Ein Blick hinter die kommunalen Kulissen von
Claus Jotzo
Die Zukunft der Stadtpolitik Bad Kreuznachs wird auf Hackenheimer Gemarkung vorbereitet: für den Freitag dieser Woche hat der FDP-Stadtratsfraktionsvorsitzende Werner Lorenz die Fraktionsvorstände von CDU und SPD zu Koalitionsverhandlungen eingeladen. Um 17 Uhr. Auf den Bonnheimer Hof. Der liegt bekanntermaßen im Beritt der südlichen Nachbargemeinde. Und wird seit vielen Jahren erfolgreich von der Lorenz-Familie bewirtschaftet. Eine Koalition von CDU (12 Sitze), SPD (8 Sitze) und FDP (5 Sitze) hätte unter Berücksichtigung der Stimme von Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) bei Sachentscheidungen mit 26 von 45 Stimmen eine klare Mehrheit.

Politische Beobachter sind von dem Lorenz-Vorstoss nicht überrascht. Während es der früheren Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer (SPD) regelmäßig gelang, im offenen Stadtrat Mehrheiten zu organisieren, scheitert Emanuel Letz aus vielen Gründen seit zweieinhalb Jahren immer wieder mit von ihm und der FDP vertretenen Anträgen. Daher ist klar, dass Letz‘ liberale Parteifreunde sehr an einer Koalition interessiert sind. Auch das Interesse der SPD ist nachvollziehbar. Deren Fraktionsvorsitzende Dr. Claudia Eider interessiert sich unverhohlen für die Schlosser-Nachfolge als Beigeordnete der Stadt. Von der sozial-liberalen Interessensfront daher heftig umworben:

Die Christdemokraten. Die auf dem Papier kein großes Bedürfnis an den sich aus einer Koalition ergebenden Verpflichtungen haben. Seit dem Scheitern der letzten Koalition aus SPD und CDU in der vorvergangenen Ratsperiode hat sich die CDU inhaltlich und personell in vielen Entscheidungen durchgesetzt. Etwa bezüglich der Abgabe der wirtschaftlichen Jugendhilfe des Stadtjugendamtes an den Kreis. Und der Abschaffung des Tourismusbeitrages (auch wenn das beides FWG-Anträge waren, die aber von der CDU entscheidende Unterstützung hatten). Dazu unzählige weitere Einzelentscheidungen, die von der CDU-Fraktion ermöglicht wurden.
Markus Schlosser kam Anfang 2018 auf Vorschlag der CDU ins Amt. Bürgermeister Thomas Blechschmidt wurde 2021 von den Christdemokraten gegen Amtsinhaber Wolfgang Heinrich und einen grünen Bewerber ins Amt gebracht. Trotzdem gibt es in der CDU-Stadtratsfraktion eine große Sympathie für eine Koalition. Denn eine solche mindert den Druck auf die eigene Truppe. Gegen Kritik aus der Bevölkerung kann man sich hinter einer breiten Mehrheit verstecken. Verantwortlichkeiten lassen sich leichter vertuschen. Zudem ermöglicht eine Koalition die Verlagerung von noch mehr Entscheidungen in Hinterzimmer. Motivation dazu: um so weniger die Bürgerschaft weiß, um so weniger Ärger gibt es.
Natürlich gibt es innerparteilich aber auch Kritiker. „Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund“, bewertet etwa ein erfahrener Christdemokrat ohne Mandat die FDP-Einladung. Auch der Umstand, dass wieder einmal die Postenverteilung begonnen hat, bevor ein Lösungspaket für die drängenden Sachthemen auch nur auf dem Papier steht, ärgert einige CDU-Mitglieder. Denn im Gegenzug dafür, dass der hauptamtliche Beigeordnetenposten an die SPD geht, sollen CDU und FDP je einen ehrenamtlichen Beigeordneten erhalten. „Die CDU verkauft sich wieder einmal viel zu billig“, ist eine von mehreren negativen Einschätzungen aus der Mitte der Partei.
Nicht am Postengeschacher beteiligen möchte sich Birgit Ensminger-Busse. Die kritische CDU-Ratsfrau war erst im Sommer vergangenen Jahres zur neuen Ortsvorsteherin in Bad Münster am Stein / Ebernburg gewählt worden. Und lehnte durch diese Aufwertung bestärkt das parteiinterne Angebot, Kulturdezernentin zu werden, selbstbewusst dankend ab. Sicherlich auch, weil sie aus der langjährigen Mitarbeit im Kulturausschuss weiß, dass sie mit diesem Posten angesichts der Haushaltslage und der fehlenden Bereitschaft im Stadtrat, auch nur einen Bruchteil der Subventionen etwa des Bäderbereiches für Kunst und Kultur auszugeben, zur reinen Grüss-Augusta degradiert worden wäre.