Beobachtet und kommentiert von Claus Jotzo
Thomas Blechschmidt hat eine – von ihm vor der Öffentlichkeit bisher gut verborgene – musikalische Ader. Herausgekommen ist das verheimlichte Talent des Kämmerers und Bürgermeisters in der Sitzung des Finanzausschusses am Dienstag dieser Woche (5.11.2024). Wie vor 233 Jahren Joseph Haydn mit dem Fortissimoschlag im zweiten Satz seiner Sinfonie Nr. 94 in G-Dur weckte Blechschmidt im letzten Tagesordnungspunkt sein von langatmigen Ausführungen zur Ungerechtigkeit bei der Neugestaltung der Grundsteuer B und anderen finanzpolitischen Unerfreulichkeiten ermüdetes Publikum mit einem furiosen kommunalpolitischen Paukenschlag kurz vor Ende der Sitzung auf.
Mit der Feststellung: “es wird uns nicht gelingen den Haushaltsplan für 2025 auszugleichen”. Diese finanzpolitische Bankrotterklärung zur Bad Kreuznacher Stadtpolitik erfolgte vorbereitungs- und ankündigungslos (Bericht dazu folgt). Eine erfolgreiche Komposition wird die Blechschmidt-Arie mit Schlag über landes- und bundespolitisches Versagen – anders als als das Werk Haydns – trotz der dramaturgischen Besonderheit nicht werden. Denn schon vor Monaten hatte Blechschmidt jenen, die die Stadtfinanzen vor die Wand fahren (wollen) ohne jede Not mit der Ankündigung einer Haushalts-Beratungsverschiebung – sicherlich unbeabsichtigt – Vorschub geleistet.
Seine aktuelle Ansage könnte den Verantwortlichen im Stadtrat und der Verwaltung jedwelchen Druck nehmen, ernsthaft über eine grundlegende Änderung der Stadtpolitik nachdenken zu müssen. Es besteht die Gefahr, dass Thomas Blechschmidt – getrieben von den politischen Fehlentscheidungen der Ampelregierungen in Mainz und Berlin, die er als Begründung für die von ihm durchgesetzte Vorgehensweise anführt – mit seiner Vorgehensweise den Haushaltsrechtsbruch salonfähig macht. Und damit typische Politiker*Innenfantasien fördert. Etwa jene, dass es auf die Höhe des Defizites nicht mehr ankommt, wenn der Stadthaushalt sowieso nicht ausgeglichen beschlossen wird.
Dabei hat der Bürgermeister mit einer Philippika den Mitgliedern des Finanzausschusses versucht die Augen zu öffnen. Jetzt herrscht Klarheit. Die wurde in der Sitzung am Dienstagabend allerdings erst nach über zweistündigem Sitzungsverlauf unter dem Punkt “8. Mitteilungen und Anfragen” geschaffen. Kaum hatte er den aufgerufen, stieg der Bürgermeister ohne grosse Vorrede direkt ins Thema ein mit dem Hinweis, der Haushaltsentwurf für 2025 habe “leider” in der vorgelegten Form nicht (im Finanzausschuss) beraten werden können. Und sei daher den Fachämtern mit dem Auftrag der Überarbeitungen zurückgegeben worden.
Samt der Aufforderung diesen “mit entsprechenden Einsparungsvorschlägen” zurückzugeben. Dann folgte die erste brandneue, bisher an keiner Stelle öffentlich bekanntgegebene Information. Nach seinen Angaben hat Thomas Blechschmidt in diesem Zusammenhang verlangt, dass der Personalstand “in allen Abteilungen” auf den Stand 2023/24 zurückgefahren wird. Begründung des Kämmerers: weil das die Basis der letzten gültigen Genehmigung durch die zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD ist. In diesem Zusammenhang machte Thomas Blechschmidt eine Ansage, die es in dieser Klarheit in den letzten 30 Jahren nicht gegeben hat.
Und die inhaltlich sehr an die jahrelangen Appelle seines Amtsvorgängers Wolfgang Heinrich erinnert: “jede einzelne Stelle, die darüber hinaus gefordert, gewünscht, benötigt wird, muss und wird ausschließlich durch den Finanzausschuss und den Stadtrat mit einem entsprechenden Deckungsvorschlag zu beraten und zu beschliessen sein”. Eine solche Vorgabe hatten weder Oberbürgermeister Letz noch der Beigeordnete Schlosser in den jeweils von ihnen geleiteten Etat-Ausschusssitzungen auch nur erwähnt. Die von Thomas Blechschmidt am Dienstagabend formulierte Vorgehensweise nimmt sowohl die Verwaltungsmitarbeitenden als auch die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen in die Pflicht.
Zumal Blechschmidt weiter ausführte, dass er bereit ist, wegen der von Land und Bund verweigerten, ausreichenden finanziellen Ausstattung auch von oben diktierte Pflichtaufgaben nicht zu erfüllen. Was gleich in doppelter Hinsicht richtig ist. Zum einen würde ein solcher Schritt einer Kommune im Ergebnis auf eine rechtliche Klärung hinauslaufen. Wobei bekannt ist, dass die Gerichte in vielen Fällen Land und Bund unseriöse Finanzierungen verboten haben. Zum anderen ist das ein klares Signal an die Fachabteilungen der Stadtverwaltung, die auf diese Weise daran erinnert werden, dass sie kein Selbstzweck sind, sondern Teil einer Stadtgesellschaft.
Zu der auch jene gehören, die den Laden finanzieren. Und ohne deren Leistung immer “bessere” Unterstützungen für Hilfebedürftige irgendwann gar nicht mehr erbracht werden können. Oder deutlich an gesellschaftlicher Akzeptanz verlieren. Der von Thomas Blechschmidt konkret aufgezeigte Weg ist der einzige, um die explodierenden Personalkosten in den Griff zu bekommen. Die Frage ist jetzt, ob Verwaltung und ehrenamtliche Kommunalpolitik das als Chance für eine Wende erkennen. Oder ob dort weitergewurstelt wird, wie bisher. Vielleicht eröffnet die Ampelabschaltung, die sich seit gestern im politischen Berlin abzeichnet, eine Option darauf, dass das Blechschmidt-Konzept realisiert wird.