denk-mal e.V. deckt auf: Stadtverwaltung täuschte die Öffentlichkeit

Beobachtet und kommentiert von Claus Jotzo

Am 20.2.2024 veröffentlichte tourismubeitrag-so-nicht.de die ersten Bilder vom Kahlschlag auf der Wehr-Schanze an der historischen Stadtmauer unterhalb des Casinogartens. Rund 2.000 Quadratmeter Bäume und Buschwerk waren wenige Tage zuvor unter Einsatz vom schwerem Gerät abgeholzt worden. Inklusive Teile der Grasnarbe wurde alles entfernt, was vorher grün war. Auf Anfrage teilte die Stadtverwaltung dazu zunächst schriftlich mit, „die Baumfällungen bzw. Rodungsarbeiten auf der Schanze („Schmerz’scher Garten“) und im Böschungsbereich waren ausschließlich aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht notwendig. Dies wird auch ausdrücklich von Herrn Oberbürgermeister Letz unterstützt“.

 

Kaum ein Grashalm überlebte auf der „Schanz“ die massive Abholzaktion der Stadt.

Später ergänzte die Stadtverwaltung ihre Darstellung um die Erzählung, die Maßnahme sei mit der fachlich zuständigen Behörde, der Kreisverwaltung Bad Kreuznach, abgestimmt gewesen. Weil die behauptete „Verkehrssicherungspflicht“ im augenfälligen Widerspruch zu der Tatsache steht, dass die Fällmaschinen die ersten und bis heute einzigen automobilen Gäste auf der Kahlschlag-Fläche waren, bemühte sich (als leider einzige Stadtratsgruppierung) die Fraktion Faire Liste / BüFEP (Gerhard Merkelbach und Wilhelm Zimmerlin) um Sachaufklärung. Von der grünen Stadtratsfraktion gabs Ende Februar 2024 lediglich eine die brutale Baumfällaktion verharmlosende Presseerklärung.

Darin schreiben die Stadtratsmitglieder Andrea Manz und Hermann Bläsius wörtlich: „die nunmehr erfolgten Auskünfte der Stadtverwaltung zum Vorhaben auf der Schanze lassen hoffen: das Gelände soll der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, und – in den Kontext der Stadthistorie eingebettet – die Gartenkultur in den Fokus nehmen. Dies stünde Bad Kreuznach als Kurstadt sehr gut zu Gesicht“. Wie verlogen diese Darstellung ist, kann man daran erkennen, dass die selben Grünen bis heute weder im Ausschuss für Stadtplanung, Bauwesen, Umwelt und Verkehr (PLUV) noch im Stadtrat irgendeine Initiative eingebracht haben, um dem „Vorhaben auf der Schanze“ auch nur einen Schritt näher zu kommen.

Richtig ist, dass die Grünen in den beiden entscheidenden Sitzungen des PLUV, in dem die Haushaltsansätze für 2025 und darüber hinaus gehende Investitionsvorhaben diskutiert wurden, nullkommanichts in diese Richtung beantragt haben. Und somit der Kahlschlag ohne jede konstruktive Folge bleibt. Erinnern wir uns. Als ein Investor in der Bad Münsterer Kurhaussstrasse drei per Bebauungsplan geschützte Bäume im Sinne der Gewinnmaximierung rechtswidrig fällte, haben sich die Grünen und andere selbsternannte Umweltschützer rhetorisch aufgeblasen, wie nordamerikanische Ochsenfrösche. Aber schon um die Höhe der in diesem Fall festgesetzten Ordnungsgelder haben sich die Grünen nicht mehr engagiert gekümmert.

Da musste Manfred Rapp (CDU) mehrfach nachfragen. Ebensowenig haben sich diese Grünen darum gekümmert, was dort Jahre später vor einigen Monaten endlich an Ersatzpflanzungen erfolgte. Ein paar kümmerliche Bäumchen, die Jahrzehnte brauchen werden, bis sie alle zusammen auch nur in die Nähe der ökologischen Bedeutung der gefällten Baumriesen kommen. Dagegen gab es kein Wort des Protestes. Denn damit hätte man sich ja nicht mit dem für die Öffentlichkeit anonymen Investor angelegt, sondern mit den politisch Verantwortlichen in der Stadt, die dieses ökologische Ersatzpflanzungs-Desaster zugelassen haben. Weil die Grünen dort auf Pöstchen hoffen, kam Kritik in diese Richtung nicht in Frage.

