Von Claus Jotzo
Die Regeln für die Arbeit des Stadtrates sind in dessen Geschäftsordnung definiert. Diese soll in der heutigen Sitzung des Gremiums neu gefasst werden. Die von der Stadtverwaltung einerseits und den Stadtratsfraktionen andererseits dazu vorgetragenen Änderungsvorschläge wurden teilweise am vergangenen Montagabend (18.11.2024) im Hauptausschuss beraten. Gleich beim zweiten von 35 Paragrafen (“Form und Frist der Einladung”) ergab sich eine längere Diskussion. Diese wurde von Jörg Fechner eröffnet.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende regte an, die Zeitspanne zwischen Einladung und Sitzung von mindestens vier auf fünf Tage zu verlängern. Fechner begründete dies mit der Vorbereitungszeit, die die ehrenamtlichen Rats- und Ausschussmitglieder wegen der oft umfangreichen Verwaltungsvorlagen zur Vorbereitung benötigen. Oberbürgermeister Emanuel Letz bat Stadtrechtsdirektorin Marion Kruger um eine Stellungnahme zu diesem Vorschlag: “wir haben ja auch eine Juristin hier sitzen. Die kann einiges erzählen, was gesetzliche Fristen betrifft, … damit es alle verstehen”. Und das tat Kruger dann auch.
Mit der Feststellung, für Nichtjuristen möge es absurd klingen, leitete sie ihre Ausführungen ein, demnach es in der Gemeindeordnung (GemO) Regelungen gibt, “von denen dürfen wir nicht abweichen”. Dazu gehöre die dort mit “mindestens vier Tagen” definierte Zeitspanne. Diese und andere in der GemO genannten Fristen dürften nicht verlängert werden. Auch wenn man denken könnte, es wäre “ganz nett, wenn man mehr Zeit hat”. Einen diese Aussage in Zweifel ziehenden Zwischenruf des Fraktionsvorsitzenden von FWG / BüFEP, Wilhelm Zimmerlin, wies Kruger mit der Erklärung zurück, dies sei “in der Kommentierung ganz eindeutig”.
Und fügte dann wörtlich an: “wir können nicht reinschreiben, die Mindesteinladungsfrist ist fünf Tage”. In seiner regulären Wortmeldung drückte Wilhelm Zimmerlin daraufhin “erhebliche Zweifel” an den Kruger-Ausführungen aus. Der Gesetztext sei selbsterklärend. Fünf Tage würden diese Mindestfrist erfüllen. Wilhelm Zimmerlin führte einen konkreten Fall aus der Stadt Bad Sobernheim an, wo vom dortigen Kommunalparlament die viertägige Mindestfrist abgelehnt worden sei. Und hielt der Stadtrechtsdirektorin entgegen, deren Aussage so nicht zu akzeptieren. Bis ihm schriftlich nachgewiesen werde, dass seine Einschätzung unzutreffend sei.
Der Fechner-Antrag auf Festsetzung einer fünftägigen Ladungsfrist scheiterte anschließend denkbar knapp: neun Ausschussmitglieder stimmten dafür, neun dagegen, eines enthielt sich der Stimme. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt. Weil die von Wilhelm Zimmerlin aufgeworfene Frage damit natürlich nicht geklärt war, habe ich zunächst einmal den vom FWG/BüFEP-Fraktionsvorsitzenden angesprochenen Sachverhalt recherchiert. Über den hatte (ein Beleg dafür, wie wichtig Lokalzeitungen sind) am 15.11.2024 der Oeffentlicher Anzeiger berichtet.
Demnach wollte der dortige Bürgermeister Roland Ruegenberg die vom Bad Sobernheimer Stadtrat in der Vergangenheit festgesetzte Ladungsfrist von acht auf mindestens vier Tage verkürzen. Was die Sobernheimer Ratsmehrheit ablehnte. Um sicher zu gehen, dass deren Entscheidung rechtskonform ist, legte ich der für Bad Sobernheim zuständigen Kommunalaufsicht, das ist die Kreisverwaltung Bad Kreuznach, eine entsprechende Presseanfrage vor. Deren schriftliche Antwort kam nicht nur flott. Sondern ist inhaltlich eindeutig:
“Nach 34 Absatz 3 Satz 1 GemO müssen zwischen der Einladung und der Sitzung der kommunalen Gremien mindestens vier volle Kalendertage liegen. Nach der aktuellen Kommentierung zu dieser Vorschrift (Stand Januar 2021) wird es für zulässig gehalten, dass die Frist in der Geschäftsordnung auch verlängert wird”. Damit bestätigt die Kreisverwaltung vollinhaltlich die Einschätzung von Wilhelm Zimmerlin. Was die Frage aufwirft: “kennt Stadtrechtsdirektorin Marion Kruger die aktuelle Kommentierung nicht?”