Kreis leitet Bußgeldverfahren wegen illegaler Grundwasserentnahme ein

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Claus Jotzo

Seit gestern steht es amtlich fest: die von dieser Seite aufgedeckte massive Grundwasserabsenkung im Wohngebiet Korellengarten war illegal. Zwar hatten die Bauherren Ende Mai eine Genehmigung bei der zuständigen Unteren Wasserbehörde der Kreisverwaltung beantragt. Aber dann ohne diese abzuwarten mit dem Abpumpen begonnen. Das bestätigen nicht nur dutzende von Anwohner*Innen, denen die entsprechenden Aktivitäten auf dem Nachbargrundstück aufgefallen waren. Sondern auch das von der Redaktion dieser Seite erstellte Bild- und Vor-Ort-Dokumentationsmaterial. Erst am 5. August 2022, zwei Tage vor der Erstveröffentlichung dieser Seite, lag der Genehmigungsbehörde die geforderte, zwingend erforderliche naturschutzfachliche Stellungnahme vor.

Aufnahme vom 14. Juni 2022, Quelle: NSA.

Wenige Tage zuvor, in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang nachdem die Recherchen dieser Seite bis zur Stadtverwaltung durchgedrungen waren, hatten die Bauherren das Abpumpen abrupt beendet, die Pumptechnik in Windeseile größtenteils abgebaut und von der Baustelle entfernt. Die Untere Wasserbehörde hat zwischenzeitlich die Grundwasserentnahme genehmigt (natürlich nicht rückwirkend, sondern für die Zukunft). Allerdings mit erheblichen, umweltschonenden Auflagen. So müßte die Grundwasserabsenkung “durch einen Bodengutachter fachlich verantwortlich” begleitet werden und “auf allen umliegenden Flurstücken, die sich im Einflussbereich des Absenktrichters befinden, alle Baum- und Grünbestände regelmäßig und ausreichend” bewässert werden.

Beides ist in den vergangenen Monaten nicht geschehen. Insbesondere die unterlassene Bewässerung des alten Baumbestandes hat diesen nachhaltig geschädigt. Das haben mittlerweile zwei Baumfachleute unabhängig voneinander nach Begutachtung der Jahrzehnte alten Bäume festgestellt. Mindestens sieben der Baumriesen sind aus fachlicher Sicht jetzt schon erkennbar so stark geschädigt, dass diese in absehbarer Zeit ihre Standfestigkeit verlieren und daher gefällt werden müssen. Auf Anfrage der Redaktion dieser Seite teilt die Kreisverwaltung dazu mit: “für Schäden an Gebäuden oder der Vegetation haftet der Antragsteller nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften”.

Der die Redaktion dieser Seite in Bausachen beratende Rechtsanwalt rät allen Betroffenen zur “unverzüglichen Einleitung von Beweissicherungsverfahren”. Dies dürfte vor allem für die städtische Gewobau von Bedeutung sein. Deren Wohnblöcke liegen in unmittelbarer Nachbarschaft der Baustelle. Und es sind die von deren Mieter*Innen fürs Spielen und Picknick im Schatten genutzten Bäume, die geschädigt wurden. Aus der Sachinformation, die von der Kreisverwaltung auf Anfrage der Redaktion dieser Seite in erfreulich weitreichender Transparenz zur Verfügung gestellt wurde, geht hervor, dass die Stadtverwaltung gleich zwei Mal mit der Grundwasserentnahme befaßt wurde.

Zum einen durch eine Anfrage beim Abwasserbetrieb hinsichtlich der Einleitung der abgepumpten Grundwassermengen in das städtische Kanalsystem. Diese wurde positiv beschieden – ohne jeden Gedanken an eine alternative Nutzung des Grundwassers, etwa zum Schonen des Regenwasserspeichers am Europaplatz. Noch schwerwiegender ist allerdings, dass die Untere Wasserbehörde wegen der Größenordnung des Falles von der üblichen Arbeitsweise abgewichen ist. Und die Stadtverwaltung am 24. Juni 2022 ausdrücklich auf dem Weg über eine Anhörung am wasserrechtlichen Verfahren beteiligt hat: “ohne Rückmeldung”, wie die Kreispressestelle feststellt. Die Stadtverwaltung hatte also spätestens seit Ende Juni 2022 offiziell Kenntnis von dem wasserrechtlichen Verfahren.

Und blieb untätig. Diese Amtspflichtverletzung erklärt, warum Baudezernent und Oberbürgermeister Emanuel Letz alles versucht hat, um eine zeitnahe Behandlung des Themas im städtischen Planungsausschuss zu verhindern. Die ihm persönlich am 4.8.2022 von der Redaktion dieser Seite vorgelegte Anfrage zum Sachverhalt ist – rechtswidrig – bis heute nicht beantwortet. Und auch auf den Erstbericht dieser Seite vom 7.8.2022 reagierten weder Letz noch das von ihm verantwortete Stadtbauamt. Selbst als am Morgen des 8.8.2022 die ersten schriftlichen Forderungen einer Sondersitzung des Planungsausschusses von Mitgliedern des Planungsausschusses dem Oberbürgermeister vorlagen, blockte der ab.

Und ließ seinen kommissarischen Hauptamtsleiter Jürgen Cron abwiegeln und vertrösten. Obwohl der Stadtverwaltung bereits am Dienstagvormittag (9.8.2022) mehr als die nötigen fünf Sitzungsanforderungen vorlagen, erging die Einladung nicht. Statt dessen wurde der Versuch unternommen die Antragsteller zur Rücknahme ihrer Forderungen zu bewegen – ein krasser Verstoß gegen die Gemeindeordnung und die Geschäftsordnung des Stadtrates. Weil zumindest einem Teil der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*Innen mittlerweile klar geworden ist, dass auf die hauptamtliche Verwaltung leider kein Verlaß mehr ist, blieben diese hart. Und somit mußte OB Letz schließlich doch für den Dienstag kommender Woche (16.8.2022) zu einer Sondersitzung einladen (siehe gesonderter Bericht “Ehrenamtliche setzen Sondersitzung des Planungsauschusses gegen OB durch” in der heutigen Ausgabe dieser Seite).

In dieser Sitzung wird die Verwaltung den Mandatsträger*Innen und der Öffentlichkeit erklären müssen, wieso die Steuerzahler*Innen zwar eine “Bauaufsicht” als Teil des Stadtbauamtes bezahlen. Diese aber nur tätig wird, wenn es gilt mißliebigen Stadtratsmitgliedern oder Bürger*Innen nachzustellen. Und Großbaustellen monatelang nicht besucht. Auf die Kreisverwaltung können sich Kommunalpolitiker*Innen und Einwohner*Innen jedenfalls verlassen. Diese nimmt sich dem Thema jetzt sachlich-fachlich an: “Grundsätzlich ist das Entnehmen von Grundwasser ohne Erlaubnis keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit, welche mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Dieses Verfahren wird von uns auch entsprechend eingeleitet”. Damit ist sichergestellt, dass der Sachverhalt amtlich dokumentiert und zur Abschreckung geahndet wird (weiterer Beitrag folgt).

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

10.08.22 – “Nelson Prieß: “warum gab es keine Überwachung dieser Großbaustelle?”
09.08.22 – “Grundwasserverschwendung: Stadtverwaltung bleibt untätig”
07.08.22 – “Trotz Dürre: wertvolles Grundwasser wird ins Gulli gepumpt”