Beim Umgang mit dem Kahlschlag auf der Schanze wurde die grüne Doppelmoral in all ihrer Pracht deutlich: die Baumfällungen im Salinental werden kritisiert, weil dort damit der Autoverkehr verbessert werden soll. Das Abholzen auf der Schanze wird mit „Gartenkultur“ gerechtfertigt. Damit spekulieren die Grünen zudem noch in politisch unverantwortlicher Weise auf das schlechte Gedächtnis der Einwohner*Innen. Und integrieren sich in die gesellschaftszersetzende Ankündigungskultur oberflächenorientierter Teile der Politik. Denn wie in Bad Kreuznach tatsächlich mit versprochenen Aufwertungen in Sachen Gartenkultur umgegangen wird, kann sich jede(r) im Stadtbild tagtäglich ansehen.

Etwa am Zerfall einzelner Projekte von „Essbares Bad Kreuznach“. Eine Idee, die begeistert(e). So wie die vom Weltfrieden. Und angesichts von Gier und Verblendung ebenso unrealistisch ist. Am Anfang in der Öffentlichkeit als das Nonplusultra fortschrittlicher Stadtkultur hochgejazzt, mit viel Spenden- und Steuergeld einige Zeit am Leben erhalten – und dann an der Realität gescheitert. Leider. Aber absehbar. Ein weiteres Beispiel kann im Schlosspark an der Mauer zur Dessauer Strasse besichtigt werden. Dort wurde – ebenfalls mit viel öffentlichem Tamtam – auf dem Gelände der früheren städtischen Gärtnerei ein Gartenprojekt auf den Weg gebracht.

Erst versiegte dort das öffentliche Interesse. Und nachdem keine Presseberichte mehr erschienen, liess – zufälliger Weise? – auch das ehrenamtliche Engagement schlagartig nach. Wie es heute aussieht? Einfach mal vorbeischauen… Statt sich um die Wiederbelebung dieser beiden Projekte zu kümmern und damit ein ehrliches und nachhaltiges Interesse zu beweisen, wird von den Grünen in Sachen Schanze – weil sich das öffentlich viel besser vermarkten lässt – „die nächste Sau durch Dorf getrieben“. Sei es als „Stadtbalkon“. Sei es als Wiederauferstehung des „Schmerz’schen Gartens“. Über den es weniger Dokumente gibt, als über den Bau des „Ebernburger Turmes“.

Der einige hundert Jahre alte Teil der Stadtmauer wurde vor mehr als zwei Jahren bei den Arbeiten auf der Baustelle Salinenstrasse Ecke Schlosstrasse wiederentdeckt. Und ist längst für die Fundamente des zwischenzeitlich in Insolvenz gegangenen Grossprojektes platt gemacht worden. Ohne jeden Widerspruch der Grünen. Das sind die selben Grünen, die im Februar 2024 die Abholzung einer jahrzehntelang vollkommen unberührten Innenstadtgrünfläche schönredeten mit der Behauptung, auf diese Weise würde diese „in den Kontext der Stadthistorie eingebettet“. So wie der Ebernburger Turm … Das ist Neusprech in schlimmster Umsetzung der 1984-Vorhersage.

Wie weitgehend das grüne Versagen reicht, wurde in der Stadtratssitzung am 12.12.2024 überdeutlich. Beim Besuch der Einwohnerfragestunde durch einige Mitglieder der Klimagemeinschaft Bad Kreuznach. Deren Sprecher Klaus Philipp legte offen, dass sie durch eine Akteneinsicht zeitnah nach dem Schanzen-Kahlschlag erfahren hatten, dass die Kreisverwaltung diesem in der ausgeführten Variante nie zugestimmt hat. Und sich die Klimagemeinschaft daraufhin die Mühe gemacht hatte, die Stadtverwaltung schriftlich auf diesen Widerspruch zu deren öffentlich getroffenen Behauptungen hinzuweisen und um eine Stellungnahme bat. Vor allem bezüglich wünschenswerter Ausgleichsmaßnahmen.

Weil die Stadt Monate später noch immer nicht geantwortet hatte, erinnerte die Klimagemeinschaft im August 2024 per Brief daran. Und erhielt erneut keine Antwort. Was zum Vorsprechen der Initiative in der Einwohnerfragestunde vor rund zwei Wochen führte. Diese demokratische Institution betreffend hatte der Rat der Stadt – ausdrücklich ohne eine Gegenstimme aus den Reihen der Grünen – in seiner Sitzung am 21.11.2024 (also nur drei Wochen zuvor – wer kein Alzheimer-Patient ist kann sich da – anders als Olaf Scholz es macht – nicht auf Erinnerungslücken berufen) eine bereits seit vielen Jahren bestehende Regelung seiner Geschäftsordnung erneut beschlossen. Nämlich jene in § 21 „Einwohnerfragestunde“, Absatz 7:

„Werden Vorschläge und Anregungen unterbreitet, so können zunächst der Vorsitzende, danach die Fraktionen sowie die Ratsmitglieder, die keiner Fraktion angehören, hierzu Stellung nehmen“. Von diesem Recht machte am 12.12.2024 niemand Gebrauch. Auch die Grünen nicht. Die die von der Klimagemeinschaft aufgedeckte bürgerfeindliche Antwortverweigerung der Stadtverwaltung kommentarlos zur Kenntnis nahmen. Mit Kalkül. Denn auch heute noch hoffen diese Grünen auf Pöstchen. Oder weitere jährliche Millionensubventionen für die wirtschaftliche Jugendhilfe. Weshalb für sie Kritik auch an schlimmstem Verwaltungsversagen nicht in Frage kommt. Zumal die Grünen ja noch von weiterer „Gartenkultur“ träumen.

