Kommentiert von Claus Jotzo
Gestern Abend im Kulturausschuss der Stadt. Das Gremium tagte in öffentlicher Sitzung. Aber nicht eine einzige Person, die in Sozialen Medien oder anderen Orten der Selbstdarstellung über die kommunale Kulturförderung lästert, war als Zuhörende anwesend. Daher haben all diese Schönredner und Schwätzer einmal mehr höchst relevante Informationen und Präsentationen verpasst. So auch eine einfache, die Kritiker*Innen vollständig argumentativ entwaffnende Rechnung, die Marco van Bel, der Leiter der Museen Schlosspark und Römerhalle, aufmachte.
Er erinnerte daran, dass die Stadtpolitiker*Innen (Anmerkung von mir: das sind jene Leute, die eilfertig zustimmend die Hände in die Höhe reckten, als vom Stadtbauamt vorgegaukelt wurde, für einen Eigenanteil von nur 200 bis 300 tausend Euro könne man die Fahrradgarage am Bahnhof bauen – deren tatsächliche Baukosten dann mit über 3 Millionen Euro zu Buche schlugen) in ihrer unerschöpflichen Weisheit 2012 beschlossen, die städtischen Kulturausgaben für 15 Jahre, bis 2027, zu deckeln. Auch wenn damals selbst Dummis wussten, dass es eine sogenannte “Inflation” gibt.
Seit dem wurden von den selben Leuten zig Millionen Euro Steuer- und Abgabengeld der Bürger*Innen für allen möglichen Unsinn in der Nahe versenkt. Für die drei Museen der Stadt fielen dabei nur Brosamen ab. Die einfach nachvollziehbare Rechnung des Museumsleiters: allein die Inflation hat die per Stadtratsbeschluss festgeschriebenen Zuschüsse für die Stadtkultur im Laufe der Jahre um 28,6% entwertet. “Das fehlt uns”, stellte Marco van Bel ohne Resignation sachlich fest. Und wies darauf hin, dass die von ihm geführten Häuser “jahrelang totgespart” wurden.
Weshalb etwa keine Räumlichkeiten bestehen, “um die Sammlungen angemessen zu präsentieren”. Die Leiterin des städtischen Kulturamtes, Grit Gigga, dankte Marco van Bel, Stefan Meisel (dem Leiter der Stadtbibliothek) und Markus Dorner (dem Leiter des Museums für PuppentheaterKultur, PuK) gestern ausdrücklich für deren weit überdurchschnittliches Engagement. Ein mehr als berechtigtes Lob. Dem aber – wofür nicht Grit Gigga, sondern allein die Stadtratsmehrheit verantwortlich ist – keinerlei auch nur ansatzweise angemessene Konsequenzen folgen. Beispiel Stadtbibliothek. Die hat aufgrund des von Stefan Meisel geführten Teams unfassbare 150.000 Besucher*Innen im Jahr.
Mehr als dreifach so viel, wie das Bäderhaus. Die Luxussauna für den wohlhabenden Teil der Bevölkerung (nach Angaben der Stadt überwiegend Ortsfremde) kostet die Stadtgesellschaft aber jährlich hunderttausende Euro mehr, als die Stadtbibliothek, in der auch finanziell nicht so gut ausgestattete Menschen gesellschaftliche Teilhabe erleben können. Wie peinlich die Fehleistungen der Politiker*Innen sind, wird u.a. daran deutlich, dass die Stadtbibliothek mit einem vierstelligen Betrag im Jahr (! da kostet die Wartung der Dienstwagen des Stadtvorstandes mehr) für Medien-Neuanschaffungen kurz gehalten wird.
Während im selben Zeitraum allein für das Totalversagen der zuständigen Behörden bei der Bekämpfung der illegalen Müllablagerungen im Stadtgebiet 400.000 Euro ver(sch)wendet werden. Auch wie kleinkariert und sachfremd die Mehrheit der hiesigen Kommunalpolitiker*Innen entscheidet, wurde gestern deutlich. Den Kauf des neuen Rathauses winkte eine grosse Mehrheit ohne Bedenken durch. Mittlerweile steht fest: es sind weitere Aufwendungen in Millionenhöhe nötig, um das Haus als Verwaltungsgebäude nutzen zu können. Und trotzdem ist nicht genug Platz für alle Mitarbeitenden. Zudem war in den jahrelangen Vorbereitungen des Kaufes von einem Punkt nie die Rede.
Nämlich, dass allein für das Betreiben dieses Gebäudes zusätzliches Personal benötigt wird. Ohne jede Diskussion wurden dafür zwei neue Haustechniker-Stellen eingerichtet. Wie in der gestrigen Sitzung des Kulturausschusses erstmals öffentlich bekanntgegeben und – erfreulich kritisch – diskutiert wurde, gingen die Verantwortlichen ganz anders vor, als 2015 die Stelle des Leiters der Museen Schlosspark und Römerhalle neu besetzt wurde. Obwohl schon die Vorgängerin Marco van Bel’s über die Arbeitsbelastung geklagt und einiges (Stichwort u.a. Magazin) hat liegen lassen, wurde damals aus der Vollzeit- eine um sieben Wochenstunden gekürzte Teilzeitstelle.
Nach neun Jahren unbezahlter Überstunden und einem umfassenden Arbeitsnachweis beantragte die Kulturverwaltung nun (endlich) die Aufstockung der Museumsleitung auf eine Vollzeitstelle. Ausgerechnet von einer Kulturschaffenden (Birgit Ensminger-Busse, CDU) wurde der Versuch unternommen, dieses sehr berechtigte Anliegen zu verhindern. Irgendwann hatte Ensminger-Busse in ihren bisher mehr als sieben Stadtratsjahren mal aufgeschnappt, dass auch der Leiter des PuK, Markus Dorner, nicht auf einer Vollzeitstelle tätig ist. Unter dem Deckmantel der verwaltungsinternen Gerechtigkeit wies Ensminger-Busse darauf hin. Und forderte Gleichbehandlung. Samt Verzicht auf die Stundenaufstockung.
Um dann einen im positiven Sinne beispiellosen Akt kollegialer Solidarität zu erleben, der die Ensminger-Busse-Argumentation schneller in sich zusammenfallen ließ, als ein Kategorie-5-Hurrikan ein Kartenhaus. Markus Dorner erklärte mit nachvollziehbarer Begründung die volle Zufriedenheit mit seiner seit 20 Jahren bestehenden Arbeitszeit-Situation. Und sprach sich, wie auch Erika Breckheimer (CDU), ausdrücklich für die Mehrstunden des Kollegen aus. Eine Sternstunde für kommunale Kultur. Der Ausschuss beschloss anschließend einstimmig die Zustimmung zum Verwaltungsvorschlag (Bericht folgt).