Von Claus Jotzo
Die mit einer 100.000 Euro-Zahlung versüsste ursprünglich fristlose Geschäftsführer-Entlassung trotz angeblichen von diesem verursachten Millionenschaden schlägt in der vielköpfigen Gewobau-Mieterschaft hohe Wellen. Gleich aus mehreren von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft verwalteten Wohnblöcken liegen der Redaktion von tourismusbeitrag-so-nicht.de Protestschreiben und Kommentare vor. So wird mit teils sehr drastischen Worten kritisiert, dass die Gesellschaft seit Monaten dort vorgetragene Probleme, etwa Rattenbefall, Sicherheitslücken, Parkplatzunklarheiten, Mülltonnenmissstände und anders mehr, nicht bearbeitet.
Und hinsichtlich aus Sicht von Mieter*Innen erforderlicher Instandsetzungs- oder Renovierungsarbeiten auch mit dem Hinweis auf Kosten und Personalnot um Verständnis für Verzögerungen bittet. Aber bei der Aufklärung ein eines angeblich rund 200.000 Euro betragenden Schadens viele hunderttausenden Euro verausgabt. „Eine neue Mischbatterie wurde mir abgelehnt. Aber für diesen Scheiss hauen sie eine Million raus, das geht doch nicht,“ ärgert sich ein Mieter. An anderer Stelle sind es Ratten, die aufgrund unzureichend gesicherter Müllgefässe ein so grosses Nahrungsangebot vorfinden, dass sie sich rasant vermehren.
Wogegen aus Sicht Betroffener zu wenig unternommen wird. Auch die Tatsache, dass ein 18köpfiger Aufsichtsrat es nicht geschafft hat, den Geschäftsführer eines Unternehmens mit nur rund 20 Mitarbeitenden nicht annähernd kompetent zu kontrollieren, wird mehrfach angesprochen („was machen die eigentlich ausser sich zum Weihnachtsessen einladen lassen?“). Auch in der Stadtratssitzung am vergangenen Donnerstag (28.11.2024) waren die Entlassung von Karl-Heinz Seeger und der Zivilprozess vor dem Landgericht am vergangenen Mittwoch Thema. Zunächst bei der Festlegung der Tagesordnung. Dafür hatte Wilhelm Zimmerlin, der Fraktionsvorsitzende von FWG / BüFEP gesorgt.
Um dessen Eilantrag zu behandeln, schickte Oberbürgermeister Emanuel Letz die rund zwei Dutzend Zuhörer*Innen kurz nach Sitzungsbeginn wieder nach draussen. Auch nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit erklärte der OB weder das Warum dieser Maßnahme noch das Ergebnis der nichtöffentlichen Beratungen. Das Thema kam Stunden später unter dem Tagesordnungspunkt „Anfragen“ am Sitzungsende wieder zur Sprache. Da durfte Wilhelm Zimmerlin dann auch coram publico aussprechen, was in der Bevölkerung für Gesprächsstoff sorgt. Etwa die Frage, wie es zu der „erschreckend hohen Zahl“ von „1 Million Schadenersatz“ kommt: „was steckt dahinter?“, wollte Zimmerlin von Letz wissen.
Auch die Kosten von über 500.000 Euro für die PWC-Prüfung bei der Gewobau sind aus Zimmerlins Sicht erläuterungsbedürftig: „das sind horrende Zahlen. Niemand kann sich hier vorstellen, für was solche Unsummen verausgabt worden sind“. Ebenfalls die krassen Unterschiede zwischen der im März 2024 bei der Einleitung des Verfahrens gegebenen Begründung und den Aussagen in der Verhandlung vor dem Landgericht Ende November sind aus Sicht von Wilhelm Zimmerlin aufklärungsbedürftig. Vor acht Monaten sei die fristlose Entlassung als unabweisbar hingestellt worden. „Und heute reden wir über eine Zahlung von 100.000 Euro.“ Für Zimmerlin „ein eklatanter Widerspruch“, der „nach Aufklärung schreit“.
