Entscheidet der Stadtrat heute oder am 12.12. über den Gewobau-Seeger-Vergleich?

Von Claus Jotzo

Schon die Zahlen sind für die Normalbürger*Innen in der Stadt schockierend. Insbesondere für die Mitarbeitenden der Gewobau. Und deren rund 3.000 Mieter*Innen. Der dem Ex-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger von den Gesellschaftern angelastete Schaden soll über eine Million Euro betragen. Trotzdem wird der zunächst im März fristlos entlassene Seeger nun im gegenseitigen Einvernehmen erst zum 30.6.2024 ausscheiden. Und ehrenvoll mit einer Zahlung von 100.000 Euro verabschiedet. Das ist das vorläufige Ergebnis einer Verhandlung vor dem Landgericht Bad Kreuznach am vorgestrigen Dienstagmittag (26.11.2024, tourismusbeitrag-so-nicht.de berichtete in der gestrigen Ausgabe).

Die FDP-Connection bei der Gewobau: Ex-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger (links), OB Emanuel Letz (Mitte) und der lange Zeit ohne Vorsitzende(n) amtierende stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates Volker Stephan (rechts). Nicht auf dem Bild: der verstorbene Bauunternehmer Thomas Sapper, der für die FDP im Grundstücksausschuss sass, mit der Gewobau Geschäfte machte und seinem BWA-Buddy Seeger die formal unwirksame Bürgschaft vorlegte – ein Grund für die fristlose Entlassung. Quelle Foto: Gewobau

Wilhelm Zimmerlin, der Fraktionsvorsitzende von FWG / BüFEP im Stadtrat und einziger Beobachter der Verhandlung beim Landgericht aus den Reihen der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen möchte ein einfaches Abnicken dieser Vorgehensweise ohne Information der Öffentlichkeit und ohne ein Votum der demokratisch legitimierten Stadtratsmitglieder nicht zulassen. Zimmerlin hat daher noch am Tag der Gerichtsverhandlung einen Eilantrag an Oberbürgermeister Emanuel Letz gerichtet. Demnach soll über den Vergleichsvorschlag in der heutigen Stadtratssitzung informiert und beraten werden. Eine Reaktion darauf hat die Presse bisher (Stand: 28.11.2024 um 5:55 Uhr) nicht erhalten.

Weiterhin soll der Stadtrat dem OB eine Weisung erteilen, wie dieser sich als Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung zu verhalten hat. Weil ein Eilantrag nur dann nachträglich auf die Tagesordnung aufgenommen werden muss, wenn der Stadtrat das mit einer Zweidrittelmehrheit beschliesst, hat Zimmerlin pfiffig seinen Antrag „hilfsweise“ auch für die am 12. Dezember stattfindende Stadtratssitzung und somit unter Einhaltung der regulären Antragsfrist gestellt. Damit ist klar, dass das Thema in jedem Fall zur Sprache kommt. Entweder heute. Oder am 12.12.2024. Dann wird auch ein weiterer Punkt für die Öffentlichkeit klar erkennbar.

Nämlich welche der 45 Stadtratsmitglieder weiter mauscheln und im Trüben fischen wollen. Und welche Parteien von Transparenz nicht nur vor Wahlen plappern, sondern sich tatsächlich dafür einsetzen, dass den Einwohner*Innen, die mit ihren Steuern und Abgaben alles bezahlen, reiner Wein eingeschenkt wird. Vor meinem Vorwurf des Desinteresses nimmt der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Fechner seine ehrenamtlichen Gewobau-Aufsichtsratskolleg*Innen in Schutz. Er selbst war aufgrund eines Monate vorher vereinbarten ambulanten OP-Termines an der Teilnahme an der öffentlichen Gerichtsverhandlung gehindert. Ist sich aber sicher, dass andere Aufsichtsratsmitglieder teilgenommen hätten – wenn OB Letz (FDP) über den Termin informiert hätte.

Einer der informiert hat, ist Rechtsanwalt Arne Ferbeck von der PwC Legal AG (Düsseldorf). Die vertritt die Gewobau-Gesellschafter gegen deren Ex-Geschäftsführer. Sein Bericht an den amtierenden Geschäftsführer beinhaltet in der gebotenen Kürze die bereits berichteten Details des Vergleiches. Dann folgt eine vorsichtige Bewertung des Ablaufes der Gerichtsverhandlung. In der Wahrnehmung von Arne Ferbeck sah das Landgericht „die Erfolgsaussichten im diesem urkundlichen Vorverfahren tendenziell beim Kläger, für das Nachverfahren sah das Gericht viele klärungsbedürftige Punkte. Insbesondere sieht es die Pflichtverletzung des Klägers in der Restzahlung am 8.12.2023!“

