Seit dem Montag dieser Woche sind der Steinweg und die Hofgartenstrasse samt einigen Seitenstrassen und Zuwegungen täglich stundenweise für den Autoverkehr gesperrt. Damit sollen die “Eltern-Taxis” aus dem Bereich um die beiden Grundschulgebäude und die Kindergärten ferngehalten werden. In den Sozialen Medien und auf der Strasse war das ein Riesenthema. Nicht so in der Sitzung des Stadtrates am gestrigen Mittwochabend. Obwohl das Konzept mit vielen zusätzlichen Schildern und Verboten in mehreren Sitzungen über Jahre beraten worden war, gabs dazu von der Verwaltung zunächst weder einen Erfahrungsbericht noch sonstige Informationen.
Es war Stadtratsmitglied Karl-Heinz Delaveaux (FWG e.V.), der das Thema beim letzten Tagesordnungspunkt “Anfragen” zur Sprache brachte. Delaveaux wohnt in der Winzenheimer Strasse, hatte von Bekannten im betroffenen Wohngebiet einiges gehört und den vor allem am Morgen verlängerten Stau in der Stromberger Strasse mitbekommen. Und wollte die Sicht der Verwaltung dazu kennenlernen. “Es funktioniert recht gut” antwortete Ordnungsdezernent Markus Schlosser. Und ergänzte: “in der Regel halten sich die Leute daran”. Auch die Schulleitung sei “sehr zufrieden”. Dann räumte Schlosser ein: “Wir müssen weiter kontrollieren”.
Eine leichte Relativierung der Schlosser-Bewertung erfolgte durch Oberbürgermeister Emanuel Letz: “es ist nicht alles schön, aber der Zweck erfüllt”, merkte der OB an. Die Auskunft der Bad Kreuznacher Polizeiinspektion auf Anfrage von tourismusbeitrag-so-nicht.de, die für die Kontrollen des fliessenden Verkehrs zuständig ist, fällt sachlich und zurückhaltender aus. Trotz der massiven Vorankündigung der Zufahrtssperre und den vielen unmissverständlichen Schildern waren am Montag noch einige Eltern-Taxis im Einsatz. Aufgrund der Kontrollen reduzierte sich deren Zahl am Dienstag. Und am gestrigen Mittwoch wurde keine einzige Verwarnung mehr ausgesprochen.
Die Reaktionen der betroffenen Anwohner*Innen fallen sehr unterschiedlich aus. Ein kleiner Teil zeigt sich wie Stadtratsmitglied Hermann Holste (Grüne), der in der Hofgartensstrasse wohnt, mit der Neuregelung zufrieden. Aber es gibt auch massive Kritik. Die füllt seit Tagen das Redaktionspostfach. Und ist in den Sozialen Medien nachzulesen. In der mit Abstand grössten Facebook-Gruppe der gesamten Region, Mein Bad Kreuznach, schreibt etwa Claus-Peter D.: “ich wohne seit 60 Jahren in der Reitschule. Mit dem Zuparken der Garagen / Einfahrten ist schlimm geworden. Zumal der Fahrer aussteigt und an die Schule geht. Da kann man hupen etc. Es kommt keine Entschuldigung.
Eher ein LMAA. Aber ich sehe auch: die ersten 1 bis 2 Tage wurde immer nach den Ferien kontrolliert. Da klappte alles. Dann nicht mehr. Und wieder Chaos pur. Was nun beschlossen wurde, ist ganz großer Mist! Mit wem die Verantwortlichen gesprochen und Zuspruch bekommen haben – keine Ahnung. Auch die Gewerbetreibenden hier wissen von nix und die Kunden sollen dann irgendwo parken und hinlaufen in den Sperrzeiten? Es sind extra für Kunden etc Parkplätze geschaffen worden – so kann man auch was kaputt machen. Wenn ich Besuch bekomme dann muss ich denen im Vorfeld schreiben wann sie nicht kommen dürfen. Oder die müssen schnell aufs Amt eine Genehmigung holen.
Was bestimmt ruckzuck geht, wenn man dort einen Parkplatz bekommt … : ein Fall fürs TV!” Skeptisch ist auch Andrea B.: “wer stellt die Sondergenehmigungen aus? Darf ein Anwohner dann nur zu bestimmten Zeiten Besuch empfangen? Muss ein Besucher dann erst eine Sondergenehmigung beantragen? Wer kontrolliert? Richtig, das Ordnungsamt ohne Leitung und Personal. Oder die Polizei ohne Personal, die sich ja jetzt auch noch um die Kirchsteinanlage kümmern müssen? Hauptsache mal viel Geld für neue Schilder ausgegeben. Das Konzept funktioniert doch nur mit dauerhaften Kontrollen.” Peter K. unterstützt Claus-Peter D.: “richtig so, viele Anwohner kommen gar nicht mehr aus ihren Einfahrten.
