Märchenstunde und Legendenbildung im Hauptausschuss

Recherchiert und bewertet von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Es erweist sich immer mehr als ein gravierender Nachteil, dass auf der Führungsebene der Stadtverwaltung niemand mehr im Amt ist, der auch nur fünf Jahre rückblickend relevante Fakten kennt. Natürlich ist auch die Tatsache, dass sich die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen wirklich jedes Märchen bereitwillig erzählen lassen, ohne Widerspruch zu erheben, unerfreulich. Wie es einmal mehr am Montagabend dieser Woche im Hauptausschuß zu erleben war. Besprochen wurde da der Stellenplan für 2023. Eine der aufgerufenen Stellen: die der Leitung des Stadtrechtsamts. Die wurde bis vor einigen Wochen von Heiderose Häußermann besetzt.

Leider macht es die Desinformation durch Amtspersonen der Stadtverwaltung immer wieder erforderlich, dass die Redaktion dieser Seite als “vertraulich” oder “geheim” eingestufte Dienstdokumente beschafft und veröffentlicht.

Die Stadtrechtsdirektorin wurde nach A16 bezahlt. Die Stelle ist im neuen Stellenplan mit A15 ausgewiesen. Die Differenz kostete die Einwohner*Innen in den vergangenen Jahren rund 15.000 Euro extra. Je Jahr. Im Stellenplan für 2023 ist dazu ausgeführt: “die Amtsleiterstelle ist zu hoch bewertet gewesen und wird nach Neubesetzung niedriger ausgewiesen”. An dieser Formulierung störte sich Markus Schlosser. Der Beigeordnete führte aus, dass “Frau Häußermann die letzten Jahre noch das Ordnungsamt mit geleitet hat. … insofern war die A16 für die Frau Häußermann gerechtfertigt”.

Schlosser schloß seine Verteidigungsrede mit den Worten: man muss es auch noch Mal “ins rechte Licht rücken, was war und was jetzt ist”. Allerdings, Markus Schlosser. Die Wahrheit ist nämlich eine ganz andere. Leider wurde diese auch vom Personalamt in der Sitzung den ehrenamtlichen Ausschußmitgliedern verschwiegen. Richtig ist nämlich, dass der Fall der Bad Kreuznacher Stadtrechtsdirektorin und der Überbewertung ihrer Stelle bereits im Jahr 2014 zu einem Prüfbericht Anlaß gab. Zu einem Zeitpunkt, als sie über 17 Jahre lang nichts anderes als das Rechtsamt leitete. Und von der zusätzlichen Ordnungsamtleitung keine Rede war.

Und zwar nicht, wie vom Personalamt angeführt, aufgedeckt von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD. Sondern vom Rechnungshof des Landes Rheinland-Pfalz (LRH). Dem höchsten Kontrollorgan zum Schutz der Steuerzahler*Innen war bei der seinerzeitigen Prüfung der Stadtverwaltung einiges aufgefallen. U.a. die unberechtigte, üppige Besoldung mehrerer Dienstposten. Daher fertigte der LRH am 6. November 2014 einen “Anhang zu den Prüfungsmitteilungen vom 6. November 2014 (zur Ehrenrettung der Mandatsträger*Innen muss hier angemerkt werden, dass die Verwaltung seinerzeit darüber nicht transparent informierte):

“Ergebnisse der Bewertung von Stellen bei der Stadtverwaltung Bad Kreuznach” (interessierte Stadtrats- und Ausschußmitglieder können diesen als “vertraulich” eingestuften Bericht, Aktenzeichen 6-P-7061-22-1/2013, gern bei der Redaktion dieser Seite einsehen. Da wir – anders als die Stadtverwaltung – Datenschutz ernst nehmen, in das gebundene Original. Und nur nach dem “GE eyes only”-Standart). Der LRH-Geheimbericht ging an die damalige Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer. Sie war für die zu ziehenden Konsequenzen verantwortlich.

Unmißverständlich ist in dem Dokument festgehalten, dass “die Stelle der Amtsleitung eines Rechtsamtes erst ab der Größenklasse 2 (Gemeinden ab 200.000 Einwohner) nach Besoldungsgruppe A16 bewertet” ist. Bad Kreuznach hatte zum Beginn der Prüfung im Jahr 2013 nicht einmal 50.000 Einwohner*Innen. Die Prüfer ordneten daher die Ausweisung der Stelle nach A15 und einen KU-Vermerk (KU = kann umgewandelt werden) an. Dieser Hintergrund ist bei der neuen Besoldung der Rechtsamtsstelle in den aktuellen Beschlußvorlagen nicht einmal angedeutet.

Die Ausführungen des Beigeordneten Markus Schlosser, der sich aktuell auf die im kommenden Jahr freiwerdende Stelle des Kreisbeigeordneten beworben hat, seit einigen Wochen immer wieder von der “kommunalen Familie” spricht und mit seinem Redebeitrag im Hauptausschuss den familiären Verpflichtungen gegenüber seiner Verwaltungs-Schwester nachzukommen versuchte, ist angesichts der Fakten bestenfalls als amtliche Irreführung oder Rechtfertigungsarie zu verstehen (weitere Beiträge zur “kommunalen Familie”, “Markus Schlosser” und dem städtischen Stellenplan folgen).