Völliges Unverständnis über Umgang mit historischem Erbe

Gastbeitrag von
Wilfried Maus

Man fragt sich zunehmend, was eigentlich noch passieren muss, dass die Verantwortlichen sich aktiv und mit Wirkung zum Erhalt historischer Bausubstanz einsetzen. Wir hätten uns mehr Engagement gewünscht von der Unteren Denkmalschutzbehörde (Kreisverwaltung), der Stadtverwaltung – hier an erster Stelle zu nennen Bauamt und Bauausschuss – und vom Stadtrat. Konkret: im August wurden auf der Großbaustelle Salinenstraße / Ecke Schlossstraße Mauerreste der Stadtbefestigung (aus dem 13. Jahrhundert) bei Schachtarbeiten freigelegt. Das – vorschriftsgemäß – hinzugezogene Landesamt für Archäologie bestätigte diese freigelegten Mauerreste (auch mittels Drohnenaufnahmen) am Montag, 5.9.22, als Teile des Ebernburger Turms (nach Quellenangaben: 12 Meter Durchmesser, 3 Meter Mauerstärke).

Am Dienstag, 6.9.2022, wurde diese historische Bausubstanz mit dem Bagger zur Entsorgung auf den LKW gekippt. Diese Entscheidung war nach Auskunft des Landesamtes für Archäologie „unter Berücksichtigung aller Faktoren“ gemeinsam mit der Unteren Denkmalschutzbehörde (Kreisverwaltung) getroffen worden. Es wurden aber nicht nur mittelalterliche Funde gemacht, es wurden sogar Tonscherben aus der Jungsteinzeit (!), 3.000 v. Chr., an einer anderen Stelle des Baugrunds gefunden. Nur ein sehr kleiner Teil davon konnte von den Archäologen gerettet werden. Spätestens ab Dienstagmittag war augenscheinlich die Baustelle von der Landesarchäologie freigegeben worden.

Auch wenn Herr Dr. Brücken, wissenschaftlicher Ausgrabungsleiter, die „Handvoll Erde mit Scherben“ als nicht so bedeutsam einschätzt, sind das doch wertvolle Funde, die man nicht alle Tage und an dieser Stelle noch nicht gemacht hat. Es sind dies zwar nicht die ersten jungsteinzeitlichen Funde innerhalb der Gemarkung Kreuznachs. Aber: muss man sie deswegen klein reden? Warum hat man sich nicht mehr Zeit genommen, um weitere Grabungen in diesem Areal durchzuführen? Die rechtlichen Voraussetzungen hätte es gegeben: gibt es doch seit dem 1.8.22 einen Vertrag zwischen der Landesarchäologie und dem Bauherrn, der genau eine solche Situation vertraglich regelt.

Jetzt ist der Baugrund planiert, die Steine sind weg. Und wohl nicht nur beim Denkmalverein bleibt zurück ein völliges Unverständnis dafür, wie wenig wertschätzend die hier und in Mainz Verantwortlichen mit Kreuznachs historischem Erbe umgehen. Sind Funde hier weniger wert als z.B. in Mainz oder Trier? Wir sind sicher: anderswo wäre man mit solchen Funden anders umgegangen: Worms z.B. ist dabei, seine Stadtmauer teilweise wieder aufzubauen und sie als touristische Attraktion herauszustellen. Von dieser Idee scheint Bad Kreuznach aber noch meilenweit entfernt.

Wilfried Maus ist der 1. Vorsitzende des denk-mal : Bad Kreuznach e.V. für Denkmal- und Umweltschutz