Die Oberbürgermeister Letz in der Stadtratssitzung nicht vornehmen mochte. „Wir befinden uns in eine schwebenden und einem laufenden Verfahren“, führte der OB in seiner Antwort auf Zimmerlin aus. Und ergänzte: „ich werde es nicht riskieren, dass ich diese beiden Verfahren mit Äusserungen, die ich vielleicht sogar versehentlich treffe, gefährde“. Danach verlas Letz eine vorbereite Erklärung, in der die bereits von tourismusbeitrag-so-nicht.de und anderen Pressemedien veröffentlichten Umstände angeführt werden. Ohne auf die von Wilhelm Zimmerlin und in der Öffentlichkeit gestellten Detailfragen einzugehen.
Zimmerlin fasst daher mit der ihm durch die Stadtrats-Geschäftsordnung garantierten Ergänzungsfrage nach: „wie kann es sein, dass Sie hier im Stadtrat erklärt haben, das ist alles definitiv rechtssicher geprüft, die fristlose Entlassung ist alternativlos und Sie hätten so handeln müssen“. Wo sich doch vor Gericht herausgestellt habe, dass diese Einschätzung grottenfalsch ist und aus diesem Grund der ehemalige Geschäftsführer nun 100.000 Euro zu erwarten hat. „Warum haben Sie damals nicht regulär gekündigt?“ Letz antwortete scharf: „das, was Sie von sich geben, ist genauso grottenfalsch. Ich benutze jetzt mal Ihre Worte.
Das Gericht hat nicht gesagt, dass die fristlose Kündigung offensichtlich unwirksam ist“. Letz fuhr fort: „wenn Sie hier die Prozessführung erörtern wollen: dafür fühle ich mich nicht in der Lage. Ich bin kein Jurist. Ich kann nur weitergeben, wofür ich beraten werde“. Stadtratsmitglied Rolf Schneider (FDP-Fraktion) wollte vom OB wissen, wer die PWC beauftragt hat. Letz antwortete, dass dies die Gesellschafterversammlung gewesen sei. Schneider fragte nach: „wäre es nicht möglich gewesen einen Wirtschaftsprüfer zu nehmen, der hier Steuern zahlt und wesentlich günstiger gewesen wäre?“ Darauf antwortet Emanuel Letz:
„Wir haben natürlich Angebote eingeholt. Aufgrund der Komplexität, die dieses Verfahren betrifft, kamen wir zu dem Entschluss, wir brauchen eine Gesellschaft, die alles abdeckt. Auch um Zeit zu sparen. Denn Zeit ist auch Geld.“ Die Schneider-Nachfrage, ob PWC ein Angebot von über 500.000 Euro abgegeben habe, beantwortete Emanuel Letz mit der Aussage, es seien lediglich Stundensätze angegeben worden. Stadtratsmitglied Karl-Heinz Delaveaux (FWG e.V.) sprach einen Aspekt an, der auch in der Einwohnerschaft diskutiert wird. Nämlich die Frage, ob hier gutes Geld schlechtem hinterher geworfen wurde.
„Wenn man ein Gutachten in Auftrag gibt und weiss, dass es mindestens 350.000 Euro oder mehr kostet und die Vorstellung hat, dass der ehemalige Geschäftsführer das gar nicht zurückzahlen kann, warum macht man sowas überhaupt? Wo war der Sinn? Was haben wir durch dieses Gutachten denn erreicht? Was wollten wir damit gewinnen? Man muss kein Jurist sein: allein wenn man ein bisschen kaufmännisch denken kann, gibt man keine halbe Million aus, wenn man weiss, man kann nichts bekommen“. Die Antwort des OB: „das ist rein spekulativ, was sie äussern“. Es habe sich um einen Beschluss unter den Gesellschaftern gehandelt, „der Aufsichtsrat war auch mit eingebunden. Mehr sage ich dazu nicht“.