Ingrid Moritz macht es richtig

Heute im Finanzausschuß geht es um die ganz großen Beträge. Der Stadthaushalt für 2023 wird beraten. Am Mittwoch vergangener Woche im Kulturausschuß waren nur die Themen und Aufgabenbeschreibungen groß. Die dort behandelten Beträge waren eher überschaubar. Ein extra Tagesordnungspunkt betraf ganze 250 Euro. Dieser Betrag soll auf Vorschlag der Verwaltung der Winzenheimerin Ingrid Moritz aus Mitteln der Hans und Harry Staab-Stiftung gewährt werden. Der Hintergrund dafür wurde in der Beschlußvorlage beispielhaft transparent und umfassend erläutert:

Gerd Cremer und Nelson Prieß (von rechts) schauten sich wie die anderen Kulturausschußmitglieder den Bildband mit Interesse an.

“Ingrid Moritz gab im Juni dieses Jahres einen historischen Bildband über das ‘alte‘ Winzenheim heraus. Er zeigt die Menschen, Häuser und Straßen von etwa 1900 bis zur Eingemeindung 1969. Für die Herstellung des Bildbandes hat Frau Moritz über ein Jahr ihre gesamte Freizeit und auch Material investiert. Für einige Fotos waren Fahrten bis Niederolm und Nierstein von Nöten. Ihr Mann scannte die alten Fotos, bearbeitete sie und erstellte davon ein großes Archiv. Die Fotografin Heidi Sturm arbeitete ebenfalls über Monate ehrenamtlich an diesem Projekt mit, indem sie die verschiedenen Ansichten der Häuser und Straßen fotografierte.

Frau Ulrike Leistritz, eine Freundin von Frau Moritz, die in einer Werbeagentur arbeitet, erstellte in ihrer Freizeit das Layout und suchte die passende Druckerei. Um das Buch in einem verhältnismäßig niedrigen Preisniveau zu halten, verzichtete Frau Moritz auf jeglichen Profit. Der gebundene Band mit 284 Seiten kostet 36 Euro. Mit Hilfe eines Zuschusses der Staab-Stiftung möchte Frau Moritz nun den beiden o.g. Damen eine kleine Anerkennung / Aufwandsentschädigung zukommen lassen. Das Kämmereiamt schlägt einen Zuschussin Höhe von 250 Euro vor. Aus Sicht der Verwaltung steht die Gewährung des Zuschusses mit der Stiftungssatzung in Einklang (Erhaltung des städtischen Kulturgutes)”.

Der Beschluß wurde einstimmig gefaßt. Besonders bemerkenswert: Ingrid Moritz ist Mitglied des Kulturausschusses. Und gehört zu den wenigen ehrenamtlichen Mandatsträger*Innen, die weiß, was sich gehört. Kommunalrechtlich. Um nämlich auch bei ganz eindeutigen Sachlagen den Anschein, da werde jemandem etwas zugeschustert, zu vermeiden, gelten klare Regeln. Wer von einer Entscheidung eines kommunalen Gremiums persönlich profitieren KANN, ist von Beratung und Beschlußfassung ausgeschlossen. Die betreffende Person muss sich bei öffentlichen Sitzungen zum Publikum setzen, bei nichtöffentlichen Sitzungen sogar den Raum verlassen.

Im Stadtrat wird regelmäßig gegen diese Vorschrift verstossen. So begründete das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz sein zweites Urteil gegen den Tourismusbeitrag vom 29.6.2021 ausdrücklich damit, dass ein Stadtratsmitglied sich nicht wegsetzte, sondern – auf wörtliche Aufforderung der Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer – nur den Stuhl um ein paar Zentimeter zurückrückte. Und damit die Vorschrift krass verletzte. Wer jetzt denkt, die Großkopferten hätten daraus gelernt, kennt die hiesigen Wichtigtuer schlecht. In deren Augen gelten Regeln nur für andere.

Für sie selbst natürlich nicht. Und so wurde zum Beispiel auch in der Sitzung des Stadtrates am 13. Oktober 2022 von einem prominenten Stadtratsmitglied gegen diese Vorschrift und die obergerichtlichen Ausführungen dazu verstossen. Vor den Augen des neues Stadtrechtsdirektors Fouad Yahia. Der nicht einschritt. Der neue Fall ist noch nicht gerichtshängig, weil eine 3-Monats-Frist gilt. Und die Geltendmachung des Fehlers die Verantwortlichen Anfang nächsten Jahres viel härter trifft. Ausserdem soll Kommunalpolitik ja auch Spaß machen.

Und die Vorfreude auf eine weitere Niederlage der Besserwisser*Innen und Schlauberger*Innen hilft über den ein oder anderen Tiefschlag im Lebensalltag sehr gut hinweg. Zurück zu Ingrid Moritz, die vorgemacht hat, wie es richtig geht. Kaum wurde “ihr” Tagesordnungspunkt aufgerufen, stand sie auf. Und verließ den Sitzungssaal. Warum mußte sie ja nicht erklären, weil sich das aus der Vorlage ergab. Es wäre schön, würden sich die anderen Kommunalpolitiker*Innen an Ingrid Moritz ein Vorbild nehmen.