“Earth Hour”: so (ent)täuscht die Stadt die Einwohner*Innen

Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

Seit Jahren nimmt die Stadt Bad Kreuznach nach eigenen Angaben an der sogenannten “Earth Hour” teil. Die “Stunde der Erde” ist eine vor 17 Jahren vom WWF ins Leben gerufene Aktion, mit der Menschen, Städte und Unternehmen ein Zeichen für den Klimaschutz setzen. Wie schon seine Vorgängerin rief auch der aktuelle Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) die Einwohner*Innen Bad Kreuznachs per Presseerklärung zum Mittun auf (diese Seite berichtete): „Machen Sie bei der Earth Hour mit und schalten sie am Samstag um 20.30 Uhr für eine Stunde das Licht aus“.

Wie wenig ernst die Stadt selbst diesen Aufruf nimmt, hat die Redaktion dieser Seite gestern Abend im Bild dokumentiert. Daher steht fest: einen relevanten Beitrag hat die Stadt nicht geleistet, obwohl sie sich auf die WWF-Liste eingetragen hat. Im Gegenteil. Ohne jede Hemmung wurden Energieverschwendung und Lichtverschmutzung fortgesetzt wie eh und je. Das krasseste Beispiel bot das Salinenbad. Es konnte nur mit Steuergeld-Millionen gebaut werden. Und wird von der 100%-Stadt-Tochter BAD GmbH betrieben. Die macht so grosse Defizite, dass in diesen Tagen sogar eine Insolvenz im Raum steht.

Energiesparen müßte bei der BAD also auch ohne Earth Hour Alltagsgeschäft sein. Wenn der Oberbürgermeister sein eigenes Geplapper auch nur ansatzweise selbst ernst nehmen würde, wäre es ihm als Vertreter des Alleingesellschafters Stadt ein Leichtes gewesen, dort jene Stunde Verzicht auf Lichtkonsum anzuordnen. Natürlich nicht im Gebäude selbst. Dort finden um diese Zeit ja Reinigungsarbeiten statt. Aber davor. Im Freien. Dort erhellen 12(*) Lampen die Kunst am Bau. Und die Fahrradständer. An keinem einzigen befand sich ein Rad. Gäste waren gegen 20:45 Uhr natürlich auch keine mehr da.

Es sind Insekten und kleine Nagetiere, die auf Steuerzahlerkosten eine unwillkommene Nachtbeleuchtung erhalten. Hirnlose Lichtverschmutzung. Bezahlt von Geld, dass gar nicht da ist, sondern als Kredit aufgenommen wird zu Lasten der folgenden Generationen. Ein weiteres Beispiel: die zwei Lampen im Eingangsbereich des Behördenhauses, in dem aktuell unter anderem die Volkshochschule, das Jugendamt, der Personalrat und andere städtische Arbeitsplätze untergebracht sind. Die leuchteten ohne jede Notwendigkeit. Denn natürlich wurde da am Samstagabend nicht gearbeitet.

Wie schwachsinnig diese Beleuchtung ist, erkennt der nicht ganz verblödete Mitmensch daran, was nicht beleuchtet ist: der Weg zur dortigen Briefkastenanlage – die von Personen mit Arbeitszeiten, die von denen der Verwaltungsmenschen abweichen, tatsächlich auch nachts genutzt wird. Aber das sind ja nur die Idioten, die den Verwaltungsmurks bezahlen. An die wird natürlich in der Verwaltung nicht gedacht. Ein starkes Zeichen für ein ernsthaftes Mittun bei der Earth Hour wäre gewesen, wenn statt der vollen Beleuchtung im Parkhaus Badealle nur die Notbeleuchtung eingeschaltet worden wäre.

Mit der mußten die Nutzer*Innen auch beim Stromausfall vor einigen Monaten zwangsweise auskommen. Und eine tatsächlich am Anliegen des WWF interessierte Verwaltung hätte dort allein gestern eine dreistellige Zahl von Einwohner*Innen mitnehmen können: indem nämlich spätestens seit Samstagfrüh per Plakat auf die einstündige Abschaltung und deren Hintergrund bei der Einfahrt hingewiesen worden wäre. Wegen der Veranstaltungen gestern Abend im Kurgebiet hätte das eine große Zahl von Menschen erreicht. Aber das wäre ja mit Mühe und Arbeit verbunden gewesen.

