Widerrufsvergleich: Gewobau zahlt Seeger 100.000 Euro

Von Claus Jotzo

Im März diesen Jahres hatte Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) als Vertreter der Gewobau-Hauptgesellschafterin Stadt die fristlose Entlassung von Karl-Heinz Seeger (zumindest zeitweise FDP) veranlasst. Und dies mit schwerwiegenden Verstössen des langjährigen Geschäftsführers begründet. Details, wie sie sonst in derartigen Fällen üblicherweise bekanntgegeben werden, verweigerte Letz sowohl der Öffentlichkeit als auch dem Stadtrat. Mehrfach blockte der OB Fragen mit dem Hinweis auf ein “schwebendes Verfahren” ab. Zu dessen Stand gab Emanuel Letz bis zuletzt kaum Informationen. Klar war lediglich, dass Karl-Heinz Seeger gegen seine Kündigung Klage erhoben hatte.

Selbst den Termin für die anstehende Zivilgerichtsverhandlung verschwieg der Oberbürgermeister. Der fand gestern beim Landgericht Bad Kreuznach statt (Aktenzeichen: 4 O 98/24). Dort stimmten sowohl die von Rechtsanwalt Arne Ferbeck (PWC) und Stadtwerke Geschäftsführer Christoph Nath vertretenen Gewobau-Gesellschafter als auch Karl-Heinz Seeger im Beistand von Rechtsanwalt Dr. Eike Dirk Eschenfelder einem Vergleich auf Widerruf zu. Mit dem wird das Seeger-Arbeitsverhältnis einvernehmlich rückwirkend zum 30. Juni diesen Jahres beendet. Gegen eine Gewobau-Zahlung an Seeger in Höhe von 100.000 Euro. Diese Vereinbarung wird rechtskräftig, wenn keine der beiden Parteien diese bis zum 19.12.2024 widerruft.

Damit sind dann alle wechselseitigen Ansprüche erledigt. Ausgenommen jene, die die Gewobau, vertreten durch PWC, mit einem Forderungsschreiben vom Oktober 2024 geltend machte. Und die sich laut Anwalt Ferbeck auf über eine Million Euro summieren. Die Vorsitzende Richterin Susanne Telscher-Kolb musste beide Parteien nicht lange zur Zustimmung zu dieser Vereinbarung drängen. Nach ihrer umfassenden Sachdarstellung, in der sie auch die juristischen Fallstricke der Sache allgemeinverständlich darlegte, ergab sich nur ein kurzer, ausgesprochen höflich ausgetragener verbaler Schlagabtausch.

Dabei schaffte zur Überraschung der im Sitzungssaal anwesenden Prozessbeobachter Seegers Rechtsanwalt mehr Transparenz, als die Beklagte. Den Hinweis des Gewobau-Anwaltes darauf, dass die zwei im Sommer 2024 zusätzlich ausgesprochenen Kündigungen und deren Begründung in öffentlicher Verhandlung behandelt werden müssten, konterte der Seeger-Anwalt, in dem er Zahlen offenlegte. Nach seiner Darstellung haben die seinem Mandanten Monate nach der ersten Kündigung zusätzlich vorgeworfenen Handlungen eine Grössenordnung von nur 3.000 Euro. Die Kosten für die von der Gesellschafterversammlung veranlassten Prüfungen summierten sich demnach mittlerweile auf über 500.000 Euro.

Die Vorsitzende Richterin hatte in ihrer Falldarstellung die Seeger in der fristlosen Kündigung vorgeworfenen Zahlungen auf rund 170.000 Euro beim Bauprojekt in der Schubertstrasse und auf rund 33.000 Euro beim Solarquartier im Neubaugebiet “In den Weingärten” beziffert. Demnach würden die von der durch die Stadt dominierten Gesellschafterversammlung veranlassten Aufklärungskosten um eine sechsstelligen Betrag über den ursprünglich behaupteten Schäden für die Gewobau liegen. Auffällig war, wie schnell sich beide Seiten auf den von Richterin Telscher-Kolb unterbreiteten Vergleichsvorschlag einigten.

