ver.di empört: unausgebildete Vertretungskräfte über Jahre in Kitas

Noch über sechs volle Jahre, bis Ende 2028 soll mit unausgebildeten Vertretungskräften dem Problem des Fachkräftemangels in rheinland-pfälzischen Kitas entgegengewirkt werden. Dies besagt eine Änderung der Ausführungsverordnung des Kita-Gesetzes. Bisher durften unausgebildete Vertretungskräfte für höchstens sechs Monate in Kitas beschäftigt werden. Diese Regelung wurde nun außer Kraft gesetzt. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht darin massive Qualitätsverluste in der pädagogischen Arbeit. Darüber hinaus ist das damit vermittelte Signal an die Erzieherinnen und Erzieher in Zeiten eines eklatanten Fachkräftemangels fatal.

„Die fachliche Arbeit in Tageseinrichtungen für Kinder ist geprägt von Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Wertschätzung gegenüber allen Kindern und ihren Eltern, einer offenen Kommunikation und einem vertrauten Miteinander“, so heißt es in der Präambel der Fachkräftevereinbarung, die das Bildungsministerium gemeinsam mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen im Februar 2021 getroffen hat. Diese soll mit hoher Verbindlichkeit die pädagogische Eignung der pädagogischen Fachkräfte sichern und hat bundesweit einen Vorbildcharakter. Bislang können in rheinland-pfälzischen Kitas Vertretungskräfte, die über keine pädagogische Eignung verfügen, höchstens für die Dauer von sechs Monaten eingesetzt werden.

Nun sind Abweichungen von dieser Begrenzung bis zum 31.12.2028 möglich. „Somit wird auch langfristig dem Einsatz von Vertretungskräften ohne fachliche Vorkenntnisse Tür und Tor geöffnet“, empört sich Jana Beißert, zuständige Gewerkschaftssekretärin der ver.di. Eine entsprechende Änderung der Ausführungsverordnung des Kita-Gesetzes wurde den Gewerkschaften nicht zur Anhörung vorgelegt. Damit wurden Tatsachen geschaffen und die Gewerkschaften hatten keine Möglichkeit sich in einem Anhörungsverfahren dazu zu äußern.

„Mit Blick auf die formulierten Ansprüche an die pädagogische Arbeit ist diese Änderung für uns nicht nachvollziehbar“, führt Beißert weiter aus. Die Kitas im Land leisten wertvolle Arbeit mit Blick auf Bildungsgerechtigkeit und die Betreuung und Erziehung der ihnen anvertrauten Kinder. Gute Arbeit und eine qualitätsvolle Begleitung der Kinder benötige allerdings ausgebildete Fachkräfte. Der Bildungsauftrag schließt aus, dass Kitas auf ‚sicher, satt und sauber‘ reduziert werden. Durch die Änderung der bestehenden Regelungen wird den Beschäftigten in den Kitas vermittelt, dass im Grunde jede beliebige Person ihre Arbeit übernehmen könnten. „Das geht gar nicht!

Nach unserer Ansicht ist dieses Signal an die Erzieherinnen und Erzieher gerade mit Blick auf den bestehenden Fachkräftemangel fatal“, schimpft Beißert. Die mangelnde Wertschätzung und hohe Arbeitsbelastung senkten bereits jetzt nachweislich die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten in Kitas. „Abgesehen davon, dass diese ungelernten Kräfte für die Kitas bei einem branchenübergreifenden Fachkräftemangel nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen dürften, stellt sich die Frage, wann den fachlichen Lücken im Rahmen der Einarbeitung begegnet werden soll?“, fragt sich Beißert. „Statt einer Entlastung der Beschäftigten steigt die Belastung sogar, denn inhaltliche Arbeit verteilt sich dann auf immer weniger Schultern.“ Der konstatierte Fachkräftemangel ist auch keineswegs ein neues Problem.

Bereits vor mehr als einer Dekade hat Prof. Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz in verschiedenen Szenarien die absehbaren Folgen aufgezeigt. Und es ist eingetreten wie von ihm beschrieben: mehr Kinder und eine frühere Anmeldung in der Kita bei höherer Personalfluktuation und vermehrten Berufsaussteiger*Innen. Trotz der bekannten Ausgangslage sei bei der Reaktion auf den Fachkräftemangel bisher zu wenig passiert. „Es braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten am System Kita. Auch wird es bittere Entscheidungen geben, wenn der Maßnahmenplan in den Einrichtungen angewandt werden muss. Aber eine weitere Abwertung der Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher darf es nicht geben, sonst steigen weitere Fachkräfte aus diesem Berufsfeld aus!“, sagt Beißert abschließend.

Quelle: ver.di Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland