Wo waren die Grünen gestern?

Von Claus Jotzo

Der Tagesordnungspunkt las sich langweilig-formal: „Satzung der Stadt Bad Kreuznach über die Festsetzung der Hebesätze für die Realsteuern (Hebesatzsatzung).“ Was sich dahinter verbringt, wussten nur Insider. Nämlich die Folgen der von Bundes- und Landesgesetzgeber erzwungenen Veränderungen bei der Grundsteuer. Die zahlen fast alle Einwohner*Innen. Entweder direkt als Grundstückseigentümer. Oder indirekt als Mieter über die Nebenkostenabrechnung. Seit Monaten beklagen die kommunalen Finanzfachleute eine fatale Folge der Gesetzesänderungen in Bad Kreuznach.

Auf der leeren Plätzen vor den Getränkekisten hätten die Ausschussmitglieder der Grünen gesessen – wenn sie an der Sitzung des Finanzausschusses teilgenommen hätten.

Weil die gewerblich genutzten, bebauten Grundstücke stark abgewertet und ein grosser Teil (nicht alle) der Wohngrundstücke aufgewertet wurden, ergeben sich bei den Einnahmen der Stadt aus der Grundsteuer dramatische Veränderungen. Bei unveränderten Hebesätzen werden diese im kommenden Jahr um etwa 2 Millionen Euro sinken. Und das, obwohl einzelne Wohngrundstückseigentümer bis zu 50% mehr bezahlen müssen. Die Eigentümer von Gewerbegrundstücken sparen dagegen deutlich. Um das Minus auszugleichen, müsste der Hebesatz von 550% auf 679% angehoben werden.

Das würde für fast alle Wohngrundstücke eine Erhöhung, für einen kleinen Teil sogar eine Verdoppelung oder mehr der bisherigen Zahlungen bedeuten. Wie hoch der Hebesatz neu festgelegt wird, ist also eine Frage von allergrösster Bedeutung. Für den Stadthaushalt. Und die Einwohner*Innen. An dem mehrstündigen Diskussionsprozess am gestrigen Mittwochabend im Finanzausschuss der Stadt als einzige Fraktion nicht beteiligt: die Grünen. Denn als der Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde, war keines der zwei grünen Ausschussmitglieder und keiner der vier gewählten Vertreter*Innen anwesend.

Gerade so, als würden sich die örtlichen Grünen um die Diskussion dieses Themas herumdrücken, weil sie in der Landesregierung für deren jahrelange Untätigkeit in Sachen Unterstützung für die Städte und Gemeinden mitverantwortlich sind. Aber anders als die Vertreter*Innen von SPD und FDP diese Verantwortung auch erkennen. Fakt ist jedenfalls, dass die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, Juliane Rohrbacher-Staaden, ihre Stellvertreter Hermann Bläsius und Michael Henke gar nicht anwesend waren, Andrea Manz wegen anderer Verpflichtungen nur eine gute dreiviertel Stunde an der Sitzung teilnehmen konnte und deren Stellvertreter Hermann Holste und Andreas Maximilian Hönig auch nicht kamen.

Die Grünen haben dadurch eine rund zweistündige, interessante Aussprache zu diesem komplexen Thema verpasst. Und die Möglichkeit an der Lösung mitzuarbeiten. Eine konstruktive Übergangsvorgehensweise wurde schliesslich von Kay Maleton (Faire Liste) präsentiert. Damit ab dem 1.1.2025 wenigstens eine Rechtsgrundlage zur fristgerechten Erhebung der Grundsteuer in reduzierter Höhe existiert, schlägt der Finanzausschuss dem am Donnerstag kommender Woche (12.12.2024) tagenden Stadtrat auf Maletons Antrag hin vor, die alten Hebesätze weiter anzuwenden.

Und eine Anpassung dann vorzunehmen, wenn sich die in Bewegung gekommene Landesrechtslage geklärt hat. Für diesen Beschluss votierten CDU, AfD, Faire Liste, Freie Wähler, Linke und Bürgermeister Thomas Blechschmidt. Wilhelm Zimmerlin
(Fraktion FWG / BüFEP) enthielt sich. Mit Nein stimmten die Ampelparteien SPD und FDP. Deren aus dem politischen Streit sattsam bekannter Vorschlag war: verschieben. Dem schlossen sich mit einer umfassenden Begründung die anderen Fraktionen nicht an. Die endgültige Entscheidung fällt erst im Stadtrat (weiterer Bericht folgt).