Obwohl dieser auf der Basis einer ganz anderen Anspruchszahl des Klägers Seeger berechnet war. Nachdem die Richterin die Zahlung von 100.000 Euro vorgeschlagen hatte, erbat sich Rechtsanwalt Ferbeck eine Besprechungspause. Und zog sich mit Christoph Nath für nur wenige Minuten aus dem Gerichtssaal zurück. In den er mit einer Zustimmungserklärung zurückkehrte. Samt der eingangs zitierten Einschränkung, dass die mit Schreiben vom 15.10.2024 geltend gemachte Millionen-Forderung nicht vom Vergleich erfasst sei könne. Ergänzend bat Arne Ferbeck um eine dreiwöchige Widerrufsfrist. Diese begründete der Rechtsanwalt mit dem Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses.

Daraufhin beriet sich auch Karl-Heinz Seeger mit seinem Rechtsanwalt. Noch kürzer, als die beklagte Gegenseite. Und erklärte danach seine volle Zustimmung. Diese auf den ersten Blick verwunderlich erscheinende Einigung hat einen handfesten Hintergund. Mit der von den Gewobau-Gesellschaftern über PWC vorgelegten Millionenforderung muss sich nämlich die D&O-Versicherung (#) der Gesellschaft auseinandersetzen. Dafür wird Karl-Heinz Seeger nicht persönlich in Anspruch genommen. So dass für ihn mit Rechtskraft des Vergleiches die Sache Gewobau erledigt ist. Was seine schnelle Zustimmung vom Vergleich erklären könnte. Erspart diese ihm doch einen längeren Prozessweg.

Der selbst wenn erfolgreich, doch so oder so belastend wäre. Der Kommentar eins Zuhörers, “hunderttausend Euro fürs Nichstun sind ja auch nicht schlecht”, rundet diese nachvollziehbare Sichtweise ab. Am Ende dauerte die Protokollierung des Vergleiches länger, als die Beratungen der Parteien mit ihren Rechtsanwälten. Richterin Susanne Telscher-Kolb fragte eingangs der Schlussphase der Gerichtsverhandlung, ob sie den Vergleich als ihren Vorschlag festhalten solle oder einfach das Ergebnis. Darauf stellte der Gewobau-Anwalt fest, dass es noch förderlich sein könne, wenn die Richterin als Urheberin des Vergleichsvorschlages dokumentiert ist.

Einziger Beobachter der Gerichtsverhandlung aus der Kommunalpolitik: Wilhelm Zimmerlin, der Fraktionsvorsitzende von FWG/BüFEP. Drei der 12 von der Stadt bestimmten Mitglieder des Gewobau-Aufsichtsrates können ihre Abwesenheit gut begründen: Vorsitzender Manfred Rapp ist erkrankt, Emanuel Letz und Gerhard Merkelbach nahmen an der zeitgleich stattfindenden Sitzung der Planungsgemeinschaft Rheinhessen-Nahe teil. Die anderen neun werden sich, wenn die ganze Wahrheit über die Vorgänge bei der Gewobau ans Licht gekommen ist, ernsten Fragen der Einwohner*Innen stellen müssen, etwa warum sie einen solch bedeutenden Termin nicht wahrnehmen. Und auch sonst bis heute zur Information der Öffentlichkeit null beigetragen haben (weiterer Bericht folgt).

(#): Eine D&O-Versicherung (“Directors-and-Officers-Versicherung”) ist eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die ein Unternehmen für seine Organe und leitenden Angestellten abschließt. Es handelt sich dabei um eine Versicherung zugunsten Dritter, die der Art nach zu den Berufshaftpflichtversicherungen gezählt wird. Quelle: Wikipedia.