Die kleine Grünfläche, die sich am Naheufer vom südwestlichen Fundament der Wilhelmbrücke bis zur Einmündung des Mühlenteiches erstreckt, heisst Kirschsteinanlage. Namensgeber ist der frühere Bad Kreuznacher Bürgermeister Rudolf Kirschstein, in dessen Amtszeit (von 1897 bis 1909) etwa die heute von der B 48 genutzte Brücke errichtet wurde. Nicht nur deshalb wurde Rudolf Kirschstein in der Bevölkerung hoch geschätzt. Was auch daran zu erkennen ist, dass er 1914 bis 1916 “aushilfsweise” noch einmal ins Stadthaus zurückgeholt wurde. Unter den zu seinen Ehren gepflanzten japanischen Zierkirschen kommt es schon seit vielen Jahren zu Unerfreulichkeiten verschiedenster Art.
Darunter auch schwere Straftaten. Zuletzt war die Kirschsteinanlage sogar überregional ein Thema, weil dort innerhalb von sechs Wochen, am 10.9. und 19.10.2024, zwei Messerstechereien stattfanden. Im Oktober wurde dabei ein 32jähriger Syrer von einem 35jährigen Afghanen getötet. Ausdrücklich auf dieses Verbrechen nimmt die FDP-Stadtratsfraktion mit einem Antrag für die heutige Stadtratssitzung Bezug. Fraktionsvorsitzender Werner Lorenz und sein Stellvertreter Christoph Anheuser stellen darin fest, dass “Polizei und Ordnungsbehörden die Problematik nicht abschließend bewältigen können”.
Aus diesem Grund schlagen die FDP-Politiker vor, die “Stadtverwaltung zu beauftragen, mit dem rheinland-pfälzischen Landesdatenschutzbeauftragten zu prüfen, wie eine Videoüberwachung der Kirschsteinanlage” rechtlich möglich gemacht werden kann. “Gegebenenfalls ist insbesondere an der Kirschsteinanlage kurzfristig ein Pilotprojekt umzusetzen,“ hoffen die Liberalen. Stefan Butz, der für die Wählervereinigung Progressives Bad Kreuznach (PBK) im Stadtrat sitzt, sieht das ganz anders: “Man hätte etwas getan, was entschlossene Problembekämpfung nur simuliert”, schreibt er in seiner Presseerklärung.
Butz weist darauf hin, dass “wenn die Kirschsteinanlage oder andere Innenstadt-Flächen künftig videoüberwacht werden, sich all jene, die sich – aus welchen Gründen auch immer – ohne eine solche Überwachungsmaßnahme treffen wollen, an einem anderen Ort treffen werden”. Sein Vorschlag: Fachleute nach Lösungen fragen. Etwa die vom Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung (IPoS) der Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen. Oder jene am Institut für Rettungsingenieurwesen und Gefahrenabwehr der TH Köln tätigen. Stefan Butz erhofft sich dadurch “neue Einblicke und damit auch neue Lösungsansätze”.
Der Antrag der FDP-Stadtratsfraktion im Wortlaut:
“Antrag der FDP-Fraktion Videoüberwachung der Kirschsteinanlage und anderer neuralgischer Plätze
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, die FDP-Fraktion beantragt in der nächsten Stadtratssitzung über den folgenden Antrag beschließen zu lassen: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, mit dem rheinland-pfälzischen Landesdatenschutzbeauftragten zu prüfen, wie eine Videoüberwachung der Kirschsteinanlage und anderer neuralgischer Plätze in Bad Kreuznach ermöglicht werden kann. Gegebenenfalls ist insbesondere an der Kirschsteinanlage kurzfristig ein Pilotprojekt umzusetzen.“
Begründung: Am Samstag, den 19. Oktober 2024, erschütterte unsere Stadt der Tod eines jungen Mannes in Folge einer Auseinandersetzung an der Kirschsteinanlage. Die Kirschsteinanlage war in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz von teils schweren Verbrechen. Auch wird berichtet, dass hier regelmäßig mit Drogen gehandelt wird. Die Polizei und Ordnungsbehörden können die Problematik nicht abschließend bewältigen – das ewige Katz- und Mausspiel kennt aktuell nur einen Gewinner.
