Die diesjährige Eröffnung des Jahrmarktes hat sich in einigen Punkten deutlich von der der Vorjahre unterschieden. Kaum in der Zeitspanne zwischen Treffpunkt der Offiziellen am Bahnübergang und den sieben Böllerschüssen. Die sollten nach dem neuen Konzept früher über das Stadtgebiet schallen. Aber die Verspätung des Ministerpräsidenten verhinderte das. Die Straffung des Vorprogramems fiel daher nicht aus wie vorgesehen. Bereits seit der Bekanntgabe der Neuerungen umstritten: die Verlegung der Eröffnungsbühne vom Nahewein- zum Kölschzelt.
Diese Kritik kommt allerdings von Personen, die entweder ein schlechtes Gedächtnis haben oder sehr interessensgesteuert argumentieren. Denn etwa in den neunziger Jahren fand die amtliche städtische Eröffnungsfeier eben nicht im Nahewein- sondern im Bierzelt statt. Und anders als damals, darauf hat Jahrmarktsbürgermeister Markus Schlosser sehr zu recht hingewiesen, hat die Stadt ihre Unterstützung für die Naheweinwerbung seit dem deutlich hochgefahren. Die Naheweinprobe auf dem Riesenrad, ein bundesweites Alleinstellungsprojekt, wurde vom Stadthaus initiiert.
Auf die Idee hätte Weinland-Nahe in eigener Verantwortung auch schon vor 40 Jahren kommen können. Auch der Feierabendmarkt, der NaheChill und die Weinaktionen auf der Alten Nahebrücke sind – abseits des Jahrmarktes – Werbeveranstaltungen für den Nahewein, die es vor fünf Jahren noch nicht gab. Wer angesichts dieser Fakten aus dem neuen Jahrmarkts-Eröffnungskonzept einen Schlag gegen den Nahewein konstruiert, verweigert diesen erfolgreichen Projekten die gebotene Anerkennung und setzt sich leichtfertig dem Vorwurf der Selbstsüchtigkeit aus.
Die Idee des Schaustellerverbandes, mit dem Auftritt eines Gauklers an uralte Jahrmarktstraditionen zu erinnern, kann nur positiv bewertet werden. Alle paar Jahre sind derartige Rückbezüglichkeiten wertvoll und wichtig. Eigentlich müsste über den Ursprung und die Geschichte des grössten Volksfestes der Region viel umfassender informiert werden. Hier könnten Projekttage in den Grund- und weiterführenden Schulen, jeweils altersgemäß, wertvolle Lernerfolge bewirken. Wenn etwa bekannt würde, wie Menschen mit Behinderungen noch vor 90 Jahren öffentlich gegen Eintritt als abartige Sensationen vorgeführt wurden.
Diese und andere aus der Jahrmarktsgeschichte gewonnenen Erkenntnisse würde es den heute lebenden jungen Menschen leichter machen zu verstehen, wie in der selben Zeit extrem nationalistische und andere Wahnvorstellungen in den gleichen Köpfen entstehen konnten, die sich am Anblick kleinwüchsiger oder einäugiger Menschen delektieren konnten. Insofern stellen die vom Schaustellerverband umgesetzten Veränderungen durchaus eine gute Basis dar, um die zugesagte Auswertung zu bereichern und langfristige Umgestaltungen und Ergänzungen zu bewirken.
Die Straffung des Vorprogrammes bis zu den Eröffnungs-Böllern und die Verlegung des Platzrundganges auf die Zeit danach sind einfach richtig und werten den Eröffnungsakt auf. Der Schaustellerverband muss andererseits akzeptieren, dass das Programm vielen Beobachtern “zu kölsch” vorkam. Musikkapelle und Gaukler aus Köln. Und dann auch noch eine Kirmeskönigin mit NRW-Schärpe. Das wird es mit Sicherheit so nicht noch einmal geben. Der Ministerpräsident hat darauf mit feinsinniger Kritk hingewiesen, in dem er seine Pfälzer Herkunft betonte und ausdrücklich seine Toleranz gegenüber obergärigen Bieren betonte.
Dieter Gronbach, der Vorsitzende des Freundeskreises Kreiznacher Johrmarkt e.V. wollte die diesjährige Eröffnungszeremonie auf Anfrage nicht kommentieren. Kündigt aber für die von der Stadtverwaltung zugesagte Auswertung an, “mit den gewonnenen Erfahrungen eine Konzeption für künftige Eröffnungen mit regionalem Bezug zu erarbeiten”. Dabei müssen auch die berechtigten Kritikpunkte an den Jahrmarktseröffnungen der Vergangenheit angesprochen werden. Diese Diskussion bietet viele Chancen. Mal sehen was die Verantwortlichen daraus machen. Und in welcher Weise und in welchem Umfange die Jahrmarktsgäste einbezogen werden.