Scheidungspläne mit 59 Messerstichen beendet

Am 24. April diesen Jahres wurde eine 44jährige Bad Kreuznacherin in ihrer Wohnung in der Ellerbachstrasse mit 59 Messerstichen niedergemetzelt. Die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach hat den 55jährigen Ehemann wegen Mordes angeklagt. Nach dem dritten Verhandlungstag, der gestern vor dem Landgericht Bad Kreuznach stattfand, wird immer deutlicher: die sich in dem Tatgeschehen ausdrückende Übertötung muss als Femizid bewertet werden. Die Frau wurde laut Anklage umgebracht, weil der Ehemann aufgrund seiner ichbezogenen und patriarchalen Denkweise deren Trennungsabsichten nicht ertragen konnte.

Diese Einschätzung wird gestützt von der Aussage des die Ermittlungen führenden Kriminalbeamten, der am gestrigen Dienstagnachmittag (22.10.2024) als Zeuge aussagte. Zwar hatte ein Sohn des Angeklagten nach der Tat Familienangehörige dazu veranlasst die privaten Chats zu löschen. Dem Polizisten war es allerdings gelungen, relevante Teile wieder herzustellen. Auch wenn die Auswertung etwa der Textnachrichten der Söhne nicht erfolgen durfte, weil diese von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, konnte der Beamte eine Vielzahl von Daten und Fakten rekonstruieren.

Aus denen ergibt sich: die Beziehung der türkischen Eheleute war zerrüttet. Die in der Türkei lebende Tochter machte dafür beide Eltern verantwortlich. Schrieb die Hauptverantwortung allerdings dem Vater zu. Dieser unterstellte seiner in Bad Kreuznach lebenden Frau eine Beziehung zu einem in der Türkei lebenden Mann. Zwischen diesen beiden Personen gab es auch einen Chatkontakt, der eine wechselseitige Zuneigung belegt. Der Kripobeamte konnte daraus aber keine sexuelle Beziehung schlussfolgern. Fest steht, dass am 14. April, zehn Tage vor der Tötungshandlung, für die Eheleute ein Termin im Mainzer Generalkonsulat der Türkei vereinbart wurde.

Der sollte am 25. April, also am Tag nach der Tat stattfinden, wurde aber vorher abgesagt. In diesem Termin hätten die Eheleute einen türkischen Rechtsanwalt bevollmächtigt, für diese die Scheidung in der Türkei zu betreiben. Das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Ehefrau und der Verwandtschaft in den Monaten und Tagen vor der Tat ist ebenso von Bedeutung, wie der Termin im Konsulat, weil die Staatsanwaltschaft einen Mord anklagt, der bei Tatnachweis in der Regel mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wird, die Verteidigung in diesen Fällen regelmässig versucht die juristische Einordnung als Totschlag zu erreichen.

Weil dafür nur einige Jahre Gefängnis drohen. In der gestrigen Gerichtsverhandlung wurde u.a. auch der beim Rettungsdienst eingegangene und dort aufgezeichnete Notruf vorgespielt. Ein Anrufer meldet darin die Bluttat, beschreibt das, was er beim Eintreffen in der Küche der Wohnung vorgefunden hat und wird fernmündlich zur Durchführung von Erste-Hilfe-Maßnahmen bewegt. Die Ermittlungen haben ergeben, dass einer der Söhne das Tatgeschehen definitiv nicht miterlebt haben kann, weil dieser sich zu diesem Zeitpunkt auf der Arbeit befand, dort fernmündlich über den Streit der Eltern in Kenntnis gesetzt wurde und sich daher auf den Heimweg machte.

Zum Zeitpunkt der Tat hielt sich in einer anderen Wohnung des Mehrfamilienhauses, in dem die Tat geschah, eine 64jährige Diplompädagogin auf. Diese sagte gestern als Zeugin aus, von der Tat nichts mitbekommen zu haben. Sie habe geduscht und Radio gehört. Die Familie habe sie als freundlich erlebt. Wegen fehlender Deutschkenntnisse des Mordopfers habe sie sich mit der Frau nur unterhalten können, wenn deren Kinder übersetzt haben. Der Angeklagte trat im Gerichtssaal selbstbewusst auf, suchte Sichtkontakt zu den im Publikum ihn unterstützenden Familienangehörigen und wurde diesbezüglich von der Vorsitzenden Richterin zur Unterlassung angehalten.

Unwirsch zeigte er sich, als ihn die Justizvollzugsbeamten in einer Sitzungspause in Handschellen in die Arrestzelle des Gerichtes verbringen wollten. Bei der polizeilichen Wohnungsdurchsuchung nach der Tat wurden ärztliche Unterlagen gefunden, in denen dem Angeklagten eine mittelgrosse Depression bescheinigt wird. Das Gericht hat gestern den Terminplan für die weiteren Verhandlungstage bekanntgegeben. Demnach werden im November die Ergebnisse der Obduktion vorgestellt. Staatsanwaltschaft und Verteidigung werden ihre Plädoyers im Dezember halten. Kurz danach wird das Urteil verkündet.