Zusammengefasst und kommentiert von
Claus Jotzo
Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen. Anfang Januar 1945 lag Bad Kreuznach in Trümmern. Bei zwei schweren Bombenangriffen am 25.12.1944 und am 2.1.1945 starb nicht nur eine dreistellige Zahl von Einwohner*Innen. Von etwa 3.500 Wohnhäusern mit rund 8.300 Wohnungen waren 1.800 Häuser mit 4.300 Wohnungen komplett oder mindestens zu 50 Prozent zerstört. Wohnraum schaffen war daher eine Kernaufgabe der lokalen Nachkriegspolitik. Mit diesem Ziel wurde die Gewobau GmbH gegründet. Und hat die Aufgabe auch erfolgreich bewältigt.

In den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren entstanden hunderte günstige Mietwohnungen. Als dann das Versagen der Kommunalpolitik, auch ermöglicht durch das Desinteresse breiter Bevölkerungskreise, in den neunziger Jahren zur ersten massiven Finanzkrise der Stadt führte, erfolgte nicht nur der Ausverkauf städtischen Bürgervermögens in Form der Stadtwerke. Sondern auch die Umnutzung der Gewobau von einer Wohnungsbaugesellschaft zum Resteverwerter lokaler Entscheidungen. Um statt zu sparen weiter mit Spendierhosen durch die Stadt spazieren zu können, beschlossen die Kommunalpolitiker*Innen die Übertragung orginärer Stadtaufgaben an die Gewobau.

Um Kasse zu machen und die Löcher im Stadthaushalt zu stopfen, wurden etwa die städtischen Grundstücke am Galgenberg an die Gewobau verkauft. Mit dem Auftrag dort das Wohngebiet „In den Weingärten“ zu entwickeln. Dabei lief einiges schief. Ob die Entwässerung der Hanglage das nächste Starkregenereignis schadlos bewältigt und übersteht, wird von Fachleuten sehr bezweifelt. Und auch mit der Erschließung des dritten Bauabschnittes gibt es bis heute nicht abschließend gelöste Probleme. Aber weil all das in der träge-faulen Bevölkerung kaum Reaktionen auslöste und kritische Ratsmitglieder null Unterstützung erfuhren, ging der Missbrauch der Gewobau ungehemmt weiter.

