Gerhard Merkelbach: die Stadt kann sich eine Landesgartenschau nicht leisten

Beobachtet und berichtet von Claus Jotzo

Im gerade zu Ende gegangenen Jahr hat die Stadt Bad Kreuznach ein Minus von mindestens 18 Millionen Euro gemacht. Ähnlich gross ist das Defizit, das sich – trotz Steuererhöhungen – für den Stadthaushalt 2025 abzeichnet. Trotzdem hat eine Mehrheit im Stadtrat auf Vorschlag von Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) am 29.2.2024 beschlossen, dass die Stadt sich um die Veranstalterrolle der Landesgartenschau 2032 bewirbt. Weil das Stadtbauamt nach eigenen Angaben mit der Ausarbeitung einer Bewerbung überfordert wäre, hat der OB vorgeschlagen, ein Spezialbüro damit zu beauftragen. Die Kosten laut Stadtbauamt damals „ca. 100.000 €“.

Eine Landesgartenschau hört sich nicht nur gut an. Sie kommt auch bunt und schick daher. Vor lauter oberflächlicher Begeisterung geht dann schnell vergessen, dass sich die Stadt Bad Kreuznach das gar nicht leisten kann (Bild Wikipedia von der Landesgartenschau 2000).

Der Landeszuschuss beträgt lediglich 10.000 €. Dafür verlangt Mainz einiges. So müssen in der Bewerbung ein „städtebauliches Entwicklungskonzept“ samt vorgeprüfter planungsrechtlicher Belange enthalten sein, zudem werden „Finanzierungs- und Zeitpläne“ verlangt, auch Nachnutzungskonzepte, die Erläuterung inhaltlicher Schwerpunkte gehört selbstredend dazu, wie auch eine Bürgerbeteiligung (Drucksachennummer 24/032-1). Ihr vehementes Eintreten für eine Landesgartenschau begründet die Verwaltung wie folgt. Diese könne „als Motor für die Stadtentwicklung angesehen werden, mit welcher die weichen Standortfaktoren in Bad Kreuznach ausgebaut und gestärkt werden können.

Im Februar 2024 hatte die Beschlussvorlage für die Bewerbung um eine Landesgartenschau noch die Drucksachen-Nummer 24/032-1. Und es wurde eine Beratungsfolge angegeben.
Nur sieben Monate später wurde für die Beratung der selben Sache am 3.9.2024 die neue Drucksachennummer 24/246 verwendet. Und keinerlei alte Beratungen angegeben.

Ziele könnten die Stärkung der Innenstadt als Wohn- und Geschäftsstandort, die Förderung des Tourismus sowie die Verbesserung der städtischen Klimaresilienz sein. Auf Anregung des Ausschusses für Stadtplanung, Bauwesen, Umwelt und Verkehr wird der Ippesheimer Weiher ergänzend auf seine Eignung untersucht“. Die Entscheidung über die Auftragsvergabe fiel am 3.9.2024 in der Sitzung des Ausschuss für Stadtplanung, Bauwesen, Umwelt und Verkehr (PLUV). Am 9.6.2024 fand bekanntlich die Kommunalwahl statt. In der Folge wurden einige neue Köpfe in den Stadtrat gewählt. Für diese wäre eine Information über die zuvor gefassten Beschlüsse besonders wichtig.

Um das so schwer wie möglich zu machen, erhielt das exakt selbe Vorhaben erst mal eine neue amtliche Drucksachennummer: 24/246. Wer die ins Recherchesystem des Ratsinformationssystem eingibt, dem werden die früheren, vorstehend zitierten Beschlussvorlagen nicht angezeigt. Um ganz sicher zu gehen, dass diese in der Sitzungsvorbereitung nicht gelesen werden, wurden sie in der Beschlussvorlage im September unter „Beratungsfolge“ schlicht verschwiegen. Eine weitere, erhebliche Veränderung besteht hinsichtlich der Kosten. Die stiegen in gut sechs Monaten von 100.000 € auf 162.435 €. Also um über 62%.