Statt Bäume und Büsche eines Kleinbiotopes praktisch zu schützen. Dieser Aufgabe hat sich neben der Klimagemeinschaft auch der Verein denk-mal e.V. angenommen. Und mit einer vor Weihnachten veröffentlichten Presseerklärung aufgedeckt, dass die Stadt die Öffentlichkeit konkret getäuscht und hinters Licht geführt hat. Denn bereits mit Schreiben vom 22. April 2024 hat Landrätin Bettina Dickes für die Untere Denkmalschutzbehörde inhaltlich den Behauptungen der Stadtverwaltung in relevanten Punkten widersprochen. Demnach hat die Stadt gegenüber dem Kreis behauptet, „im Rahmen notwendiger Verkehrssicherungsmaßnahmen“ würden lediglich „abgestorbene oder kranke Bäume entfernt“.

Aus ganz anderen Gründen habe ich Monate vor dem Kahlschlag auf der Schanze das Geländeprofil und den Grünbewuchs dokumentiert. Daher kann ich mit dutzenden von Bildaufnahmen beweisen, dass die grosse Masse der dortigen Büsche und Bäume nicht krank oder abgestorben war. Das belegen auch die Aufnahmen, die wenige Stunden bzw Tage nach dem Abholzen aufgenommen wurden. Diese zeigen kerngesunde Baumscheiben und kräftiges, vitales Wurzelwerk. Ausdrücklich stellt die Landrätin in Ihrem Schreiben fest, dass es sich bei den Resten der alten Stadtmauer (für deren Einbindung in den „Kontext der Stadthistorie“ die Grünen in den vergangenen Jahren nichts unternommen haben) und der „Schanz“ samt Graben um ein geschütztes Kulturdenkmal handelt.

Wie wenig wichtig das der Stadt ist, kann man schon daran erkennen, dass vor Ort – etwa am Parkplatz Hochstrasse oder am alten Jugendamts- oder dem Casinogebäude – weder auf die Stadtmauer noch auf die historische Bedeutung der „Schanz“ und des Grabens, der heute als Parkplatz für Verwaltungsmitarbeitende dient, auch nur ein Schild hinweist. Von welch geringer kulturhistorischer Bedeutung der von den Grünen und der Stadtverwaltung ausdrücklich als Kahlschlag-Argument angeführte „Schmerz’sche Garten“ ist, geht ebenfalls aus dem Schreiben der Landrätin hervor. Dieser wird demnach in der Denkmalliste der Generaldirektion kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) mit keinem Wort erwähnt.

Und ist folgerichtig auch im Unterschutzstellungsbescheid für das Casinogebäude vom 17.1.1980 nicht enthalten. Und dann schreibt Bettina Dickes in wohltuender Klarheit, was tatsächlich Sache ist: „einer kompletten Beseitigung der Vegetation auf dem Plateau wurde jedoch zu keiner Zeit einvernehmlich zugestimmt. Vielmehr bestand Einigkeit darin kranke und abgestorbene Bäume nach Erforderlichkeit zu entfernen und so noch förderwürdige Pflanzen freizustellen, deren Standortbedingungen zu verbessern und eine Mindestbegrünung insbesondere aus Gründen des Artenschutzes zu gewährleisten“. Das hat OB Emanuel Letz den Einwohner*Innen glatt verschwiegen.

Dank der von denk-mal e.V. geschaffenen Transparenz könnte jetzt eine Aufarbeitung des Kahlschlages erfolgen. Etwa durch Veröffentlichung des „Gutachtens“, von dem die Stadt immer wieder geplappert hat. Und das im Schreiben der Landrätin als „Protokoll der Begehung“ bezeichnet wird. Dann könnte die Stadt auch zu erklären versuchen, warum nicht bei dieser Begehung mit der Kreisverwaltung, sondern erst später „das Ausmaß der Maßnahmen“ erkannt wurde. Mindestens aber sollte nun endlich die seit nunmehr zehn Monaten offenstehende Frage beantwortet werden, wo, wie und wann die nach dem massiven Eingriff auf der Schanze zwingend erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen erfolgen (weitere Beiträge folgen).