Immer wenn im Rat der Stadt eine neue Idee aufkam oder ein bautechnisches Problem aufploppte, wurde das wie eine heiße Kartoffel an die Gewobau weitergereicht. So kam diese in den Besitz des Planiger Rathauses und weiterer Immobilien. Und musste eine Kita bauen, die an die Stadt vermietet wurde. Um bei Kommunalwahlen Stimmen einzufangen, wurde etwa für das Wohngebiet im Südosten der Stadt ein Funktionsgebäude im Bürgerpark geplant. Wer sollte das bauen? Natürlich die Gewobau. Alles Themen, die mit deren Gründungszweck gar nichts zu tun haben. Und angesichts der von der Stadt selbst behaupteten Wohnungsnot in Bad Kreuznach die Wohnungsbaugesellschaft von ihrer eigentlichen Kernaufgabe ablenkte.
Die nächste der Gewobau zugemutete Resteverwertung im wortwörtlichen Sinne steht auf der Tagesordnung der morgigen Stadtratssitzung am 30.1.2025. Natürlich im nichtöffentlichen Teil. Nach dem Motto, „was die Menschen nicht wissen, kann diese nicht verdrießen“, werden einmal mehr wichtige Informationen vor der Öffentlichkeit versteckt. Schon vor rund acht Jahren hat das Ordnungsamt das Dienstgebäude am Eiermarkt verlassen, das seit dem leer steht. Jahr für Jahr plapperten die Kommunalpolitiker*Innen davon, die Stadt müsse eine neue Nutzung finden. Oder eine privaten Investor. Passiert ist nichts. Aufgrund der aktuellen Haushaltskrise hat sich der Entscheidungsdruck deutlich erhöht.
Bei einem Minus von mindestens 20 Millionen Euro in 2024 und einem für dieses Jahr geplantem Defizit in ähnlicher Höhe kann der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) nicht länger erklärt werden, wieso für viele Jahre nicht mehr genutzte städtische Immobilien erhebliche Unterhaltungs- und Sicherungskosten verausgabt werden. Der Vorschlag von Oberbürgermeister Emanuel Letz ist daher: die Häuser Eiermarkt 14 und Poststraße 11 im Paket an die Gewobau verkaufen. Soll die doch sehen, was sie daraus macht. Die CDU-Stadtratsfraktion hat darauf mit einem eigenen Alternativvorschlag reagiert.
Die Christdemokraten wollen eine „Markterkundung zur Ermittlung etwaiger Interessenten für einen Erwerb und eine anschließende Entwicklung der Liegenschaften Eiermarkt 14 und Poststraße 11“ durchführen. Auch wenn das im entsprechenden Antrag leider so nicht steht, lässt dieser Vorschlag nur einen Schluss zu: die CDU möchte die Gewobau (endlich) vom Resteverwerter wieder zu einer Wohnungsbaugesellschaft machen. Verwaltungsinterne Schockwellen dürfte der Zeitplan ausgelöst haben, den die CDU in diesem Zusammenhang formuliert hat: „dazu soll die Verwaltung innerhalb von 10 Tagen nach diesem Ratsbeschluss“ tätig werden.
Bedenkt man, dass allein die Ausarbeitung der Ausschreibung für die im Besitz der Stadt befindliche Gaststätte der Planiger Nahetalhalle über ein Jahr gedauert hat, erscheinen „10 Tage“ – für die örtlichen Verhältnisse – vollkommen unrealistisch. Aber im Interesse der Sache natürlich nachvollziehbar. Zutreffend hat die CDU erkannt, dass die Häuser „seit Jahren ohne Nutzung bzw. sogar in einem auf die Umgebung nachteilig ausstrahlenden Zustand (Poststraße 11)“ sind. „Eine weitere Verzögerung der seit mehreren Jahren stillstehenden Entwicklung ist ebenso zu vermeiden wie eine vorzeitige Festlegung auf eine die weitere Entwicklung der historischen Neustadt einseitig prägende Planung“, meint die CDU.
Der Antrag der CDU-Stadtratsfraktion vom 2.1.2025 im Wortlaut:
„Markterkundung zur Ermittlung etwaiger Interessenten für einen Erwerb und eine anschließende Entwicklung der Liegenschaften Eiermarkt 14 und Poststraße 11
Der Stadtrat möge beschließen: Es soll unverzüglich ein Markterkundungsverfahren durchgeführt werden mit dem Ziel, Kenntnis darüber zu erlangen, ob ernsthaftes Interesse am Erwerb der städtischen Liegenschaften Eiermarkt 14 und Poststraße 11 besteht und welche Vorstellungen für die Entwicklung der Liegenschaften dabei verfolgt werden. Dazu soll die Verwaltung innerhalb von 10 Tagen nach diesem Ratsbeschluss eine kurze und rein sachlich gehaltene Beschreibung der Objekte mit den vorliegenden marktrelevanten Informationen und Kennzahlen erstellen und innerhalb von weiteren drei Wochen potenziell interessierte Marktteilnehmer auf ein mögliches Erwerbsinteresse ansprechen.
Dabei soll auch erfragt werden, welche Nutzungskonzepte präferiert würden und welche Realisierungszeiträume jeweils für realistisch gehalten werden. Außerdem soll eine Kaufpreisindikation abgefragt werden. Bei Bedarf sind zudem Objektbesichtigungen zu vereinbaren und ergänzende Informationen verwaltungsseitig zur Verfügung zu stellen mit dem Ziel, etwaige Interessenten in die Lage zu versetzen, eine grundsätzliche Investitionsentscheidung zu treffen. Grundlage aller Gespräche mit potenziellen Investoren ist, dass beide Liegenschaften nur zusammen abgegeben werden.
Über dieses Vorgehen soll zudem umgehend eine Pressemitteilung verteilt werden, um ein möglichst breites und fundiertes Bild zur Markteinschätzung zu erhalten. Für die Dauer dieser Markterkundung, zunächst für drei Monate, sollen alle anderen Verkaufsmaßnahmen zurückgestellt werden. Abhängig von Verlauf und Zwischenergebnissen der Markterkundung soll über das weitere Vorgehen entschieden werden.
Begründung: Den genannten Liegenschaften kommt für die Entwicklung der historischen Neustadt eine große Bedeutung zu, weil sie den Eiermarkt als zentralen Platz dieses Quartiers und seine unmittelbare Umgebung wesentlich mit prägen. Gleichwohl sind die Objekte seit Jahren ohne Nutzung bzw. sogar in einem auf die Umgebung nachteilig ausstrahlenden Zustand (Poststraße 11). Daher besteht die Überlegung, beide Objekte an die Gewobau GmbH zu veräußern, die nach entsprechender Planung ihrerseits Ankaufinteresse bestätigt hat und dort geförderten Wohnraum erstellen möchte.
Wegen der großen Bedeutung der künftigen Nutzung auch für die Entwicklung des gesamten Eiermarkts soll jedoch vor einer so richtungsweisenden Weichenstellung belastbar geklärt werden, welche Entscheidungsalternativen bestünden. Dazu dient das vorgeschlagene Markterkundungsverfahren mit klarem Zeitplan. Eine weitere Verzögerung der seit mehreren Jahren stillstehenden Entwicklung ist ebenso zu vermeiden wie eine vorzeitige Festlegung auf eine die weitere Entwicklung der historischen Neustadt einseitig prägende Planung. Mit freundlichen Grüßen Manfred Rapp Dr. Helmut Martin Helmut Kreis“