Ferbeck fährt fort: „ab da sei das Thema zumindest bekannt gewesen. Ob die Gesellschaft dann abwarten durfte, weil der Kläger Sicherheiten einholen wollte, wäre für das Gericht noch zu klären. Entscheidend würde auch sein, wer wann über was vom Kläger informiert worden sei“. Bezüglich der Bürgschaftsurkunde habe das Gericht erkannt, dass diese „offensichtlich und erkennbar unwirksam“ ist. Die Seeger-Forderungen auf Gehalt, Dienstwagen, Erfolgsprämien und für nicht genommenen Urlaub hätten „ein Gesamtvolumen von knapp 400.000 Euro“. Der Rechtsanwalt kündigt ausdrücklich die Vorlage einer Auflistung an, in der „pro und contra“ zum Vergleich dargestellt werden.

Diese soll als Entscheidungsgrundlage für die Gesellschafter dienen. Und dürfte daher auch für den Stadtrat und die Öffentlichkeit von grösstem Interesse sein. Wie auch eine Reihe weiterer Details, die bereits in der Verhandlung vor dem Landgericht angesprochen wurden. Etwa die Tatsache, dass es nach der fristlosen Kündigung vom März 2024 noch zwei weitere gab, die Oberbürgermeister Emanuel Letz bisher sowohl dem Gewobau-Aufsichtsrat, dem Stadtrats als auch der Öffentlichkeit verschwieg. In einem Fall sollen darin sogar „strafrechtlich relevante“ Aspekte angesprochen worden sein (es gilt aber auch hier die Unschuldvermutung).

Der Eilantrag von Wilhelm Zimmerlin (Fraktion FWG / BüFEP) für die Stadtratssitzung am heutigen Donnerstag (28.11.2024):

„Eilantrag für die Stadtratssitzung am 28.11.2024 – Gewobau versus Ex-Geschäftsführer Seeger – Geplanter Vergleich zwischen der Gewobau und dem ehemaligen GF Seeger

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, hiermit stellen wir den folgenden Eilantrag für die Stadtratssitzung am 28.11.2024; hilfsweise als Antrag für die folgende Sitzung am 12.12.2024:
1. Unterrichtung des Stadtrates über den Vergleichsvorschlag und dessen Hintergründe,
2. Erteilung einer Weisung des Stadtrates an den Oberbürgermeister als Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung.

Am heutigen Tag (26.11.2024) fand am Landgericht Bad Kreuznach die Verhandlung im Vergütungsstreit zwischen der Gewobau und ihrem ehemaligen, fristlos entlassenen Geschäftsführer statt. Dabei kamen erschreckende Zahlen zutage, u.a.: die Gewobau habe ihren vom Ex-Geschäftsführer verursachten Schaden auf rund eine Million Euro beziffert. Diese Summe ergebe sich aufgrund der von den Gesellschaftern der Gewobau in Auftrag gegebenen Prüfung durch die Firma PwC. Die Kosten für die PwC-Prüfungen beliefen sich auf ca. 0,5 Millionen Euro. Die Parteien verhandelten unter Moderation des Gerichts über einen möglichen Vergleichsvorschlag:

Dieser könne eine Zahlung der Gewobau in Höhe von 100.000 Euro an Herrn Seeger beinhalten. Die Parteien müssen sich nun laut Gericht bis spätestens zum 19.12.2024 positionieren, ob sie diesen Vergleichsvorschlag ablehnen oder annehmen werden. Diese Entscheidung könne laut Anwalt der Gewobau nur die Gesellschafterversammlung treffen. Die vom Gericht gesetzte kurze Entscheidungsfrist begründet die Eilbedürftigkeit unseres Antrages. Vor diesem Hintergrund ist es dringend geboten, dass der Oberbürgermeister den Stadtrat über den Vergleichsvorschlag und insbesondere über dessen Hintergründe unterrichtet.

So drängt sich beispielsweise die Frage auf, warum jetzt auf einmal eine Abfindungszahlung von 100.000 Euro an den Ex-Geschäftsführer im Raum steht, obwohl dessen fristlose Entlassung seinerzeit als unausweichlich und rechtssicher beurteilt wurde. Auf der Basis einer vollständigen Unterrichtung kann sich dann der Stadtrat eine Meinung dazu bilden, ob er dem Oberbürgermeister eine Weisung, wenn ja welche, für dessen Verhalten in der Gesellschafterversammlung erteilen will. Wir bitten Sie darum, unseren Antrag unverzüglich an alle Fraktionen weiterzuleiten. Mit freundlichen Grüßen Wilhelm Zimmerlin“