Beobachtet und kommentiert von Claus Jotzo
Seit fast zweieinhalb Jahren ist OB Emanuel Letz jetzt im Amt. Und in der Geschäftsordnung des Stadtrates ist noch immer von der Oberbürgermeisterin die Rede. Dass der OB das geändert sehen möchte, ist für seine 44 Ratskolleg*Innen nachvollziehbar. Und auch eine Reihe von redaktionellen Textumstellungen finden wohl die Zustimmung der breiten Mehrheit der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen. Aber in der Flut von Umformulierungsvorschlägen für das Papier, in dem die Regeln für die Arbeit des Kommunalparlamentes festgeschrieben sind, möchte die die Stadtverwaltung auch für die Öffentlichkeit bedeutsame Bestimmungen ändern.
Einen dieser Punkte hat Jürgen Locher (Die Linke) entdeckt. Ihm ist aufgefallen, dass die Stadtspitze die Zahl der Einwohnerfragestunden deutlich reduzieren möchte. Bisher besteht dieses wesentliche Informations- und Teilhaberecht der Einwohner*Innen in fast jeder Stadtratssitzung. Und wird häufig auch genutzt. In zwischen acht und zehn Sitzungen im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Das ist der Stadtspitze (und einigen Ratsmitgliedern) offenbar zu viel. Sie will aus dem Standarttagesordnungspunkt ein jeder regulären Stadtratssitzung (davon gibt es meist zehn pro Jahr) einen nur noch vierteljährlichen Pflichttermin machen.
Da in der Einwohnerfragestunde dem Stadtrat von den Einwohner*Innen auch Vorschläge oder Anregungen unterbreitet werden dürfen, stellt dieser Plan eine erhebliche Einschränkung der Rechte der Einwohner*Innen dar. Der ist in der Mustergeschäftsordnung und der Gemeindeordnung (GemO) des Landes Rheinland-Pfalz nur deshalb grundsätzlich erlaubt, weil es von den Basisdokumenten nur eine Fassung für Grossstädte wie Mainz und kleine Dörfer wie Ippenschied gibt. Die Gemeindeordnung schreibt aus naheliegenden für die kleinen Gemeinden nur mindestens vier jährliche Ratssitzungen vor, weshalb alle anderen Vorgaben auf diesen Mindestwert ausgerichtet sind.
Gegen die Beschränkung der Mitwirkungsmöglichkeit für die Einwohner*Innen und für die Beibehaltung der bisherigen Regelung hat sich Jürgen Locher ausgesprochen. Er hat erkannt, das bereits die alte Fassung nicht ohne Probleme ist. So dürfen in der Einwohnerfragestunde Themen, die auf der Tagesordnung stehen, nicht angesprochen werden. Zwar gibt es gute Gründe für diese gesetzliche Vorgabe. Aber schon diese schränkt die Mitwirkungsmöglichkeiten ein, weil dadurch aktuelle Themen, die den Menschen “auf den Nägel brennen”, ausgeschlossen sind. Wenn jetzt auch noch die Einwohnerfragestunden reduziert werden, bringt das zwangsläufig eine deutliche Einschränkung mit sich.
Selbst wenn deren Zahl “nur” auf die Hälfte (statt auf ein Drittel) reduziert würde, bedeutet dies unter Berücksichtigung der zweiten Vorschrift, dass es Monate dauern kann, bis eine Einwohnerin ihr Anliegen dem Stadtrat vortragen darf. Für die Ratsmitglieder und die Verwaltung mag das bequem sein. Unter dem Gesichtspunkt der Bürgerbeteiligung und den entsprechenden Wahlversprechen wäre es eine Katastrophe. Auch wegen des damit verbundenen Signals. Insbesondere, weil es einen Missbrauch der seit vielen Jahren erfolgreich praktizierten Regelung, etwa durch rein formales Rumgequatsche von Agitatoren oder Wichtigmacher*Innen, nie gegeben hat.
Einen konkreten Vorschlag zur Verbesserung der Arbeitsweise der Ausschüsse des Stadtrates hat Wilhelm Zimmerlin vorgelegt. Der Fraktionsvorsitzende von FWG / BüFEP regt an, dass einem Ausschuss nicht angehörende Ratsmitglieder, an dessen Sitzungen nicht nur teilnehmen können (wie bisher), sondern dort auch ein verbrieftes Rederecht erhalten. Wilhelm Zimmerlin möchte mit der Neuregelung die aktuell von Willkür geprägte Arbeitsweise beenden. Denn aktuell ist es so, dass diese nicht als Ausschussmitglieder teilnehmenden Ratsmitglieder mal reden dürfen. Und mal nicht.
Teilweise wird dies vom jeweiligen Vorsitzenden sogar von Tagesordnungspunkt zu Tagesordnungspunkt einer Sitzung unterschiedlich gehandhabt. Die positive Ausnahme ist hier Bürgermeister Thomas Blechschmidt. Der hat nicht nur die Sorge um die Stadtfinanzen von seinem Vorgänger Wolfgang Heinrich übernommen. Sondern auch dessen liberale Praxis, jedes Stadtratsmitglied in den Sitzungen des Finanzausschusses zu Wort kommen zu lassen. Was zwar in diesem Gremium zu einem erhöhten Aufkommen von Redebeiträgen führt. Aber mindestens im selben Umfange die Stadtratssitzungen entlastet hat.
Damit haben Blechschmidt und sein Vorgänger über Jahre bewiesen, dass eine grosszügige Regelung beim Rederecht in der Sache und auch im Verfahren Vorteile mit sich bringt. Warum ausgerechnet ein der FDP angehörender Oberbürgermeister hier nicht für Mitwirkungsmöglichkeiten eintritt, fragt sich nicht nur Wilhelm Zimmerlin. Dessen Anliegen, endlich eine von allen einzuhaltende Regelung zu finden, mehr als nachvollziehbar ist. Auch unter dem Aspekt der Vermeidung von Willkür erstaunlich ist, dass eine weitere Frage, die in Ausschuss und Stadtratssitzungen immer wieder hochkocht, wieder nicht abschließend geregelt wird.
Nämlich die, ob unter dem Tagesordnungspunkt einer Mitteilungsvorlage nachgefragt und diskutiert werden darf – oder nicht. Bezogen auf die Ost-West-Trasse hatte der OB das in der zurückliegenden Stadtratssitzung verboten. In den Ausschusssitzungen danach unter seine Leitung aber wieder erlaubt. Ein Paradebeispiel für Willkür, wie sie definitiv rechtlich verboten ist. Selbst wenn es sich bei der Entscheidung über diese Frage um eine Ermessensentscheidung des jeweiligen Vorsitzenden handeln würde, müsste es jeweils eine entsprechende Begründung geben. Schon um eine rechtliche Überprüfung zu ermöglichen.
Dies war aber bisher nicht der Fall. Wie nach Gutsherrenart wurde die Aussprache zu Mitteilungen (in der Überzahl der Fälle) zugelassen. Und mal eben nicht. Oder zugelassen gegen den Protest (oft aus den Reihen der SPD). Die Aussprache über die Änderung der Geschäftsordnung des Stadtrates erfolgt im am heutigen Montag (18.11.2024) um 17:30 Uhr in öffentlicher Sitzung im neuen Rathaus am Kornmarkt tagenden Hauptausschuss. Die endgültige Fassung muss vom Stadtrat beschlossen werden.