Ohne jedes Wort der Erläuterung, wie es zu dieser Kostenexplosion – oder der viel zu niedrigen Verwaltungsschätzung vom Februar – kommen konnte. Natürlich war diese nicht deshalb so realitätsfern angesetzt, weil das Stadtbauamt unbedingt eine Zustimmung der Gremien bewirken wollte. Ein Schelm, wer so was denkt. In der Sitzung des PLUV Anfang September votierten nur wenige Rats- und Ausschussmitglieder gegen die Ausgabe. Manfred Rapp, der CDU-Fraktionsvorsitzende, merkte immerhin kritisch an, dass „wir 160.000 Euro ausgeben für eine Landesgartenschau, die vielleicht gar nicht stattfindet“. Und enthielt sich bei der Abstimmung der Stimme.

Jörg Fechner, der AfD-Fraktionsvorsitzende verhielt sich da schon konsequenter. Und redete nicht nur gegen das Vorhaben, sondern stimmte mit Nein. Anders als die Mitglieder von SPD, Grünen und FDP, die begeistert für die Ausgabe die Hände hoben. Gerhard Merkelbach, der Fraktionsvorsitzende der Liste faires Bad Kreuznach, machte seine Bedenken von Anfang an deutlich. Denn die Veranstaltung einer Landesgartenschau zwingt zu Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe. Die Zuschüsse des Landes sind deutlich niedriger, als die Kosten. Weshalb ein Defizit in mindestens siebenstelliger Grössenordnung schon jetzt absehbar ist.

Gerhard Merkelbach ist nach dem vor vier Monaten gefassten Beschluss nicht zur Tagesordnung übergegangen. Sondern erinnert in einer der tourismusbeitrag-so-nicht.de-Redaktion am 3.1.2025 zugegangenen Stellungnahme an den Beschluss für eine Landesgartenschau. Darin wirft das Stadtratsmitglied neben anderen zwei relevante Fragen auf: „was hätten die Bad Kreuznacher Bürger von einer Landesgartenschau? Könnte die Stadt in der Zeit nach der Landesgartenschau überhaupt die anschließende Pflege der Grünanlagen leisten?“ Wenn man das Versagen der Stadt auf der „Schanz“ an der historischen Stadtmauer beim Casinogarten sieht, ist die Antwort auf die zweite Frage klar: nein.

Die Stellungnahme von Gerhard Merkelbach zur Bewerbung der Stadt um eine Landesgartenschau vom 3.1.2025 im Wortlaut:

„Sehr geehrte Damen und Herren der Presse, unsere Stadt beteiligt sich am Bewerbungsprozess für die siebte rheinland-pfälzische Landesgartenschau, die 2032 in Bad Kreuznach stattfinden könnte. Im September 2024 wurde ein Kölner Landschaftsarchitekt mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt, die 162.000 Euro kosten soll. Schade um das viele Geld! Denn die wichtigsten Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Durchführung einer Landesgartenschau ergeben, müssten die Stadt und ihre Kommunalpolitiker eigentlich selbst beantworten können: Verfügt Bad Kreuznach überhaupt über genug zusammenhängende Flächen, um eine Landesgartenschau zu etablieren?

Welche Verkehrsführung wäre für die Besucherströme möglich, damit der ohnehin schon überlastete innerstädtische Verkehr nicht noch mehr ins Chaos gestürzt wird? Welche Kosten blieben am Ende an der Stadt hängen? Was hätten die Bad Kreuznacher Bürger von einer Landesgartenschau? Könnte die Stadt in der Zeit nach der Landesgartenschau überhaupt die anschließende Pflege der Grünanlagen leisten? Wenn ich mir den teils sehr bescheidenen Pflegezustand der vorhandenen Grünanlagen in Bad Kreuznach ansehe, muss ich doch sehr bezweifeln, dass die Stadt überhaupt in der Lage wäre, das viel größere Landesgartenschaugelände in den Folgejahren zu pflegen.