Und das ist die Earth Hour der Stadtverwaltung Bad Kreuznach nicht wert. Nur halt eine lieblos hingerotzte Presseerklärung, mit der Aktionismus vorgetäuscht wird. Das Schlimmste an dieser Verwaltungsunehrlichkeit und der Faulheit einiger jener Mandatsträger*Innen, die sich den Umwelt- und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben haben, sind die fatalen Folgen ihres Fehlverhaltens in Form der Wirkung auf die einfache Bevölkerung. Diese liest in einem großkotzigen Stadtratsbeschluss, wie wichtig bestimmte Maßnahmen sind.

Und muss dann miterleben, wie die für diesen Beschluss stimmenden Stadtratsmitglieder schon bei kleinsten Umsetzungen total versagen. In den Gremien wird in öffentlichen Sitzungen lauthals schwadroniert. Aber wenn der BAD-Aufsichtsrat nichtöffentlich tagt, dann sprechen auch der Linke-Fraktionsvorsitzende Jürgen Locher und die beiden grünen Aufsichtsräte Hermann Bläsius und Günter Sichau die nächtliche Lichtverschmutzuung samt Energieverschwendung am Salinenbad nicht an. Sondern heben brav die Hand für eine Bekleidet-Sauna-Investition und andere Tollheiten.

Die von dieser Seite über drei Jahre hinweg ins Bild gesetzte Licht- und Energieverschwendung am alten Jugendamt (Hochstrasse) wurde von keinem der angeblichen Umweltschützer in den Gremien je thematisiert. Wie krass in diesem Themenkreis insbesondere das Versagen der Bad Kreuznacher Grünen ist, mag an folgendem Beispiel deutlich werden: am 30.7.2019 beantragten diese mit einer überzeugenden Begründung Maßnahmen gegen sogenannte Schottergärten. Der Stadtrat nahm diesen Antrag am 29.8.2019 mit 40 Ja- gegen eine Neinstimme an.

Wenige Monate zuvor hatten die Stadtwerke in der Kilianstrasse 5 ein neues Kundenzentrum bezogen. Erst im Frühjahr 2020 wurden dort die Aussenanlagen fertiggestellt. Mit einer fetten schwarzen Schotterfläche rund um das Werbeschild der Stadtwerke. Die Stadtwerke gehören direkt und indirekt zu rund 51% der Stadt Bad Kreuznach. Im Stadtwerke Aufsichtsrat sitzt ein Grüner. Im Sommer 2022 wurde auf Antrag der FDP mit den Stimmen der Grünen und deren ausdrücklicher wortreicher Unterstützung der für die Schotterfläche verantwortliche Geschäftsführer über ein Jahr vorzeitig für weitere fünf Jahre mit einem Vertrag ausgestattet.

All diese Möglichkeiten haben die Grünen nicht für eine Beseitigung dieser schwarzen Steinschotterfläche genutzt. Deren Ersatz durch eine Wiese würde natürlich das Stadtklima nicht retten. Ebensowenig wie eine aktive Teilnahme an der Earth Hour. Aber wie bei dieser geht es doch um die symbolische Bedeutung. Es geht um kleine Zeichen an die Bevölkerung, dass die Klimaschützer es ernst meinen. Es geht um Glaubwürdigkeit. Und da versagt ein Teil der Umweltschutzschwätzer.

Dabei wäre es doch ganz einfach. Sich nämlich so verhalten, wie man redet. Und eben nur so reden, wie frau/man/divers sich auch verhalten kann/möchte. Wenn etwa Hermann Holste (Grüne) über Radfahrförderung spricht, dann ist das glaubwürdig. Weil der Mann bei jedem Wetter und fast allen Gelegenheiten selbst mit dem Rad unterwegs ist. Deshalb muss niemand seine Meinung teilen. Aber viele respektieren sie. Das bewirkt Verhaltensänderung.

Das Rausplärren von Forderungen ohne die geringste Folgeaktivität (Beispiel Schottergärten) liefert den Leugnern der wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel und den unzähligen inneren Schweinehunden bequemste Argumente. Aus diesen Gründen ist dieser Scheinheilig- und Unehrlichkeit entschieden entgegenzutreten. Denn sie beschädigt die notwendigen Veränderungen mehr, als alle Porschefahrer*Innen zusammen.

(*) Für die einfach Strukturierten im Stadtrat und im BAD-Aufsichtsrat: dort leuchten selbstredend mehr als 12 Lampen. Aber damit die Reinigungskräfte sich den sehr kurzen Weg zu ihren direkt vor dem Bad geparkten Autos nicht mit den teuer aufgeladenen Handyakkus leuchten müssen, erwarten wir ja gar nicht, dass alle ausgeschaltet werden. Nur die 12, die ohne jeden Sachgrund, rein zum Zweck der Verschwendung leuchten.