Aus diesem Grund sind nach vielen Jahren vergeblichen Anstrengungen aus Sicht der FDP-Fraktion nun die Möglichkeiten der Videoüberwachung zu prüfen. Auch wenn es hierzu immer wieder rechtlich strittig ist, ob eine solche Maßnahme überhaupt möglich ist, sollten wir diesen Weg beschreiten. Eine Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten kann dazu beitragen, das Sicherheitsgefühl der Menschen zu verbessern. Mit freundlichen Grüßen Werner Lorenz (Fraktionsvorsitzender) Christoph Anheuser (stellvertretender Fraktionsvorsitzender)”
Die Presseerklärung von Stefan Butz im Wortlaut:
“Gefühlte Sicherheit ist wieder Thema in Bad Kreuznach. Beruhigungspillen sind es auch. Anlass für die Diskussion: einmal das jüngste Tötungsdelikt in der Kirschsteinanlage und zudem die immer wieder aufpoppende Diskussion um Sicherheit auf dem Jahrmarkt. Aufgrund der Straftat an der Kirschsteinanlage werden nun Forderungen laut, den kleinen Park nahe Thress’scher Mühle und Wilhelmbrücke sowie weitere Areale per Videokameras zu überwachen. Wenn die Kirschsteinanlage oder andere Innenstadt-Flächen künftig videoüberwacht werden, werden sich all jene, die sich – aus welchen Gründen auch immer – ohne eine solche Überwachungsmaßnahme treffen wollen, an einem anderen Ort treffen.
Alternativen gibt es reichlich. Und die teure Überwachungstechnik an der Kirschsteinanlage würde nur noch Harmlosigkeiten aufzeichnen. Man hätte etwas getan, was entschlossene Problembekämpfung nur simuliert. Wenn man dann einfach den nächsten Platz videoüberwacht, gibt man noch mehr Geld aus und erzielt den gleichen Effekt. Auf dem Jahrmarkt lässt sich es sich die Stadt jetzt schon jedes Jahr eine Stange voll Geld kosten, dass Security-Mitarbeiter:innen an den Eingängen per Stichprobe Menschen auffordern, ihre Taschen- und Rucksackinhalte zu zeigen. Nur kann man auf dem Festplatz schlicht Küchenmesser kaufen.
Und auch die können tödlich sein. Letztlich kann man gar mit dem Holzspieß, auf dem die Schoko-Erdbeeren landen, Unheil anstellen. Wer tatsächlich Stich- oder andere Waffen aufs Festgelände bringen will, hat dafür genügend Möglichkeiten. Zum Beispiel, indem er sie einige Tage vor Jahrmarktseröffnung dort in einem Versteck deponiert. Oder indem er das Areal betritt, wenn keine Kontrolle stattfindet. Oder, oder, oder … Auch hier: simulierte Problembekämpfung, damit man – sollte tatsächlich etwas passieren – sagen kann: Aber wir haben doch Maßnahmen ergriffen. Klar. Nur leider keine zielführenden.
Was tun? Einfach gar nichts? Nein. Besser: zielführende Maßnahmen umsetzen. Nur: Was sind die? Genauso wie meine Stadtratskolleg:innen bin ich kein Sicherheitsexperte. Aber: Sicherheitsexpert:innen existieren. Zum Beispiel am Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung (IPoS) der Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen, am Institut für Rettungsingenieurwesen und Gefahrenabwehr der TH Köln und sicher noch an vielen anderen Forschungseinrichtungen.
Ein erster zielführender Schritt wäre es meines Erachtens, an einem solchen Institut nachzufragen und die beiden Problemlagen vorzustellen. Eine Beratung seitens eines solchen Instituts würde sicherlich neue Einblicke und damit auch neue Lösungsansätze für Kirschsteinanlage wie Jahrmarkt liefern. Könnte z.B. eine Belebung der Kirschsteinanlage sinnvoll sein? Wie wirkt sich der Parkplatz dort auf die Gesamtsituation aus? Wie haben andere große Volksfeste die Sicherheitssituation geregelt? Was davon wäre bei uns umsetzbar und, und, und …”