Auch deshalb lehne ich ab, dieses ehrgeizige Projekt voranzutreiben, das Bad Kreuznach zweifellos überfordern würde. Am Ende wird dann der Stadtrat gezwungen sein, zur Finanzierung der zusätzlichen Kosten die Grund- und Gewerbesteuern weiter anzuheben, was allen Bürgerinnen und Bürgern sowie allen Unternehmen vermeidbare Belastungen aufbürden würde. Um das zu wissen, braucht man keinen externen Gutachter, sondern muss nur honorarfrei den gesunden Menschenverstand bemühen. Gerhard Merkelbach, Mitglied des Stadtrates“

Das Geplapper von der Landesgartenschau ist nichts anders als die Assistentin eines Illusionisten

Kommentiert von Claus Jotzo

Für das aktuelle finanzielle Chaos bei der Stadt ist Oberbürgermeister Emanuel Letz nur zum Teil persönlich verantwortlich. Geerbt hat er einige Altlasten von seiner Amtsvorgängerin. Eine erhebliche Mitschuld tragen seine liberalen Parteifreunde in der Mainzer Ampel und der Ex-Bundes-Ampel. Und dann ist da natürlich der Stadtrat, der mehrheitlich leider nicht langfristige Bürgerinteressen vertritt. Sondern kurzfristige parteipolitische Wichtigtuereien betreibt. Aber: auf all das hätte Emanuel Letz hinweisen können und müssen. Das macht der OB aber nicht. Und sich u.a. damit mitschuldig.

Welche Rolle dabei die Bewerbung der Stadt um eine Landesgartenschau spielt? Zirkus-Gäste, die Zuseher*Innen einschlägiger Zaubershows im Fernsehen und Kinobesucher*Innen, die etwa den Hollywood-Blockbuster „Die Unfassbaren – Now You See Me“ gesehen haben, kennen die Antwort: das schon aus finanziellen Gründen perspektivlose Geplapper von einer Landesgartenschau in Bad Kreuznach ist nichts anders, als die Assistentin eines Illusionisten. Mit der oberflächlich schönen Idee soll von den vielen höchst unerfreulichen kommunalpolitischen Baustellen abgelenkt werden: hinter dem Rücken der Bevölkerung wurden zum 1.1.2025 erneut die Trinkwasserpreise erhöht.

Die Grundsteuer für viele Ein- und Zweifamilienhäuser steigt zigfach schneller als die Inflationsrate. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer brechen dramatisch ein. Es implodiert der Stadt-Konzern. Die städtischen Bäder sind wie das Bosenheimer Freibad bereits geschlossen oder stehen vor dem Aus. Kein Witz: laut Entwurf für den Stadthaushalt 2025 soll das Pflegeniveau der bestehenden Grünflächen weiter gesenkt werden. Weil an allen Ecken und Enden das Geld fehlt. Übrigens. Was die Stadtverwaltung den Entscheidungsträger*Innen im letzten Jahr nicht verraten hat – und diese leider nicht aus eigenem Antrieb recherchiert haben:

Die letzten Landesgartenschauen sind beileibe keine Erfolgsgeschichten. Die in Landau (2015) war ursprünglich für 2014 geplant. Wurde aber wegen zahlreicher Bombenblindgängerfunde aus dem II. Weltkrieg um ein Jahr verschoben. Die für das Jahr 2022 in Bad Neuenahr-Ahrweiler geplante Landesgartenschau wurde zunächst aufgrund der COVID-19-Pandemie auf 2023 verschoben. Und wegen der Flutkatastrophe an der Ahr im Juli 2021 dann ganz abgesagt. Mit einer bemerkenswerten Begründung: „die für die Gartenschau eingeplanten finanziellen und personellen Ressourcen werden für den Wiederaufbau der Stadt benötigt“. Hinweis:

Bad Kreuznach ist schon ohne Flutkatastrophe pleite. Fürs kommende Jahr war die Landesgartenschau in Neustadt an der Weinstrasse vorgesehen. Auch die wurde verschoben. In den Sommer 2027. Im Frühjahr 2026 wird ein neuer rheinland-pfälzischer Landtag gewählt. Ob es nach über 30 Jahren SPD-geführter Landesregierungen dann überhaupt noch eine Landesgartenschau geben wird, ist vollkommen offen. Die mindestens 162.000 Euro und viele hundert wertvolle Arbeitsstunden der Stadtverwaltung sind dann ohne jeden werthaltigen Effekt verplempert. Gerhard Merkelbach hat vollkommen recht: um all das zu wissen, braucht man keinen 162.000 Euro teuren Gutachter. Da muss man nur lesen können.