Das interessiert die Taxifahrer nicht. Vielleicht müsste man hohe Geldstrafen aussprechen, damit es mal klick macht”. Pessimistisch ist Chriss H.: “ich geb dem ganzen 4 Wochen. Dann ist wieder Katastrophe”. Auch Jennifer J. argumentiert gegen die Eltern-Taxis: “wenn man als Schichtarbeiter morgens von der hupenden Müllabfuhr geweckt wird, weil grade Taxichaos herrscht und diese nicht in die Straße einbiegen kann, macht es das auch nicht besser. Rücksicht sieht anders aus”. Carsten L. spricht von “Helikopter-Eltern, die nicht begreifen, dass sie ihre Kinder zu hilflosen Individuen erziehen”. Dem widerspricht Denise P.:
“Wir wohnen fast 2,5 km von der Schule entfernt und dennoch ist es auch die Einzugsschule unseres Sohnes (Anmerkung der Redaktion: so unglaublich das klingt: es ist zutreffend. Die geraden Hausnummern der Salinenstraße bis zur Salinenbrücke (!) gehören zum Schulbezirk Hofgartenstraße.) Laufen wird er alleine nicht! Hier gibt es auch keine Nachbarskinder, denen er sich anschließen könnte. ÖPNV mit Umstieg am Bahnhof: Nein Danke! Da braucht mir hier keiner kommen mit “Eltern trauen ihren Kindern heute nichts mehr zu!”. Wieso gibt es denn Eltern-Taxis? Diese Frage sollte man sich mal stellen.
Und ich muss mich auch nicht erklären, wieso ich unseren Sohn bis zur Jahnhalle fahre (kostenlos), dort morgens parke und gemeinsam mit ihm hochlaufe. Auch das plane ich alles ein, damit ich dennoch selbst rechtzeitig auf der Arbeit erscheinen kann im Anschluss. Auch ich würde mein Kind auf der Salinenstrasse morgens gerne in den eigens für die Schule vorgesehenen Bus setzen, dann müsste ich kein “Eltern-Taxi” spielen. Aber die Infrastruktur wird dies wohl nicht hergeben. Ich trage als Elternteil die Verantwortung für mein Kind und und halte mich auch im Sinne der Sicherheit der anderen Kinder und Rücksichtsnahme gegenüber der AnwohnerInnen an diese Regelung.
Wer wird nun aber mit diesem neuen Konzept bestraft?” Die Antwort auf diese Frage kommt u.a. von Ange O.: “Besucher bekommen keine Sondergenehmigung. Menschen im Viertel rund um Johannisstrasse sind die Leidtragendenden”. Genau aus diesem Stadtviertel (auch Rosengarten, Schiller-, Kinscherf- und Kahlenberger Strasse) liegen der Redaktion mehrere Emails von Bewohner*Innen vor, die sich deutlich gegen die stundenlangen Einfahrverbote aussprechen und auf den erheblichen bürokratischen Aufwand für Pflegedienste, Lieferanten, Freunde und Verwandte hinweisen. Antwort Andreas K. stellt klar, dass nicht Mütter wie Denise P. angesprochen sind:
“Es geht nicht um die, die mit Abstand parken oder ihr Kind von da an laufen lassen. Es geht um die, die ihr Kind vor die Schule fahren, Chaos verursachen und andere gefährden. Es gibt Städte, wo jeder Bilder / Videos zum Ordnungsamt schicken kann und die “Straftäter” dann daraufhin den Bußbescheid bekommen. Würde ich generell einführen. Ist ja ich nur an dieser Schule / Kita so”. Mathias R. sagt dazu: “ich kann mich nicht erinnern, dass zu meiner Schulzeit irgend ein Kind zur Schule gefahren wurde. Ich selbst bin ne halbe Stunde mit dem Bus zur Schule gefahren. Grundschule waren 15 Minuten Fußweg. Warum muss man sein Kind in die Schule fahren?”
Andreas K. ergänzt: “wir haben das lange Zeit mitbekommen. Chaos pur in der Abholzeit. Eltern halten im absoluten Halteverbot, rennen ihrem Kind entgegen, damit es den schweren Ranzen nicht länger tragen muss. Das dann keiner mehr mit dem Auto durchkommt und andere Kinder gefährdet werden, interessiert nicht. Es wurde sich dann sogar auf der Straße gestritten. In diesem Chaos sind Kontrollen kaum möglich. Jetzt zu kontrollieren, dass keiner reinfährt ist definitiv einfacher. Traurig, dass das alles nötig ist. Kindern wird nichts mehr zugetraut. An die Schule zu laufen, den Ranzen zu tragen, der garantiert leichter ist als unserer früher.
Und generell mit den einfachsten Dingen des Lebens klar zu kommen.” Ra B. ergänzt: “ich kann verstehen, dass für die Hofgartenschule eine Lösung gefunden werden musste, da dort das Chaos wirklich sehr schlimm ist. Was ich aber nicht verstehe ist, dass diese Regelung auch für den Kindergarten Ilse Staab (Anmerkung der Redaktion: der liegt an der Ecke Rosengarten / Steinweg) gilt. Wir müssen die Kinder dort persönlich in der Gruppe abgeben. Das heißt dann, auf der Rüdesheimer Straße parken (da ist eh schon nichts frei) und hoch an den Kindergarten laufen. Kiss und Ride ist was anderes! Ich habe zuvor immer an der Kita in gekennzeichneten Parkplätzen geparkt.
Und bin die Einbahnstraßen an dem Kindergarten direkt hoch und runter gefahren. Nun, dank der Regelung, darf ich nur noch eine Straße hochfahren und MUSS durch das Brenngebiet der Hofgartenschule. Da frage ich mich, wer sich das ausgedacht hat. Alles ohne Sinn und Versand. Jetzt kann ich 20 Minuten länger einplanen morgens als es eh schon dauert. Und nein, zu Fuß ist nicht immer möglich, da wir fast 2 km weg wohnen”. Die Aussperrung der Eltern-Taxis im Bad Kreuznacher Norden weckt Interesse auch in anderen Stadtvierteln. So meldete der Winzenheimer Ortsvorsteher Mirko Kohl noch in der gestrigen Stadtratssitzung analoge Maßnahmen auch rund um die dortige Grundschule an (weiterer Bericht folgt).