Wieder eine Stadteinfahrt verschandelt

Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

In Städten leben Menschen noch keine 6.000 Jahre. Relativ schnell wurden die großen Wohnansammlungen mit sesshafter Bevölkerung wegen der Begehrlichkeiten von aussen auf den dort sich akkumulierenden Wohlstand durch Mauern geschützt. Einlaß gab es nur an den – teils prächtig ausgestalteten – Toren. Siehe die Porta Nigra in Trier. Oder das Holstentor in Lübeck. All diese Großtaten städtischer Architektur stellte das Ischtar-Tor Babylons in den Schatten. Errichtet in der Herrschaftszeit Nebukadnezars II rund 580 vor Christus. 28 Meter breit. 11 Meter tief.

Wer über die B 428 von Bosenheim kommend runter in die Stadt fährt, wird seit einigen Tagen linker Hand von Kraftfahrzeugen – statt wie früher von Rebstöcken – begrüsst.

Der Torraum allein war 15 mal 8 Meter groß. Weltberühmt ist das Tor allerdings nicht wegen seiner Dimensionen. Sondern wegen seiner Ausgestaltung. Die Mauern waren mit blauen Glasurziegeln bedeckt. Darin eingebettet Reliefziegel, die die Wände mit Löwen, Stieren und Fabelwesen schmückten. Eine beispiellose Pracht. Die als Nachbau heute im Pergamonmuseum (Berlin) zu genießen ist. Babylon hat mit diesem Tor u.a. sein Selbstverständnis präsentiert. Die Absicht war: Gästen den bestmöglichen Eindruck zu vermitteln.

Der darin innenwohnende Grundgedanke ist – vor allem in Tourismusstädten – noch heute weltweit verbreitet. Insofern wird die ganze Unfähigkeit der Bad Kreuznacher Kommunalpolitik in diesen Tagen wieder einmal augenfällig. Auf der einen Seite findet am kommenden Mittwoch eine Sondersitzung des Stadtrates statt, in der die Bedeutung des Tourismus für die Stadt zum Xten Mal zelebriert werden soll. Um den Einwohner*Innen zu suggerieren, dass es in ihrem Interesse ist, wenn die Gäste des Bäderhauses und der Kurthermen je Eintritt mit 15 bis 25 Euro subventioniert werden.

Viele Millionen Euro Steurgeld müssen die Bad Kreuznacher*Innen Jahr für Jahr dafür aufbringen. Und erleben dann, wie aktuell ein weiterer Stadteingang verschandelt wird. Damit sind nicht etwa Umbauten am Michelin-Werk gemeint. Eine solche Industrieanlage kann man halt nicht verstecken. Und auch wenn es direkt an der Haupteinfahrt in die Stadt gelegen ist, muss man das auch nicht. Nicht nur, weil Michelin im erfreulichen Gegensatz zu Bäderhaus und Therme Millionen Euro Steuern einbringt. Und tausenden Menschen gute bezahlte Arbeitsplätze bietet.

Sondern weil die hochmoderne Reifenfabrik auch ein Symbol für die technische Leistungsfähigkeit der Menschheit darstellt. Zudem diese, da derzeit noch fast alle Auto fahren, auch ein reales Lebens-Zeichen ist. Seit Jahren vernachlässigt und in einem beklagenswerten Zustand ist die Stadteinfahrt durch den Brückes. Über hunderte von Metern werden den Gästen dort Autoleichen bzw stillgelegte Kraftfahrzeuge präsentiert. Leider nicht in der Weise, wie es vor Autohäusern geschieht. Der optische Eindruck geht mehr in Richtung Schrottplatz.

Ganz so schlimm sieht es seit Ostern auf der Südseite der B 428 nicht aus. Aber trotz Einzäunung und Schotterbodenbelag ist der neue Autoverkaufsplatz vis-a-vis vom Rehner-Gartenzentrum eine gestalterische und nutzungsbezogene Zumutung. Konkret wird dort die Verschandelung einer weiteren Stadteinfahrt verwirklicht. Ganz legal. Denn der Bebauungsplan läßt das zu. Der wurde von den selben Kommunalpolitiker*Innen beschlossen, die an längsten Haaren abwegigste Begründungen heranziehen, um unter dem Versprechen “Tourismusförderung” jährlich siebenstellige Steuerbeträge zu verplempern.

Und durch ihre Nachlässig- und Gleichgültigkeit aktiv ermöglichen, dass die im Kurgebiet so sehnsüchtig erwarteten Touristen gleich am Stadteingang abgeschreckt werden. Denn es stimmt: Gradierwerke haben sie in Frankfurt und Umgebung nicht. Sattsam bekannt sind dort allerdings Autopräsentationen. Um die zu sehen, muss keiner aus dem Rhein-Main-Gebiet hier her kommen. Wieso wurde da wieder gepennt? Wieso wurde diese Verschandelung zugelassen?