Von Claus Jotzo
Der Versuch des Großwesirs Kara Mustafa Pascha, Wien einzunehmen, scheiterte – trotz zahlenmäßiger Überlegenheit seiner 120.000 Mann starken Truppen – im September 1682 in der Schlacht am Kahlenberg. Seit dem gab es bis in die Neuzeit keine relevanten militärischen Versuche des Osmanischen Reiches mehr, Teile von Westeuropa zu erobern bzw auf dem Balkan zurückzugewinnen. In den letzten Jahren seines Bestehens war das Osmanische aufgrund eines im August 1914 geschlossenen Bündnisvertrages einer der Bündnispartner des Deutschen Reiches. Dieser kleine Exkurs in die europäische und deutsche Geschichte ist erforderlich.
Weil diese auch in Bad Kreuznach Spuren hinterlassen hat. In Form des Besuches eines noch heute nicht nur von Historikern hochgeschätzten anderen “Pascha”: des Generals Mustafa Kemal Pascha, seit Mitte der dreißiger Jahre des 20sten Jahrhunderts besser bekannt unter seinem Ehrentitel “Atatürk”. Der Besuch fand am 19.12.1917 statt. Damals ahnte – zumindest hier im Naheraum – niemand, dass die in der Weltgeschichte später Bedeutung erlangende Person nicht der die Delegation anführende Bruder des osmanischen Sultans Mehmed V. war. Sondern der General in dessen Gefolge. Auch wenn der immerhin der Sieger von Gallipoli war.
Atatürk setzte sich im türkischen Befreiungskrieg durch. Und wurde wurde 1923 zum Staatsgründer der Republik Türkei. Es sind nur einige wenige deutsche Städte, deren Boden Atatürk je betreten hat: Berlin, München, Essen – und Bad Kreuznach. Noch heute erinnert daran der Atatürk-Saal im Kurhaus. Und eine Gedenktafel, die der damalige Hoteliers Gojko Loncar mit Unterstützung des seinerzeitigen Oberbürgermeisters Rolf Ebbeke anbringen liess. Heute wird Atatürk als Politiker geschätzt, der die Türkei nach westlichem Vorbild modernisierte, Sultanat und Kalifat abschaffte und weitreichende gesellschaftliche Reformen wie die Trennung von Moschee und Staat und die Gleichstellung von Mann und Frau durchsetzte.
Reformen, die ein Teil der rund 3.000 Einwohner*Innen Bad Kreuznachs mit türkischem Migrationshintergrund heute gar nicht mehr so positiv sieht. In der Sitzung des städtischen Partnerschaftsausschusses am gestrigen Montag formulierte Oberbürgermeister Emanuel Letz erstmals den Gedanken an eine Städtepartnerschaft mit einer türkischen Stadt (“wäre auch eine Idee”). Ausgelöst wurde die Kreativität des OB durch eine Anfrage von Jürgen Eitel (Freie Wähler). Der Winzenheimer erinnerte daran, dass schon vor Jahresfrist Überlegungen hinsichtlich einer weiteren Partnerschaft angestellt worden seien.
Und wollte wissen, wie weit diese zwischenzeitlich gediehen sind. Spontane Unterstützung für den Letz-Vorschlag gabs von Ahmet Dasli (SPD), der seine Bereitschaft erklärte ein solches Projekt auf sprachlicher Ebene zu unterstützen. Die aufkommende Euphorie bremste Letz mit der Ankündigung ein, sich zunächst mit dem Innenministerium abzustimmen. Denn “es muss ja politisch passen”. Sandra Emmes (Faire Liste) schlug Überlegungen in Richtung Belgien und Niederlande vor, damit es auch räumlich passt. Weil die Reisekosten bei “fahrbaren Strecken” eben deutlich niedriger sind.