Wer wird wann Aufsichtsratschef(in) der Gewobau?

Recherchiert von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Es gibt Tage, da kummulieren die Ereignisse. Auch kommunalpolitische. Der gestrige Nikolaustag (6.12.2022) war so einer. Der Stadtrat tagte. Der Hauptausschuss traf sich. Die städtische Poststelle hatte eine Reihe nicht unwichtiger Eingänge zu bearbeiten. Einer davon: ein Antrag der Fraktion Faire Liste / BüFEP für die Stadtratssitzung am 15. Dezember. Mit einem Inhalt, der bei den Stadtbossen Unbehagen auslösen wird. Denn die stärker als einige andere auf Transparenz und demokratische Entscheidungsfindung achtende Fraktion verlangt mit einem eigenen Tagesordnungspunkt das Tätigwerden des Stadtrates. Der soll den von der Stadt bestimmten Mitgliedern des Aufsichtsrates der Gewobau eine Anweisung erteilen.

Diese bezieht sich auf nichts Geringeres als auf die Person, die die Nachfolge der am 13. März 2022 von den Einwohner*Innen krachend abgewählten Ex-Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer (SPD) an der Spitze des Aufsichtsgremiums der Gewobau antritt. Würde diese Entscheidung von den 12 städtischen Aufsichtsratsmitgliedern getroffen, wäre der Ausgang klar. Alleine drei (Emanuel Letz, Oliver John und Volker Stephan) verfügen über ein FDP-Parteibuch. Angesichts der durch FDP-Stadtrat Werner Lorenz promoteten Zusammenarbeit seiner Liberalen mit SPD, Grünen und Linken würde nichtöffentlich im Hinterzimmer Emanuel Letz gewählt.

In öffentlicher Stadtratssitzung sieht die Lage etwas anders aus. Nicht nur weil Emanuel Letz dort kein Stimmrecht hat. Und die FDP im Stadtrat nur über zwei von 44 Stimmen verfügt. Sondern auch, weil etwa die Grünen ohne erheblichen Glaubwürdigkeitsverlust in öffentlicher Sitzung ihr Abstimmverhalten kaum verschweigen können. Und ihren Wähler*Innen dann erklären müssen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Manfred Rapp hatte den Widerstand seiner Christdemokraten “gegen drei FDPler an der Gewobau-Spitze” (gemeint sind damit Geschäftsführer Karl Heinz Seeger, der stellvertretende Aufsichsratsvorsitzende Volker Stephan und OB Letz als Vorsitzender) bereits öffentlich im Stadtrat erklärt.

Im Zusammenhang mit der gescheiterten Neuordnung der Dezernate. Kurzum. Letz hat im Stadtrat weitaus mehr Kritiker*Innen, als im Aufsichtsrat der Gewobau. Der Antrag der Fraktion Faire Liste / BüFEP ist rechtlich sehr ernst zu nehmen. Denn § 88 der Gemeindeordnung (GemO) bestimmt: der Stadtrat “kann dem für die Vertretung der Gemeinde zuständigen Bürgermeister oder Beigeordneten und den weiteren Vertretern Richtlinien oder Weisungen erteilen”. Dieser Antrag kommt punktgenau zum richtigen Zeitpunkt. Richtig aus Sicht derer, die Emanuel Letz als Aufsichtsratsvorsitzenden der Gewobau verhindern möchten. Denn im Stadthaus trudelte gestern noch ein weiteres Schreiben ein. Kein Antrag. Sondern eine Einladung.

Darin wird der Aufsichtsrat der Gewobau für den 12.12.2022 zu einer Sitzung einberufen. Drei Tage vor der Stadtratssitzung sollen eine Reihe mehr formaler Punkte erledigt werden. Etwa die Genehmigung des Protokolles der letzten Sitzung am 2. November 2021. Und dann steht da auch die Wahl des oder der neuen Aufsichtsratsvorsitzenden auf der Tagesordnung. Was die Fragen aufwirft: darf der Aufsichtsrat autonom machen, was die im Hintergrund agierenden Politikstrategen wollen? Oder geht das Kontroll- und Weisungsrecht des Stadtrates vor? Da zeichnet sich also zusätzlicher Beratungsbedarf ab. In Tagen, die sowieso voller Anstrengungen auf der Suche nach Antworten sind.