Dramatischer Einbruch bei der Gewerbesteuer: der Stadt fehlen 5,5 Millionen Euro

Kommentar von Claus Jotzo

Jetzt ist das passiert, wovor die leider sehr kleine Gruppe der verantwortungsbewussten Kommunalpolitiker*Innen immer wieder gewarnt hat: ein dramatischer Einbruch bei der Gewerbesteuer. Deren Einnahmen für die Stadtkasse in 2024 hatte die grosse, einsparungsunwillige Stadtratsmehrheit auf 35 Millionen Euro hochgesetzt. Obwohl die bundesweiten Steuerschätzungen schon bei der Beschlussfassung Ende 2023 nach unten gingen. Demzufolge lagen die Gewerbesteuersollstellungen im ersten Halbjahr 2024 auch um Millionenbeträge unter dem Haushaltsansatz. Was Kämmerer und Bürgermeister Thomas Blechschmidt Mitte des Jahres zu einer 20%igen Haushaltssperre veranlasste.

Im Juli und August näherten sich die Werte dann Woche um Woche steigend dem Planziel an. Um dies im September endlich – kurz – zu erreichen. Richtigerweise wurde die Haushaltssperre trotzdem nicht aufgehoben. Gleichwohl wurde das Zwischenergebnis in der Sitzung des Finanzausschusses am 1. Oktober von einigen Unwissenden mit Stimmrecht bereits gefeiert. Obwohl der Leiter des städtischen Kämmereiamtes, Thomas May, in für seine Verhältnisse deutlichen Worten darauf hinwies, das die finanzielle Wegstrecke bis zum Jahresende noch lang ist. Und leicht zu einer finanzpolitischen Durststrecke mutieren kann. Vielleicht wusste May bereits – oder ahnte – was nur drei Tage später passieren würde:

Ein Einbruch der Sollstellung an einem einzigen Tag (4.10.2024) um rund 6,4 Millionen Euro. Dieses Minus wurde in den Wochen danach nur unmerklich kleiner. So dass am aktuell letzt verfügbaren Datenstichtag (25.10.2024) die Sollstellung bei den Gewerbesteuereinnahmen nur noch rund 29,5 Millionen Euro beträgt. Also rund 5,5 Millionen Euro unter dem Haushaltsansatz. Wenn das so bleibt, hat das gleich mehrere fatale Konsequenzen. Zunächst einmal besteht jetzt die Gefahr, dass der Stadthaushalt für 2024 nicht mindestens mit einer schwarzen Null abschliesst. Denn die Haushaltssperre wird nach Schätzung von Bürgermeister Blechschmidt nur rund 3,5 Millionen Euro Einsparungen bewirken.

Ein Jahresminus müsste durch teure und grundsätzlich verbotene Kassenkredite ausgeglichen werden. Diese Tatsache würde weiterhin zur zusätzlichen Abwertung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Stadt durch die Finanzaufsicht führen. Mit der Folge, dass die gesetzlich definierten Finanzregeln noch härter durchgesetzt werden, als schon bisher. Konsequenz: das von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) bereits für dieses Jahr auf unter 7 Millionen Euro gedeckelte, rein kreditfinanzierte Investitionsvolumen der Stadt, wird in 2025 und den Folgejahren noch niedriger ausfallen. Allerdings stehen allein in die Infrastruktur, für eine neue Grundschule und Kitas zweistellige Millionen-Ausgaben an.

Eine zweite, mit dem Wort “dramatisch” noch untertrieben beschriebene Folge des fetten Minus bei der Gewerbesteuer in 2024 ist: der Ansatz für 2025 darf maximal in der Höhe der Einnahmen in 2024 festgesetzt werden. Eigentlich muss er sogar niedriger liegen, denn die aktuelle Steuerschätzung für Länder und Kommunen hat ein Minus in Millionenhöhe für die Stadt ergeben. Alle bisherigen Planungen für den Stadthaushalt 2025 gehen aber von 35 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen auch im kommenden Jahr aus. Bleibt es bei dem aktuellen Gewerbesteuer(soll)wert, müssen also allein dort sechs Millionen Euro im Ansatz gestrichen werden. Weitere zwei Millionen bei den Einkommen- und Umsatzsteueranteilen.

Und dann kommt ja noch (trotz jetzt schon geplanter Erhöhung von 550 auf 660 Punkte) ein dickes Minus bei der Grundsteuer. Das bisherige Defizit im Entwurf steigt damit von 16 auf 24 Millionen Euro. Geradezu grotesk wirken in dieser Situation die Anforderungen vieler zusätzlicher Stellen, die insbesondere aus den Dezernaten von Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) kommen: die von ihm persönlich im Dezernat I verantworteten Ämter (Stadtjugendamt, Stadtbauamt, Personalamt usw) fordern eine zusammen zweistellige Zahl neuer Stellen. Und damit einen Millionenmehraufwand bei den Personalkosten, für den das Geld schlicht nicht da ist.

Wie reagiert die Kommunalpolitik auf diese höchst unerfreulichen Entwicklungen und Fakten? Sie schaut dezent weg. Mit einer Ausnahme. Manfred Rapp. Aber der CDU-Fraktionsvorsitzende scheint auch in seiner Fraktion diesbezüglich ein Einzelkämpfer zu sein. Denn ohne jede Unterstützung eines anderen Ratsmitgliedes sprach Rapp in der gestrigen Stadtratssitzung das schockierende Gewerbesteuer-Zwischenergebnis an. Alle anderen 43 ehrenamtlichen Mitglieder des Gremiums blieben stumm. Unterstützung für Rapps Weckruf gabs keine. Das 45. Stadtratsmitglied, Oberbürgermeister Letz, wies emotionslos darauf hin, dass die Frist für seine zweite Einsparaufforderung an die Fachämter erst am heutigen 31. Oktober abläuft.

Ihm am Abend davor noch keine Rückmeldungen vorliegen. Und sich der Stadtvorstand samt Kämmereiamtsleiter Thomas May am Montag zur Krisensitzung zusammensetzt. So kann man man vielleicht die Igelgruppe in einer Kita “führen”. Nicht aber Kommunalpolitiker*Innen, von denen ein Teil der Aufgabenstellung schon fachlich und intellektuell nicht gewachsen ist. Und schon gar nicht eine politisch faule und desinteressierte Bevölkerung zum Mitmachen motivieren, die mehrheitlich fest daran glauben möchte, dass der Strom aus Steckdose kommt und kommunale Demokratie funktioniert, wenn man regelmässig lauthals an der Theke herumschwadroniert.