Von Claus Jotzo
Spätestens seit der Erlangung der Automobilität breiter Bevölkerungsschichten in den siebziger Jahren hat Bad Kreuznach ein Problem mit dem Verkehr. Die Lösung laut dem Jahrzehnte alten Schaechterle-Plan: je eine Ost-West- und Nord-Süd-Strasse. Letztere ist gebaut. Die erstgenannte nach wie vor in der Diskussion. Diese wurde in der gestrigen Stadtratssitzung (30.10.2024) durch eine Vielzahl teils vollkommen neuer Informationen wiederbelebt. Vor den Einwohner*Innen getarnt mit der Bezeichnung “Sachstandsmitteilung der Untersuchungsergebnisse des Knotenpunktes Ochsenbrücke / Fleischhauerkreisel” für den Tagesordnungspunkt, der nur ein zentrales Thema hatte:
Eine neue Verkehrsader, die von der Salinenstrasse in Höhe Moltkestrasse nach Süden abzweigt, unter die Bahn und dann längs der Gleise geführt beim Fleischhauer-Kreisel endet. Der vom Landesbetrieb Mobilität (LBM) mit der Erhebung und Bewertung der Verkehrsdaten beauftragte Planer Dr.-Ing. Michael Schenk von der T + T Verkehrsmanagement GmbH (Dreieich) stellte die Ergebnisse seiner Untersuchungen und Berechnungen vor. Nicht ohne eingangs an die Zielvorgabe zu erinnern: die von allen politischen Kräften einmütig geforderte Entlastung der Wilhelm- und Salinenstrasse. Um das zu erreichen sind nicht nur Baukosten in zweistelliger Millionenhöhe nötig (die gestern kein Thema waren).
Sondern auch erhebliche Eingriffe in die bisherigen Verkehrsführungen, ohne die das Konzept auch verkehrstechnisch undurchführbar wird. Vor allem im Südwesten der Stadt würden zwei Maßnahmen die Verkehrsströme wesentlich umleiten: so soll der Bahnübergang Rheingrafenstrasse ersatzlos wegfallen. Und die Ringstrasse wird zwischen Waldemarstrasse und Bösgrunder Weg voll gesperrt (bei Erreichbarkeit der kreuznacher diakonie von beiden Seiten). Der “Problembär” der “Entlastungsstrasse” ist nach wie vor der Fleischhauer-Kreisel. Für den gibt es nach Abschluss der Untersuchungen keine gute, nicht einmal eine mittelmässige Lösung. Sondern nur schlechte und ganz schlechte.
Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang: die bautechnisch wohl billigste Lösung schneidet am besten ab: eine Ampelanlage (LSA) an Stelle eines Grosskreisels. Dieses Ergebnis war für den Wissenschaftler so überraschend, dass er dies mehrfach in seinem Vortrag feststellte. Im Bereich Fleischhauer ist es übrigens nicht die Fahrtrichtung Ost-West und umgekehrt, die für die Probleme sorgt. Sondern die Fahrtrichtung Süd-Nord und in Gegenrichtung. Beide Verkehrsströme werden durch die vorstehend angedeuteten Veränderungen ansteigen. Von der Konrad-Adenauer-Strasse in Richtung auf die Ost-West-Trasse sogar so stark, dass ein Autorückstau von 120 bis 160 Metern bis auf die Lämmerbrücke angenommen wird.
Auch die jetzt schon erhebliche Belastung in der Gegenrichtung auf der Alzeyer Strasse nordwärts werde sich weiter steigern. Und damit zum Problem. Für das es keine gute oder auch nur mittelmässige Lösung gibt. Eben nur weniger schlechte. Die überraschende Erkenntnis, dass im Bereich Fleischhauer eine Ampel an Stelle des Kreisels die bessere von mehreren schlechten Lösungen ist, gilt auch für den Knoten Ochsenbrücke. Dort gibt es zwar seit je her eine Ampelanlage. Aber in den vergangenen 30 Jahren ging es in der kommunalpolitischen Diskussion beim Neubau dieses Knotenpunktes immer nur um die Frage, wie gross der Kreisel dimensioniert werden muss, um die LSA zu ersetzen.
Ergänzt durch teure und vom Platz her nicht machbare Rampen. Die neuen Ergebnisse legen allerdings die Einsicht nahe, dass eine zwar komplexe, aber effektive Ampelsteuerung besser funktioniert. Was nicht nur erhebliche Baukosten sparen würde. Sondern auch den Platzbedarf minimiert. Der Leiter des LBM Bad Kreuznach, Thomas Wagner, stellte abschliessend fest, dass es nun die Aufgabe der Stadt sei, endlich Klarheit hinsichtlich deren Pläne zu schaffen. Wohlbedacht verteilte Wagner am Ende seiner Ausführungen noch ein verkehrspolitisches Leckerli an die Ost-West-Trassen-Gegner in den Reihen von SPD, Grünen und Linken. Bezogen auf die Wilhelmstrasse, für die grösstenteils der LBM zuständig ist.
Weil es sich um eine Bundesstrasse (B 48) handelt. Würde die neue Ost-West-Trasse als Entlastungsstrasse gebaut, werde der LBM die Fahrspuren auf der Wilhelmstrasse reduzieren und dort Fahrrad- und Busspuren zulassen. Eine Aussprache oder auch nur Rückfragen in der Sache ließ Oberbürgermeister Emanuel Letz zu diesem Tagesordnungspunkt nicht zu. Seine Begründung: es handele sich lediglich um eine Mitteilungsvorlage. Der OB sicherte zu, dass es noch im November diesen Jahres eine Sondersitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Bauwesen, Umwelt und Verkehr geben werde, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftige (weiterer Bericht samt Kommentar folgt).