenn ÄNDERUNGSANTRÄGE zu einem Sachantrag, Tagesordnungspunkt oder Verwaltungsvorschlag gestellt werden. Wer der deutschen Schriftsprache einigermaßen mächtig ist, kann dies auf der Stadtseite nachlesen. In der Geschäftsordnung des Stadtrates. Dort ist in § 24 („Reihenfolge der Abstimmung“), Ziffer 3 normiert: „Über Änderungsanträge ist vor den Hauptanträgen abzustimmen“. Emanuel Letz hat das verhindert. Über den Ensminger-Busse-Antrag ließ er erst abstimmen, als der angeblich vom JHA gestellte Antrag bereits abgelehnt war. Womit ein weiterer, eigenständiger formaler Fehler verwirklicht wurde.

Denn mit der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses war der Tagesordnungspunkt „Stellenanmeldungen Jugendamt 2025“ erschöpfend abgehandelt. Da der Ensminger-Busse-Antrag nicht als gesonderter Punkt auf der Tagesordnung stand, gab es gar keine verfahrensrechtliche Basis, über diesen gesondert abzustimmen. Im übrigen gilt: wer – wie der JHA – das Recht zur Stellung von Anträgen hat, die auf die Tagesordnung zwingend aufzunehmen sind – wie die von Stadtverwaltung und Fraktionen – muss sich selbstredend auch an die einschlägigen Bestimmungen von Gemeindeordnung und Geschäftsordnung halten. Letzte regelt das in § 15 („Sachanträge“), Ziffer 2, ganz eindeutig:

„Anträge, die im Falle ihrer Annahme mit Ausgaben verbunden sind, die im Haushaltsplan nicht eingestellt sind oder die eine Erhöhung der Haushaltsansätze zur Folge haben würden, müssen gleichzeitig einen rechtlich zulässigen und tatsächlich durchführbaren Deckungsvorschlag enthalten“. Da die Stellenmehrung ohne jede Frage mit (in diesem Fall sechsstelligen) Mehrausgaben verbunden ist, hätte der Jugendhilfeausschuss also angeben müssen, woher das Geld für seinen Antrag kommen soll. Und etwa Steuererhöhung vorschlagen müssen. Darum haben sich die dort verantwortlichen Ausschussmitglieder elegant herumgedrückt.

Weil es natürlich viel leichter ist (auch berechtigte) Forderungen aufzustellen, als der Bevölkerung zu erklären, wo im Gegenzug der Gürtel enger geschnallt werden muss. Diese bequeme Forderungs-Politik ist eine der Ursachen für die Krise des politischen Systems in Deutschland und auch der hiesigen Kommunalpolitik. Für mich ist unverständlich, warum die Juristen im Stadtrat, etwa Dr. Helmut Martin (CDU) und Christoph Anheuser (FDP) dem OB nicht helfen. Und so Schaden von der Stadt abwenden und den Ablauf von Sitzungen beschleunigen. Wäre der Zusatzstellen-Antrag angenommen worden, hätte die ADD den Beschluss wegen der Formfehler aussetzen müssen. Und in Trier hätte wieder einmal jeder gewusst: nicht einmal das können sie in Bad Kreuznach.

Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) – § 71 Jugendhilfeausschuss, Absatz 4 im Wortlaut:

„Er hat … das Recht, an die Vertretungskörperschaft Anträge zu stellen“.